Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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Typ1-2-3
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Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Die Uhr: Allgemeine Beschreibung.
Ich möchte hier eine Kienzle-Schlagwerkuhr beschreiben, die in den 30ger Jahren hergestellt wurde.
Es handelt sich um einen Regulator in normaler Größe und in einem für die 30ger Jahre relativ konventionellen Gehäuse. Auffällig ist von außen eigentlich nur, dass im Zifferblatt die Aufzuglöcher fehlen.

Bild

Das Gehäuse ist aus Weichholz mit Eichenfurnier hergestellt und dunkel gebeizt. Die untere Scheibe ist geschliffen, die obere Scheibe ist ein rechteckiges Flachglas, welches durch eine Holzblende rund erscheint.
Auf dem Zifferblatt – reines Understatement – steht nur ganz winzig: Kienzle Electric. Die Uhr wirkt also vollkommen normal.
Das Gehäuse war übrigens sehr gut erhalten: Es musste im Wesentlichen nur gereinigt und aufpoliert werden, es gab 2 neue Scharniere, die defekt waren. Außerdem musste der Korpus des Gehäuses an einer Ecke geleimt werden. Alles kein Hexenwerk.
Schaut man in das Gehäuse, sieht man die Besonderheit dieser Uhr:
An der Seite sieht man einen Trafo und 2 Kabel, außerdem den Gongstab.

Bild

Von hinten sieht man rechts oben einen Elektromotor. Außerdem hat das Uhrwerk hinten einige Patentnummern eingeprägt.
Es lohnt also, mal in die Technik hinein zu schauen:

Bild

Von der Zifferblattseite sieht das Werk einigermaßen konventionell aus: Es gibt ein Rechenschlagwerk und natürlich eine Übertragung vom Motor auf das Schlagwerk.

Bild

Wie funktioniert nun die Sache?

Der Motor

Der Motor erscheint wie ein kleiner Bürstenmotor, ganz normal aufgebaut. Er hat also einen magnetischen Stator, Bürsten und einen dreipoligen Rotor. Da nach den Unterlagen in diversen Büchern der Motor schon mit 3 Volt laufen sollte, habe ich einfach mal diese Spannung an den Motor gegeben – und der Motor lief auf Anhieb. Schwerfällig zuerst, dann immer schneller. Lag wohl am Öl, eine Reinigung war dringend anzuraten.
Das Patent, dessen Nummer auf der Rückseite der Uhr Nummer DE 305537 (das Patent gibt es im Depatisnet ) zu sehen ist, beschreibt eine Funkenlöscheinrichtung im Motor. Also lohnt es sich, die Sache mal genauer anzusehen:

Bild

Von hier sieht man in erster Linie den riesigen Stator. Auffällig ist, dass es 4 Bürsten gibt. Wozu soll ein solch kleiner Motor 2 x 2 Bürsten haben? Also zerlegen wir alles weiter:

Bild

Wenn man sie Schaltung der zwei parallel stehenden Bürsten ansieht, dann bemerkt man, dass eine Bürste direkt an die Versorgungsspannung gelegt ist, die andere über diese komische Glasröhre geht. Das Patent erklärt die Sache: Die Glasröhre soll ein Widerstand sein, der zur Funkenlöschung dient. Wenn die „Haupt-„Bürste das Segment auf dem Kollektor verlässt, soll der sich bildende Funken verhindert werden, weil die über den Widerstand geschaltete „Neben“-Bürste noch einen kleinen Strom zulässt. Dazu müssen aber entweder die Bürsten oder der Kollektor verschoben sein, weil sonst beide Bürsten gleichzeitig das Segment des Kollektors verlassen. Und genau das ist so:
Schaut man genau auf den Kollektor, so erkennt man die verschoben angebrachten zweiteiligen Segmente:

Bild

Ist zwar nicht viel, aber erkennbar. Ohne die Nachforschung im Patent wäre mir diese Lösung überhaupt nicht aufgefallen.

