Wintermantel oder Schatz?

Jahresuhren, Atmos und mehr
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Hendrik-vZ
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Wintermantel oder Schatz?

Beitrag von Hendrik-vZ »

Hallo Freunde,

ich habe mich hier angemeldet, weil mich in den letzten Tagen meine schon seit fast zehn Jahren im Besitz befindliche Jahresuhr wieder beschäftigte. Ich hatte sie damals von einer Frau geschenkt bekommen, als ich ihren Dachboden entkernt hatte.

Keine Ahnung warum, aber ich wollte jetzt etwas über die Uhr herausfinden und recherchierte im Internet. Nun bin ich aber überrascht und überfordert und bitte um eure Hilfe. Fakt: 1881 - 1884 "Wintermantel" Jahresuhren; seit 1923 "Schatz & Söhne". 1887 wurde "Made in Germany" eingeführt, aber auf meiner Uhr steht nur "Germany". Auf Bildern im Internet von "Schatz"-Uhren sehe ich immer "Made in Germany". Es könnte also sein, daß meine Uhr vor 1887 hergestellt wurde und eine der ersten "Wintermantel"-Uhren ist, da als einzige Stanzung auf den Grundplatten sich eine "2" befindet. Da jegliche Bildermarke fehlt, denke ich sogar, daß es sich um eine der 12 Muster aus 1882 handelt. Die Uhr ist nicht poliert und weist Herstellungsspuren (Schleifen, Feilen) an allen Teilen auf.

Wie auch immer! ;)
Danke für eure Hilfe

Gruß Hendrik
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walter der jüngere

Re: Wintermantel oder Schatz?

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

nur, weil nicht "Made in Germany" auf diesem Werk steht, kann man nicht einfach schlußfolgern, daß es vor 1887 hergestellt wurde. Das betrifft übrigens sehr viele Gegenstände, nicht nur Uhren.
Vom Fehlen des "Made in Germany" dann also weiter zu schlussfolgern, und dann auf den Schluß zu kommen, daß es sich hierbei nun eine der besagten 12 Musteruhren handeln müsse - nun, dies halte ich für weit mehr als nur "frei geschlussfolgert".
Im Übrigen: Diese 12 Musteruhren, von denen in den Schatz'schen Lebenserinnerungen die Rede ist, wurden offenbar als Werke, d.h. ohne Säulen, Sockel und Glas verkauft.
Eine offenbar gut zu Deiner Uhr passende Abbildung findet man in Passmore: "Anniversary Identification": 8-10 JUF Schatz.

Dieses Werk entspricht dem Modell JUF "Standard", frühe Ausführung.
Weitere Details dazu sind gut nachlesbar in
Passmore: Anniversary Clock Identification
und in
Horolovar: 400 Day Clock - Repair Guide.

By the way: Beide genannten Bücher ergänzen sich oft in Ihren Angaben, wie auch hier in diesem Fall.

Zur Firmengeschichte Winterhalder/Schatz/JUF (und damit auch zu diesen Uhren) finden sich z.B. sehr viele weitere Informationen in
Schmid: "Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 - 1980".

