Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
Antworten
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Wie sollte es auch anders bei mir sein: Da muss ein Kabel dran sein (nicht unbedingt mit Stecker, Batterie geht auch), die muss technisch interessant sein, und dann auch einigermaßen früh. Und wenn geht eine Einzeluhr, also nichts, was noch eine Nebenuhr steuert.

Aber nun zu der Uhr:

Habe mal wieder etwas investiert und eine recht seltene Uhr ersteigert. Sie kommt von T. Bäuerle und Söhne in St. Georgen und ist eine Uhr mit Ferraris-Motor. Die Uhr sieht von außen wie eine normale Werksuhr, mit dem Kabel könnte man meinen, dass ein Synchronmotor drinnen wäre.

Bild

Aber von wegen: Wenn man das Gehäuse nimmt, meint man schon, die Uhr wäre aus dem Vollen geschnitzt, so schwer ist sie. Außerdem ist das Gehäuse kein billiges Blechding, wie sonst, sondern aus ziemlich starkem Messing tiefgezogen, zusätzlich verkupfert und dann noch lackiert. Aufwändiger geht das eigentlich nicht, wenigstens nicht bei diesem Aussehen. Über das kann man wirklich streiten. Jedenfalls kann das Gehäuse auch nach einer Beschädigung nicht rosten. Wenn man von hinten schaut, sieht man innerhalb des Gehäuses noch ein Alugehäuse, welches verplombt werden kann. Nach dem Entfernen einer Schraube und eines Deckels kommt dann das zu Tage:

Bild

Das ist ein richtig schweres, hochwertiges Uhrwerk. Der Aufzugmotor mit Getriebe macht von hinten bestimmt 2/3 des Werkes aus, gewichtsmäßig wird es noch einiges mehr sein. Zum Aufzugmotor gehört diese Spule mit einem ordentlichen Blechpaket.

Bild

Dieses Teil alleine wiegt schon fast mehr als die ganze übrige Uhr. An der schmalen Stelle gibt es dann einen Luftspalt, zwischen dem die Aluminiumscheibe läuft. Das Ganze funktioniert so ähnlich wie ein Stromzähler: Gibt es eine Wechselspannung (die übrigens zwischen 110 V, 160V und 220V gewählt werden kann), so bewegt sich die Aluscheibe im Uhrzeigersinn zwischen dem Luftspalt her. Das funktioniert aber nur deshalb, weil ein Teil des Luftspaltes abgetrennt und mit einem dicken Kupferring umgeben ist. Dadurch wird das Magnetfeld um 90° gedreht und die Drehrichtung der Aluscheibe festgelegt. Viel Kraft hat diese Scheibe wirklich nicht, man kann sie mit dem kleinen Finger anhalten. Aber der Stromverbrauch ist auch minimal: Die Uhr wird an der Spule noch nicht einmal warm, sie soll 0,5 Watt verbrauchen. Und das mit dem Anhalten hat auch seinen Sinn, wie man weiter sieht.

Bild

Das dazugehörige Werk ohne die Spule sieht dann so aus: Man sieht die Aluscheibe und einen Bremshebel. Außerdem einiges an Räderwerk, um die wenige Kraft dazu nutzen zu können, das Federhaus aufzuziehen.
Dazu sind immerhin, neben der Aluscheibe, 3 Räder nötig. Ein Rad besitzt noch ein Gesperr, damit sich das Federhaus bei Stromausfall nicht entlädt. Das Federhaus nun besitzt eine Wandermutter: Auf den Federkern ist ein Gewinde geschnitten, und wenn sich der Federkern dreht und die Uhr aufgezogen wird, verschiebt sich eine Mutter nach oben. Wenn das Federhaus aufgezogen ist, ist die Mutter oben und dreht den Bremshebel, der die Aluscheibe anhält. So kann die Feder nicht zu stark aufgezogen werden. Läuft die Uhr ab, so bewegt sich die Mutter wieder nach unten, der Hebel lässt los, und die Aluscheibe kann sich wieder drehen. Ist ganz einfach, wenn man sich das ansieht, auch wenn sich das kompliziert anhört. Der Motor ist so schwach, dass er durch den Hebel ohne weiteres angehalten werden kann. Weil der Motor so schwach ist und durch die hohe Übersetzung, dauert das Aufziehen der Uhr bestimmt 2 bis 3 Stunden.

Bei aufgezogener Feder ändert sich das: Die Wandermutter drückt den Hebel mit dem Filz an die Aluscheibe, die darauf hin sofort stehen bleibt. Läuft die Uhr ab, dreht sich die Scheibe und zieht die Uhr sofort wieder auf. Festhalten des Motors und Loslassen wiederholt sich innerhalb weniger Minuten mehrmals, die Feder ist also immer konstant gespannt, was natürlich gut für die Genauigkeit der Uhr ist. Und das Werk ist wirklich sehr genau! Die Uhr ist auch sonst sehr massiv gebaut: Sie hat immerhin 17 Steine: 15 für das Uhrwerk, also alle Zapfen außer dem Minutenrad sind steingelagert, ebenso das Echappement. Der Motor hat 2 Decksteine, die schraubbar einstellbar sind.
Das Echappement hat eine Feinreglage und Breguetspirale, also sehr hochwertig. Die Uhr ließ sich auf der Zeitwaage ohne weiteres mit 10fach-Lupe einstellen, auf 4 Sekunden Vorgang pro Tag. Und die Genauigkeit hat sich auch im Dauertest bestätigt.

