Aber nun zu der Uhr:
Habe mal wieder etwas investiert und eine recht seltene Uhr ersteigert. Sie kommt von T. Bäuerle und Söhne in St. Georgen und ist eine Uhr mit Ferraris-Motor. Die Uhr sieht von außen wie eine normale Werksuhr, mit dem Kabel könnte man meinen, dass ein Synchronmotor drinnen wäre.

Aber von wegen: Wenn man das Gehäuse nimmt, meint man schon, die Uhr wäre aus dem Vollen geschnitzt, so schwer ist sie. Außerdem ist das Gehäuse kein billiges Blechding, wie sonst, sondern aus ziemlich starkem Messing tiefgezogen, zusätzlich verkupfert und dann noch lackiert. Aufwändiger geht das eigentlich nicht, wenigstens nicht bei diesem Aussehen. Über das kann man wirklich streiten. Jedenfalls kann das Gehäuse auch nach einer Beschädigung nicht rosten. Wenn man von hinten schaut, sieht man innerhalb des Gehäuses noch ein Alugehäuse, welches verplombt werden kann. Nach dem Entfernen einer Schraube und eines Deckels kommt dann das zu Tage:

Das ist ein richtig schweres, hochwertiges Uhrwerk. Der Aufzugmotor mit Getriebe macht von hinten bestimmt 2/3 des Werkes aus, gewichtsmäßig wird es noch einiges mehr sein. Zum Aufzugmotor gehört diese Spule mit einem ordentlichen Blechpaket.

Dieses Teil alleine wiegt schon fast mehr als die ganze übrige Uhr. An der schmalen Stelle gibt es dann einen Luftspalt, zwischen dem die Aluminiumscheibe läuft. Das Ganze funktioniert so ähnlich wie ein Stromzähler: Gibt es eine Wechselspannung (die übrigens zwischen 110 V, 160V und 220V gewählt werden kann), so bewegt sich die Aluscheibe im Uhrzeigersinn zwischen dem Luftspalt her. Das funktioniert aber nur deshalb, weil ein Teil des Luftspaltes abgetrennt und mit einem dicken Kupferring umgeben ist. Dadurch wird das Magnetfeld um 90° gedreht und die Drehrichtung der Aluscheibe festgelegt. Viel Kraft hat diese Scheibe wirklich nicht, man kann sie mit dem kleinen Finger anhalten. Aber der Stromverbrauch ist auch minimal: Die Uhr wird an der Spule noch nicht einmal warm, sie soll 0,5 Watt verbrauchen. Und das mit dem Anhalten hat auch seinen Sinn, wie man weiter sieht.

Das dazugehörige Werk ohne die Spule sieht dann so aus: Man sieht die Aluscheibe und einen Bremshebel. Außerdem einiges an Räderwerk, um die wenige Kraft dazu nutzen zu können, das Federhaus aufzuziehen.
Dazu sind immerhin, neben der Aluscheibe, 3 Räder nötig. Ein Rad besitzt noch ein Gesperr, damit sich das Federhaus bei Stromausfall nicht entlädt. Das Federhaus nun besitzt eine Wandermutter: Auf den Federkern ist ein Gewinde geschnitten, und wenn sich der Federkern dreht und die Uhr aufgezogen wird, verschiebt sich eine Mutter nach oben. Wenn das Federhaus aufgezogen ist, ist die Mutter oben und dreht den Bremshebel, der die Aluscheibe anhält. So kann die Feder nicht zu stark aufgezogen werden. Läuft die Uhr ab, so bewegt sich die Mutter wieder nach unten, der Hebel lässt los, und die Aluscheibe kann sich wieder drehen. Ist ganz einfach, wenn man sich das ansieht, auch wenn sich das kompliziert anhört. Der Motor ist so schwach, dass er durch den Hebel ohne weiteres angehalten werden kann. Weil der Motor so schwach ist und durch die hohe Übersetzung, dauert das Aufziehen der Uhr bestimmt 2 bis 3 Stunden.
Bei aufgezogener Feder ändert sich das: Die Wandermutter drückt den Hebel mit dem Filz an die Aluscheibe, die darauf hin sofort stehen bleibt. Läuft die Uhr ab, dreht sich die Scheibe und zieht die Uhr sofort wieder auf. Festhalten des Motors und Loslassen wiederholt sich innerhalb weniger Minuten mehrmals, die Feder ist also immer konstant gespannt, was natürlich gut für die Genauigkeit der Uhr ist. Und das Werk ist wirklich sehr genau! Die Uhr ist auch sonst sehr massiv gebaut: Sie hat immerhin 17 Steine: 15 für das Uhrwerk, also alle Zapfen außer dem Minutenrad sind steingelagert, ebenso das Echappement. Der Motor hat 2 Decksteine, die schraubbar einstellbar sind.
Das Echappement hat eine Feinreglage und Breguetspirale, also sehr hochwertig. Die Uhr ließ sich auf der Zeitwaage ohne weiteres mit 10fach-Lupe einstellen, auf 4 Sekunden Vorgang pro Tag. Und die Genauigkeit hat sich auch im Dauertest bestätigt.
Verständlicherweise wurden solche Uhren nicht häufig gebaut: Sie waren einfach zu teuer. Ich frage mich, wer so etwas gekauft hat: Das müssen schon richtige Geldprotzen gewesen sein. Und bei dem Design...
Trotzdem ist das ein schönes Stück Maschinenbau in der Uhrentechnik, was nicht zu unterschätzen ist. In dieser Zeit hatte man immer noch Schwierigkeiten, einen betriebssicheren Kontakt herzustellen. Bei dieser Uhr aus den 30ger Jahren hat man daher konsequenterweise auf Kontakte gänzlich verzichtet, was die Uhr nicht unbedingt einfacher, mit Sicherheit aber betriebssicherer macht. Andererseits ist der Motor der Uhr absolut geräuschlos, was in dieser Zeit auch nicht immer der Fall war. Ich habe hier im Raum so einige Elektrouhren, und die machen an sich alle Krach, die einen mehr, die anderen weniger. Meist ein Klack pro Minute. Diese Uhr ist dabei wirklich die leiseste, man hört nur das Ticken und am und zu einen Klick der Sperrklinke. Alle anderen Teile sind drehend und daher geräuschlos.
Frank