Ja, in der Tat, im Internet ist nicht alles, und nicht jede Information und auch nicht immer entsprechende Bilder, Quellenhinweise usw. so einfach verfügbar.
Aber ist mitunter eine gute Hilfe, bei solchen Recherchen ein ganzes Stück weiterzukommen.
Es ergeben sich daraus oft genug Anhaltspunkte, Hinweise. Aber oft kein vollständiges, und noch viel öfter kein wirklich sicheres Bild.
Da muss man dann in Bibliotheken oder Museen suchen und fragen und eben oft, sehr oft sogar - viele, viele Bücher zuhilfe nehmen.
Aber das lohnt sich!
Um in solchen Bücher lesen und recherchieren zu können, muß man sich nicht alle dieser Bücher erwerben. Zunächst ist es oft sehr hilfreich, sich in Bibliotheksverzeichnissen zu informieren, um zu erfahren, welche Bücher für die entsprechende Recherche infrage kommen könnten - und wo diese Bücher wenn dann einsehbar bzw. ausleihbar sind - und unter welchen Voraussetzungen, Bedingungen usw. Diese Bücher dann für die kurze Zeit der Recherche vor Ort einzusehen oder ggfs. auch auszuleihen wäre dann der nächste Schritt. Es reicht oft aber auch schon, in der nächstgelegenen Bibliothek danach zu fragen - und wenn die entsprechenden Bücher dort nicht vorrätig sind, gibt es oft auch die Möglichkeit der Fernleihe...
Prädestiniert für solche Recherchen sind natürlich Fachbibliotheken, insbesondere die der DGC (die DGC ist übrigens auch Träger dieses Forums), da stehen mittlerweile so viele einschlägige Titel zur Verfügung wie sonst nur selten. Und wenn man dort ist, und dann mal nicht weiter weiß, oder dort mal nicht gut vorankommen sollte, dann stehen dort auch sehr hilfsbereite, fachkundige Betreuer zur Verfügung. Diese zu fragen, reicht oft schon völlig aus. Ein ganz besonderes Glück ist es natürlich, wenn einem im Fall der Fälle der Herr Dr. Huber (Leiter der DGC-Bibliothek) weiterhilft, er kennt nämlich fast alle dieser Bücher nicht nur vom Titel, sondern auch vom Inhalt. Er ist gerade bei kniffligen Recherchen schon oft mit rettenden Ideen zur Stelle gewesen.

Schön, daß Du diese Uhr hier vorgestellt hast. Ein schönes Stück, und offenbar noch einigermaßen gut erhalten.

Viel Freude weiterhin damit!

Walter d. J.
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Der_Stromer
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Re: Wintermantel oder Schatz?

Beitrag von Der_Stromer »

Guten Tag Hendrik und herzlich willkommen hier im Forum.

Zu Deiner Uhr will ich mal versuchen, Antworten zu geben.
Nach den dürftigen Bildern und Angaben kann es sich hier um eine Uhr der Fa. "Jahresuhrenfabrik" handeln.

Zu den verwirrenden Namen dieser Uhrenfabrik in Triberg gibt das "Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 - 1980" sehr gut auskunft.
Gerson Wintermantel, August Schatz, Joseph Schöpperle, Karl und German Kienzler und Albert Fehrenbach gründeten 1881 die "G. Wintermantel & Co." Triberg. Ab 1883 nannte sich die Firma dann "Schatz & Wintermantel".

Übrigens nicht zu verwechseln mit Gebr. Wintermantel :? .

Ebenfalls in 1881 beschäftigte sich Aug. Schatz intensiv mit Drehpendeluhren, die er nach den Patenten Harder und Jehlen noch 1881 zur Serienreife bringen konnte.
Nach einigen Turbulenzen (einige Mitbegründer der Firma stiegen aus), und noch 1885 wurde die Firma in "Jahresuhrenfabrik Aktiengesellschaft in Triberg (Juf)" umgewandelt. Ab 1897 in eine GmbH "Jahresuhrenfabrik-Triberg GmbH" und ab 1923 "Jahresuhrenfabrik GmbH. Aug. Schatz & Söhne".

Nach meinen Unterlagen wurde Deine Uhr ab ca. 1900 hergestellt, also von der Firma "Jahresuhrenfabrik-Triberg GmbH". Im Terwilliger ist als Hersteller "Wintermantel Uhrenfabrik" angegeben mit dem Datum 1900. Das kann aber so nicht stimmen, siehe oben.

Zum "Germany", dass Du erwähnt hast: Das war auch schon damals in etwa freiwillig und eigentlich nur erforderlich, wollte man die Erzeugnisse nach dem vereingten Königreich und den Britischen Kolonien verkaufen. Und es blieb daher freigestellt, ob da nun Germany oder Made in Germany oder auch Hergestellt in Germany drauf stand. Es war nur wichtig für den Export nach Groß Britannien.

