Drehpendeluhr von Gustav Becker

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Falls hier theoretische Hilfen angeboten werden, so sollen und können sie keinen Uhrmacher ersetzen. Sie sind ohne jede Garantie oder Gewähr und jeder muss selbst wissen, was er sich zutrauen kann und dass man mit einem Selbstversuch evtl. leichtfertig die Uhr zerstören könnte. Vor allen Dingen wertvolle Uhren gehören in die Hand eines Fachmanns. Vielleicht sogar eines Fachmanns hier aus dem Forum. Laien sollten unbedingt den oben angepinnten Hinweis über Uhrenfedern lesen.
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Der_Stromer
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Re: Drehpendeluhr von Gustav Becker

Beitrag von Der_Stromer »

Guten Tag, Wega49.

Eine schöne Uhr, die Du da hast.
Nach meinen Unterlagen ist es die Platine 1207A nach Terwilliger. Zu GB schreibe ich am Ende etwas :( .

Ich hoffe, Du hast die Pendelfeder HOROLOVAR .004" (0.102mm) verbaut? Das ist die richtige Stärke der Feder.
Wenn Du bei der Demontage, Reinigung und Montage der Uhr an den Ankerpaletten und dem verstellbaren Ankerlager auf der Rückseite nichts gemacht hast und die Uhr vorher lief, wird der Fehler hier auch nicht zu suchen sein.
Du schreibst ja selbst "eigentlich sollte der Abfall......." :( . Nun der stimmt ganz sicher nicht mehr, wenn Du erstmal die Montierungen demontiert und eine neue Pendelfeder eingebaut hast. Und das wird bei Deiner Uhr auch so sein. Ankerpalletten und Eingriff verstellen sich nur durch Manipulationen von außen :( und nie von selbst.
Von Uhren mit der Bildmarke GB gibt es ca. 17 verschiedene Modell, in denen mindestens 4 unterschiedliche Pendelfedern verbaut sind. Wenn Du hingegen meinst "die meist gebaute Uhr...." hast Du recht mit der Pendelfeder. :)

Zur Uhrenfabrik Gustav Becker im Allgemeinen:
Dieser Hersteller wurde in 1899 mit 10 anderen Uhrenfabriken in und um Freiburg /Schlesien zur VFU AG (Vereinigte Freiburger Uhrenfabriken AG inklusive vormals Gustav Becker) zwangsvereinigt. Später kam dann noch eine Gehäusefabrik, auch aus diesem Raum, hinzu.
Die bei der "Vereinigung" federführende Berliner Bank übertrug 2 Söhnen von Gustav Becker (der erlebte dieses Desaster seiner Uhrenfabrik zum Glück nicht mehr - er starb 1895) in der Kaufmänischn und technischen Leitung.
Aber die Einzelteile für die Uhren aus der Produktion der VFU wurden ab 1899 in unterschiedlichen Betrieben hergestellt und dann in einem anderem Werksteil zusammen gebaut (von den 11 Uhrenfabriken blieben noch 5 Produktionsstätten erhalten).
Nach dem WKI lag dieser Betrieb in Polen (Freiburg lag im Polnischen Königreich) - Braunau war hiervon ausgenommen, denn das lag ja in Tschechien) aber durch Verträge blieb er Deutscher Besitz. In und nach der Weltwirtschaftskrise stützte der Polnische Staat mit viel Geld die Uhrenindustrie in Schlesien und versuchte, durch neue Firmenleitung das Geschäft wieder auf Vordermann zu bringen. JUNGHANS sollte der Heilsbringer heissen. Das führte aber nur dazu, dass Junghans den Betrieb noch weiter herunterwirtschaftete und die Fördergelder des Polnischen Königreiches in der eigenen Fabrik in Schramberg investierte.
Der Firmensitz wurde dann auch logischer weise nach Schramberg verlegt.

Über alle diese Jahre hinweg wurde aber die Bildmarke und der Stempel Madaille dór frei weg als Qualitätsnachweis weiter verwendet, obwohl GB schon lange keine Uhren mehr herstellte, sondern in der Fabrik nur noch Einzelteile gefertigt wurden.