Für mich ist aber diese komplizierte Lösung nicht erklärbar, denn es gibt andere frühe Niederspannungs-Aufzugmotoren in Elektrouhren, die auch ohne diese Funkenlöschung auskommen und keinen besonderen Verschleiß im Kollektor aufweisen. Außerdem stören auch diese Motoren den Radioempfang nicht. Für mich also zu teuer, ohne einen Effekt zu haben.

Aber trotz allem ist der Motor leise und sehr kraftvoll. Und das zählt ja für den Antrieb einer Uhr.

Demnächst geht es hier weiter...

Frank
karlo

Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von karlo »

Tolles Ding.
Die Spannungspitze wurde imho ueber die 2. Buerste abgeleitet, vernichtet.

Nie gesehen sowas.

Und ob es mir aufgefallen waere.....?

Karlo
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soaringjoy
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von soaringjoy »

Eine schöne und extravagante Uhr, Frank!

Ja, ich weiß, da gab es jemanden, der sagte:
"Wie, Elektro-Uhren mit Schlagwerk? Gibt's doch nicht!" :D

Übrigens die Bezeichnungen "D.R.P., oder DRGM angem." war nicht
zulässig, aber "quen jucktum"?

J.
"tempus nostrum"
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Typ1-2-3
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

So, es geht weiter:

Das Schlagwerk

Das Schlagwerk wird, anders als andere Schlagwerke, von der Windfangseite her angetrieben. Der Motor greift an die Stelle an, wo sonst das Windfangtrieb sitzt. Da der Motor gleichmäßig läuft, braucht man keinen Geschwindigkeitsausgleich. Das letzte Rad ist daher – umgekehrt - das Hebnägelrad, was die Hämmer hebt.
Interessant ist aber die Kontaktgabe, denn der Antrieb über einen Motor hat einige Eigenheiten zur Folge:
1. Der Motor muss dann eingeschaltet werden, wenn das Schlagwerk laufen soll.
2. Der Motor muss nach dem letzten Schlag sofort ausgeschaltet werden.
3. Einen Anlauf, auch Warnung genannt, gibt es nicht! Denn es gibt ja keine Feder, die dauernd Kraft abgibt.
4. Der Motor muss sicher aus- und eingeschaltet werden, ohne Unterbrecherfunken.
Fangen wir mit Punkt 3 an: Es gibt auch mechanische Schlagwerke, die ohne Warnung laufen. Ich denke da an die Wiener 4/4tel Schläge. Der Konstrukteur hat das bei diesem Uhrwerk ähnlich gelöst:

Bild

Wenn sich das Minutenrad A mit den Auslösedaumen im Uhrzeigersinn dreht, kommen diese Daumen an den Stift 1 und drücken den Hebel B herunter. Da C der Drehpunkt ist, wird der Hebel D gehoben, bis der Stift außer Eingriff gerät und der Hebel D herunterfällt. Dann schlägt die Uhr – ohne Warnung – los. Das geschieht so:

Bild

Wenn der Hebel D herunterfällt, schlägt er auf den Stift 2, der mit dem Hebel R fest verbunden ist. Hebel R wird durch die Feder Z immer nach oben gedrückt, durch den Schlag aber von Hebel D bewegt er sich kurzzeitig nach unten.

Bild

Wenn der Hebel R oben ist, dann hakt sich Stift 3 des Hebels E hinter die Nase des Hebels R. Wenn durch das Herunterschlagen der Stift 3 freikommt, so kann der Hebel E nach rechts und der Kontakt (hier als schwarzer, dicker Punkt dargestellt) wird geschlossen. Der Motor läuft an, das Schlagwerk schlägt los.

Wenn der Rechen nach oben transportiert wird, dann wird der Arm F des Hebels E gehoben, der Kontakt wird gelöst, der Motor steht. Stift 3 ist wieder unter die Nase des Hebels R gerutscht, also ist alles für den nächsten Schlag vorbereitet.