Zum Herstellungsjahr: 1900 sagt nur aus, dass ab diesem Jahr die Platine (das Uhrwerk) hergestellt wurde. Auch die Jahresuhrenfabrik verkaufte Rohwerke an Firmen, die dann die Werke auf oder in eigene Gehäuse einbauten und so verkauften. Diese Rohwerke waren meist nicht mit einer Firmenprägung versehen, also "Blanko".
Zu der von Dir angesprochenen "2" in der Bodenplatte: Das war eine Nummer, die es erleichterte, die Einzelteile der Uhr bei der Montage wieder zu finden. Wenn diese "2" nur im Boden zu finden ist, deutet das darauf hin, dass hier gemixt wurde und Teile von anderen Uhren mit verbaut wurden, welche aber später hergestellt sind.

Was mich etwas stört an Deiner Uhr: Das Kugelpendel passt nicht zu 1900, aber da kann ich irren, denn man kann es schlecht erkennen. Es wird aber von der Jahresuhrenfabrik hergestellt worden sein, aber erst so ab 1905. Wahrscheinlich wurde das ehemals vorhandene Scheibenpendel (und da könnte man dann auch wieder die "2" finden) beim Austausch der Pendelfeder einfach mitgetauscht, da das Kugelpendel "moderner" war. Wurde übrigens sehr oft gemacht.
2.) Das Gehäuse ist zu einfach gehalten. Um 1900 waren mehr Verzierungen etc. Up to Date.
3.) Die Krone passt eher zu BADUF-Uhren.

Meine unmaßgebliche Einschätzung zur Uhr:
Schöne Uhr, die unbedingt erhalten werden sollte und die auch nach fachmännischer Revision sicher wieder die Zeit zählen wird, wie es sich für eine Uhr gehört.

ABER: Eine der 12 "Probeuhren" (das waren auch keine Probeuhren, sonder eine Vorserie für den Uhrengroßisten deGruyter) aus 1882 ist diese Uhr ganz sicher nicht. Wie schon geschrieben, frühestes Datum dieses Werkes ist 1900.
Alles Andere ist von anderen Herstellern, die Uhr also eine "Marriage".

Siehe auch der Kommentar vom "Walter d. Jüngere", der mich mal wieder überholt hat :mrgreen:
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

http://www.rolf-dieter-reichert.de
janekp
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Re: Wintermantel oder Schatz?

Beitrag von janekp »

Selbst wenn es ist Mariage es gefällt mir.
Zitat#Da jegliche Bildermarke fehlt, denke ich sogar, daß es sich um eine der 12 Muster aus 1882 handelt#
So sieht es aus die hintere Plate einen vom 12 prototype GW&Cie.
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Hendrik-vZ
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Re: Wintermantel oder Schatz?

Beitrag von Hendrik-vZ »

Vielen Dank für eure Antworten und Aufklärung!

Ich bin kein Experte und hatte mich lediglich durch das Internet schlau gemacht. Wäre meine Uhr poliert und verziert, wie es zuhauf im Netz zu sehen ist, dann wäre die Sachlage für mich klar. Aber der Grobschliff des "Kalibers" gegenüber des Sockels (welcher poliertes Messing ist) wunderte mich. Wer verkaufte denn so etwas? Also dachte ich, daß es ein Muster oder sogar eine Hinterhof-Replik ist.

Ich werde die Uhr jedenfalls behalten und die bestellte Torsionsfeder einbauen - und mich daran erfreuen! ;)

Bis später!
Gruß Hendrik
Hendrik-vZ
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Re: Wintermantel oder Schatz?

Beitrag von Hendrik-vZ »

Habe heute die Bronzefeder eingebaut, und die Uhr läuft super durch. :)

Jetzt kommt die lange Einstellungsphase.

Gruß
Hendrik
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