Verständlicherweise wurden solche Uhren nicht häufig gebaut: Sie waren einfach zu teuer. Ich frage mich, wer so etwas gekauft hat: Das müssen schon richtige Geldprotzen gewesen sein. Und bei dem Design...

Trotzdem ist das ein schönes Stück Maschinenbau in der Uhrentechnik, was nicht zu unterschätzen ist. In dieser Zeit hatte man immer noch Schwierigkeiten, einen betriebssicheren Kontakt herzustellen. Bei dieser Uhr aus den 30ger Jahren hat man daher konsequenterweise auf Kontakte gänzlich verzichtet, was die Uhr nicht unbedingt einfacher, mit Sicherheit aber betriebssicherer macht. Andererseits ist der Motor der Uhr absolut geräuschlos, was in dieser Zeit auch nicht immer der Fall war. Ich habe hier im Raum so einige Elektrouhren, und die machen an sich alle Krach, die einen mehr, die anderen weniger. Meist ein Klack pro Minute. Diese Uhr ist dabei wirklich die leiseste, man hört nur das Ticken und am und zu einen Klick der Sperrklinke. Alle anderen Teile sind drehend und daher geräuschlos.

Frank
karlo

Re: Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Beitrag von karlo »

Wieder mal ein ganz besonderer Fund.

ps.
Welche Zeitwaage benutzt Du fuer sowas?

Grossuhrenzeitwaage zu schnell
Kleinuhrenzeitwaage zu gross

???

Karlo
steffl62
Beiträge: 972
Registriert: Sa 21. Aug 2010, 09:47
Wohnort: Wien

Re: Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Beitrag von steffl62 »

Hallo Frank,
ganz toller Beitrag!
War für mich völlig neu das es sowas auch gegeben hat. Wie funktioniert das mit der Wandermutter? Dreht sich der Federkern denn in beide Richtungen und das Federhaus steht fest? :shock:

lg Christian
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

@ Karlo Das ist eine Kleinuhrzeitwaage. Irgendwie habe ich das Riesenwerk auf dem Kleinuhrmikro befestigen können, ohne dass es herunterfiel. Die Schlagzahl ist normale 18000. Alles kein Problem. Zeitwaage Tickoprint, mit der gehen auch Quartzuhren. Da ich die Dinger aber nicht leiden kann, eher selten.

@ Steffl: Die eigentliche Mutter ist auf den Federkern aufgedreht, also der hat das Gewinde, eben so wie die Mutter. Das eigentliche Federhaus dann hat 2 Stifte, die durch Bohrungen in der Wandermutter gehen. Wenn also der Federkern sich gegenüber dem Federhaus verdreht, dann wandert die Mutter am Gewinde des Federkerns entlang. Ein Kragen der Mutter wird dann abgetastet und bewegt dann z. B. den Bremshebel.

Wenn ich finde, zeige ich dazu mal eine Zeichnung.

Grüße

Frank
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

So, hier die Abbildung eines Federhauses mit Wandermutter. Die Wandermutter ist das Teil, durch die die beiden Stifte gehen. Und diese sind auf dem Federhaus befestigt.

Bild

Grüße

Frank
Benutzeravatar
Taloon
Beiträge: 238
Registriert: Di 24. Aug 2010, 21:35
Wohnort: Kiel

Re: Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Beitrag von Taloon »

Da kann ich noch eine etwas bessere Variante dieses Mechanismus präsentieren:

Bild
Uhrwerk aufgezogen, Motor aus


Bild
Uhrwerk (vollständig) abgelaufen, Motor ein


Bild
Gesamtansicht.

Es handelt sich um ein Werk der Firma Jundes. Die Zahnräder, die man sehen kann, sind Teil des Motoraufzugs. Der Motor selbst ist ein simpler Spaltmotor. Das Gehwerk ist sehr schüchtern und versteckt sich oben unter der Platine. Bemerkenswert ist das hochwertige Echappement mit Schweizer Ankergang. Die Uhr gibt es sowohl mit 24h-Schaltwerk als auch ohne und ist nicht sooo selten ;)
steffl62
Beiträge: 972
Registriert: Sa 21. Aug 2010, 09:47
Wohnort: Wien

Re: Wieder mal eine interessante Elektrouhr

Beitrag von steffl62 »

Danke! Ich finde solche Mechanismen hoch interessant. :P

lg Christian
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!
Antworten