Punkt 1 bis 3 haben wir abgehandelt. Ansonsten funktioniert das Schlagwerk ähnlich wie ein mechanisches. Komplizierter ist die Funkenlöschung, Punkt 4. Sinnvoll wäre es, wenn der Kontakt nicht den vollen Strom schalten müsste, sondern nur einen Teilstrom. Daher kommt jetzt die komplette Schlagwerkszeichnung:

Bild

Viele Teile sind schon bekannt. Dazu gibt es noch den Widerstand, mit W bezeichnet. Zuerst wird immer der Kontakt, der zuerst beschrieben wurde, geöffnet, danach erst erfolgt der Kontakt unter dem Widerstand, mit H bezeichnet. So wird der Öffnungsfunken vermieden und das Schlagwerk kann sicher laufen. Außerdem kann der Motor am Ende des Schlagens etwas langsamer laufen, da der Widerstand ja dazwischen geschaltet ist. So wird nicht aus Versehen der nächste Schlag durch den Schwung des Motors mit geschlagen.

Im Uhrwerk sieht das dann so aus:

Bild

Man sieht, hier läuft es Probe. Den Batteriekasten sieht man rechts vom Uhrwerk.

Der Kontakt ist also rechts unten, der runde Stift. Der Widerstand ist gut erkennbar, auch die anderen Hebel.

(Die Zeichnungen kommen aus: G. A. Krumm: Uhrmacher-Fachunterricht Teil VII, S. 466ff. Einige Zeichnungen sind vereinfacht und verändert)
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Typ1-2-3
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Das Räderwerk und das Gehwerk

Das Räderwerk ist wiederum einfacher als das einer mechanischen Uhr: Große Federhäuser fehlen, es ist nur ein kleines für das Gehwerk vorhanden.

Bild

Das Rad nach dem Windfang ist aus Pertinax, um Geräusche wirksam zu vermindern. Die Schlagwerkräder sind einfach zu erkennen, ganz rechts das Hebnägelrad. Es hat einen langen Zapfen, so dass die Hebnägel von außen verstellt werden können. Die Rückansicht des kompletten Werkes zeigt das deutlich.

Bild

Das Räderwerk des Gehwerkes besteht nur aus 3 Rädern, wobei das Minutenrad das interessanteste ist: Es enthält die Gehwerkfeder, die jede halbe Stunde durch das Schlagwerk mit aufgezogen wird:

Bild

Das Rad oben ist die Verbindung zum Schlagwerk. Die Trommel ist das Federhaus, welches eine sehr lange (bestimmt über 2m) und sehr dünne Feder enthält. Damit die Feder durch dauerndes Schlagenlassen nicht zerstört werden kann, gibt es eine Rutschkupplung, die man an den Federarmen unter dem Rad erkennen kann.

Die Uhr hat eine Graham-Hemmung. Das zeigt, dass die Uhr zur gehobenen Preisklasse gehört. Stocktriebe – typisch Kienzle – sind aber trotzdem vorhanden.

Die Uhr war damals ein Technologieträger und daher bestimmt nicht billig. Verschleiß war übrigens an der Uhr nicht festzustellen! Die Grahampaletten waren neuwertig, die Lager auch. Die Bürsten waren nur etwas angelaufen. Nach Reinigung läuft die Uhr tadellos und schlägt wie eine zeittyische Uhr, ohne dass das Schlagwerk besondere Geräusche macht.

Frank
KleineSekunde
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

eine technisch sehr interessante Uhr hast du da vorgestellt.

Vielen Dank für den sehr anschaulichen und sehr schön dokumentierten Bericht zur Funktionsweise der Uhr! Wirklich toll gemacht.