...und damit der Hund noch dicker wird: Aller Wahrscheinlichkeit nach (Beweisen läßt sich das 100%ig nicht, aber es gibt Zeugenaussagen darüber) wurden in der Betriebsstätte der ehem. VFU in Polen noch bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts Uhren (von guter Qualität) mit der Bildmarke und der Madaille dór GB hergestellt und in großen Stückzahlen verkauft.
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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wega49
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Re: Drehpendeluhr von Gustav Becker

Beitrag von wega49 »

Hallo Rolf,
Dein Bericht über GB hat mir sehr gut gefallen, ist sehr Interessant. Danke !
Nun nochmals zur Drehpendeluhr:
Genau diese Feder von HOROLOVAR .004" (0.102mm) ist jetzt in der Uhr drin. So wie ich das ganze sehe, bin ich nicht der erste wo versucht hat diese Uhr in Gang zu setzten. Da wurden z.B. beim Anker und Ankerrad neue Lager gesetzt, auch die Ankerpaletten haben keine Abnutzungsspuren, wurden also vermutlich neu geschliffen oder poliert, das alles leider ohne Erfolg. Das heisst für mich das die Uhr, als ich sie gekauft habe nicht mehr ganz im original zustand war. Es gilt nun alle diese Fehler zu beseitigen. Ich denke, dass ich das mit etwas fremder Hilfe hinkriege.
Gruss Peter. wega49
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Der_Stromer
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Re: Drehpendeluhr von Gustav Becker

Beitrag von Der_Stromer »

Hallo Peter.

Na, dann ist alles klar. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat jemand versucht, das "Auspendeln" der Uhr mit "ausgelaufenen" Lagern und falsch eingestellter Hemmung zu begründen und zu beheben und dabei mehr Fehler eingebaut.

Mach also als Erstes das, was ich in meinem ersten Beitrag zum Eingriff geschrieben habe. Und bitte IMMER darauf achten, dass die Kontrolle des Eingrifs nicht gleich beim Anwerfen passieren darf, sondern erst nach einiger Zeit, wenn das Pendel "seinen Gang" gefunden hat. Das kann u.U. bis zu einer 1/2 Stunde dauern.

Du kannst aber auch folgendes machen: Gangfeder bis auf einen Rest entspannen, Pendel gaaanz ruhig von Hand nach recht bewegen, bis die Hebung gleich beginnt (Zahn liegt noch ca. 1/10 mm VOR der Hebefläche). Nun einen Blick auf die Ausgangspalette werfen: Hier muss die Palette ungefähr 2 -3 Zehntel Luft zum folgenden Zahn haben, dann passt es. Und: Die Palette darf nicht viel (eben diesen 1/10 mm) über dem Zahn stehen.

Für den Abfall gibt es eine Schablone:
Skala.jpg
Aus "400-Day-Clock Repair Guide" von Ch. Terwilliger.

Ausschneiden und unter das Pendel legen. Damit kannst Du ziemlich genau kontrollieren, ob der "Abfall" stimmt.
In Ruheposition die Scheibe so unter dem Pendel platzieren, dass ein Arm Möglichst der hintere) über einem Strich steht. Dann das Pendel ca. 1/2 Umdrehung beliebig auslenken und mit "Schielblick" Pendel und Hemmung beobachten. Beobachten, wieviel das Pendel nach der Hebung (Fall) weiter dreht und mit der Gegenseite vergleichen. Beide Seiten gleich = Abfall stimmt.
Viel Erfolg!

Ach, noch etwas: Ein Verschieben des Mitnehmers bringt nicht viel. Das bestimmt nur die Drehung des Pendel. Und diese Drehung sollte ca. 270° betragen (höher = mehr Drehung und umgekehrt). Eine größere Drehung ist nicht schlimm, aber unter 200° sollte sie nicht gehen, da dann der Ausgleichsschwung zu gering wird und die Uhr bei erster Gelegenheit auspendelt.
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Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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wega49
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Re: Drehpendeluhr von Gustav Becker

Beitrag von wega49 »

Hallo Rolf,
Nun kann es also losgehen, dir nochmals vielen Dank !
Sobald die Uhr fertig ist werde ich mich hier wieder melden.

Gruss Peter.
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wega49
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Re: Drehpendeluhr von Gustav Becker

Beitrag von wega49 »

Hallo zusammen,
Wie versprochen melde ich mich wieder, denn die GB Drehpendeluhr ist nun fertig geworden. Ein guter Uhrenfreund von mir, hat mir bei der Reparatur geholfen. Er hat mir so gut geholfen, dass ich nur noch gerade den Staublappen verwenden konnte. Die Uhr läuft nun sehr gut und erstaunlicherweise auch sehr genau.
Die Uhr werde ich in der Rubrik Drehpendeluhren mit Bilder vorstellen!
Gruss Peter.
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