Ich möchte hier eine Kienzle-Schlagwerkuhr beschreiben, die in den 30ger Jahren hergestellt wurde.
Es handelt sich um einen Regulator in normaler Größe und in einem für die 30ger Jahre relativ konventionellen Gehäuse. Auffällig ist von außen eigentlich nur, dass im Zifferblatt die Aufzuglöcher fehlen.

Das Gehäuse ist aus Weichholz mit Eichenfurnier hergestellt und dunkel gebeizt. Die untere Scheibe ist geschliffen, die obere Scheibe ist ein rechteckiges Flachglas, welches durch eine Holzblende rund erscheint.
Auf dem Zifferblatt – reines Understatement – steht nur ganz winzig: Kienzle Electric. Die Uhr wirkt also vollkommen normal.
Das Gehäuse war übrigens sehr gut erhalten: Es musste im Wesentlichen nur gereinigt und aufpoliert werden, es gab 2 neue Scharniere, die defekt waren. Außerdem musste der Korpus des Gehäuses an einer Ecke geleimt werden. Alles kein Hexenwerk.
Schaut man in das Gehäuse, sieht man die Besonderheit dieser Uhr:
An der Seite sieht man einen Trafo und 2 Kabel, außerdem den Gongstab.

Von hinten sieht man rechts oben einen Elektromotor. Außerdem hat das Uhrwerk hinten einige Patentnummern eingeprägt.
Es lohnt also, mal in die Technik hinein zu schauen:

Von der Zifferblattseite sieht das Werk einigermaßen konventionell aus: Es gibt ein Rechenschlagwerk und natürlich eine Übertragung vom Motor auf das Schlagwerk.

Wie funktioniert nun die Sache?
Der Motor
Der Motor erscheint wie ein kleiner Bürstenmotor, ganz normal aufgebaut. Er hat also einen magnetischen Stator, Bürsten und einen dreipoligen Rotor. Da nach den Unterlagen in diversen Büchern der Motor schon mit 3 Volt laufen sollte, habe ich einfach mal diese Spannung an den Motor gegeben – und der Motor lief auf Anhieb. Schwerfällig zuerst, dann immer schneller. Lag wohl am Öl, eine Reinigung war dringend anzuraten.
Das Patent, dessen Nummer auf der Rückseite der Uhr Nummer DE 305537 (das Patent gibt es im Depatisnet ) zu sehen ist, beschreibt eine Funkenlöscheinrichtung im Motor. Also lohnt es sich, die Sache mal genauer anzusehen:

Von hier sieht man in erster Linie den riesigen Stator. Auffällig ist, dass es 4 Bürsten gibt. Wozu soll ein solch kleiner Motor 2 x 2 Bürsten haben? Also zerlegen wir alles weiter:

Wenn man sie Schaltung der zwei parallel stehenden Bürsten ansieht, dann bemerkt man, dass eine Bürste direkt an die Versorgungsspannung gelegt ist, die andere über diese komische Glasröhre geht. Das Patent erklärt die Sache: Die Glasröhre soll ein Widerstand sein, der zur Funkenlöschung dient. Wenn die „Haupt-„Bürste das Segment auf dem Kollektor verlässt, soll der sich bildende Funken verhindert werden, weil die über den Widerstand geschaltete „Neben“-Bürste noch einen kleinen Strom zulässt. Dazu müssen aber entweder die Bürsten oder der Kollektor verschoben sein, weil sonst beide Bürsten gleichzeitig das Segment des Kollektors verlassen. Und genau das ist so:
Schaut man genau auf den Kollektor, so erkennt man die verschoben angebrachten zweiteiligen Segmente:

Ist zwar nicht viel, aber erkennbar. Ohne die Nachforschung im Patent wäre mir diese Lösung überhaupt nicht aufgefallen.
Für mich ist aber diese komplizierte Lösung nicht erklärbar, denn es gibt andere frühe Niederspannungs-Aufzugmotoren in Elektrouhren, die auch ohne diese Funkenlöschung auskommen und keinen besonderen Verschleiß im Kollektor aufweisen. Außerdem stören auch diese Motoren den Radioempfang nicht. Für mich also zu teuer, ohne einen Effekt zu haben.
Aber trotz allem ist der Motor leise und sehr kraftvoll. Und das zählt ja für den Antrieb einer Uhr.
Demnächst geht es hier weiter...
Frank