Aus welchem Material besteht denn der Keilriemen zur Kraftübertragung? Ich hätte ein elastisches Material (Gummi) vermutet, er scheint aber eher eine seilartige Struktur zu haben. Dann müsste es aber eine Vorrichtung zum Spannen / Justieren geben.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Typ1-2-3
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Der so genannte "Keilriemen" ist aus Metall. Er besteht aus einem dünnen Draht, der wie eine Draht-Spiralfeder aufgedreht ist. Die Enden sind zusammengefügt, indem eine Seite etwas enger aufgedreht ist und in die andere hineingesteckt. Dann wurde alles ganz vorsichtig verlötet. Die ganze Sache ist dadurch elastisch, besser als ein Riemen. Wurde früher auch für Projektoren benutzt, zur Übertragung der Kraft auf die Spulen. Heute wohl noch für Modell-Dampfmaschinen, wie ich gehört habe.
Das Teil war übrigens sogar noch heile. Hat mich irgendwie auch gewundert. Aber bei den Metallfedern gibt es halt nicht so eine Alterung wie bei Gummiriemen.

Grüße

Frank
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droba
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von droba »

Hallo Frank,

gratuliere- das ist die erste "Kienzle-Electric", die ich zu Gesicht bekomme.

Eine sehr interessante Konstruktion, in den 1930er Jahren war diese Uhr aber bereits ein uhrentechnisches Fossil. Diese Uhren wurden von der "Mitteldeutschen Uhrenfabrik Wolfhagen" für eine relativ kurze Zeit noch vor dem Ersten Weltkrieg gefertigt (Siehe Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie)

Ich vermute, Kienzle wollte in den 1930er Jahren den Einstieg in den elektrischen Antrieb von Großuhren schaffen und hat das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geschützte System aufgegriffen.


droba
Wynen
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von Wynen »

Eine kleine Ergänzung zur Vorgeschichte der Kienzle electric:

aus DUZ 1927, Seite 73 (Nr.4)

Zur Frage 10 353. Elektrische Uhr mit der Marke: sechsstrahliger Stern mit der Umschrift "Fuldensia".

Die "Fuldensia" war eine Erfindung von Ing. Schneider und wurde von der Firma Ingenieur Schneider, Fulda, fabriziert und in den Handel gebracht. Bald darauf wurden die Patente sowie die Fabrikationsrechte von der Mitteldeutschen Uhrenfabrik in Wolfhagen erworben, die diese Uhr nun herstellte. Diese Uhrenfabrik liquidierte in den Kriegsjahren wegen der ungünstigen Arbeiterverhältnisse. Die frühere "Fuldensia" ist inzwischen durch Ing. Schneider erheblich verbessert worden. Die neue Uhr wurde durch mehrere D.R.Patente geschützt, und sie wird voraussichtlich in Kürze durch eine deutsche Uhrenfabrik als elektrische Uhr mit Schlagwerk in den Handel kommen.
Ingenieur Ferdinand Schneider G.m.b.H., Fulda.

Dies deckt sich auch mit den Angaben von Lehotzky (Ludwig Lehotzky: Elektrische Uhren und Signaleinrichtungen, Wien-Heidelberg: 1951)

"Die Elektric-Uhr von Kienzle unterscheidet sich von der Fuldensia-Uhr nur unwesentlich durch die Art der Schlagwerks- und Kontaktsteuerung."

Und folgendes war auch schon im Bericht des DGC-Arbeitskreises Elektrische Uhren über den 3. Markt für Elektrische Uhren zu lesen:

"Unser Freund, Ivo Creutzfeldt, erforscht seit 2 Jahren die Geschichte der Mitteldeutschen Uhrenfabrik in Wolfhagen bei Kassel und gab einen ersten Zwischenbericht über seine Forschungsergebnisse. Die Fabrik existierte von 1909 bis 1914 und stellte eine elektrische Uhr her, die unter dem Namen "Fuldensia" verkauft wurde. Die "Fuldensia" Uhr ist durch Patente von Ferdinand Schneider geschützt, welche die Fabrik 1909 erwarb. Die Uhr selbst besitzt einen kleinen Motor, der das Uhrwerk aufzieht und gleichzeitig das Schlagwerk betätigt. Leider war die "Fuldensia Uhr" ein wirtschaftlicher und auch technischer Misserfolg, wurde aber später von der Firma Kienzle verbessert und dann als "Kienzle Electric" vermarktet. Ein "Fuldensia" Uhrwerk wurde gezeigt und vorgeführt.
Direktor der Wolfhagener Uhrenfabrik war damals Ferdinand Thiesen, der allen Uhrenfreunden durch seine 3 Bände "elektrische Uhren für technische Zwecke" bekannt ist-"
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Typ1-2-3
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Re: Beschreibung einer elektrischen Kienzle-Schlagwerkuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Es geht weiter:

Das Pendel

Leider zeigte sich bei der Probe im Gehäuse, dass das Pendel offensichtlich nicht zur Uhr gehörte. Es war schon etwas dick mit Klarlack angestrichen, sodass Nasen herunterhingen, was schon mal nicht richtig sein konnte. Was die Sache aber seltsam machte, war, dass der Trafo, den man auf dem 2. Bild von oben im geöffneten Gehäuse sehen kann, dem Pendel eindeutig im Weg stand. Dieser Trafo ist original, alle diese Uhren hatten den. Damit konnten sie am Netz betrieben werden. Da der die Spannung auf 3 Volt Gleichspannung herabsetzt, war aber auch ein Betrieb mit Batterien möglich. Der Trafo hat sich immer an diesem Ort befunden.
Weil die Uhr auch nicht zu regulieren war, konnte es sich nur um ein falsches Pendel handeln. Daher dachte ich zunächst, dass die Pendellinse kleiner sein musste. Mit einer kleineren Pendellinse stimmte aber die Optik gar nicht mehr.

Wenn man Abbilder alter Kataloge betrachtet, sahen die Gehäuse so aus:

Bild

Man erkennt gut die zylinderförmige Pendellinse. Mein Gehäuse ist klassischer, nicht so modern. Aber die Pendellinse würde sehr gut zu dem Ausschnitt im Gehäuse passen, außerdem würde sie die Platzprobleme lösen. Übrigens haben die Standuhren mit diesem Werk eine konventionelle Pendellinse. Diese Uhren haben aber auch massig Platz im Gehäuse.

So war das Ziel schon einmal klar. Zu bekommen sind solche Pendellinsen natürlich nicht. Aber in meinem Lager befinden sich schon seit mindestens 25 Jahren 3 Gewichtshülsen aus Messing, neu verpackt. Daraus ließ sich – zusammen mit der alten Holzpendelstange – bestimmt etwas ansprechendes machen. Auch der Durchmesser der Gewichtshülse stimmt mit den abgenommenen Maße aus der Katalogabbildung überein. Nur die Länge nicht.

Also wurde eine Messing-Gewichtshülse gekürzt. Danach wurden 2 Messingronden aus 2,5mm Messing ausgesägt und rund gedreht. Ganz klassisch wurden die Messingronden mit Schelllack auf eine Lackscheibe aufgelackt und die Ansätze für innen gedreht. Auf Rundlauf musste nicht ganz so sorgfältig geachtet werden, weil ich das Mittelloch anschließend noch erweitern musste. Außerdem musste nichts umgespannt werden! Daher das „nachlässige“ Festklemmen bis zum Erkalten des Schelllacks mit der Gegenspitze.

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Die daraus gefertigten Deckel für oben und unten bekamen einen maßgenauen Ansatz, so dass sie ohne Kleber von innen in die Gewichtshülse eingreifen und die Sache abschließen konnten.

Das nächste Bild zeigt die fertigen Teile: Die alte Pendelstange mit der Feder, die dafür sorgt, dass die Pendellinse immer an der Reguliermutter anliegt. Die beiden Deckel, einer von innen gezeigt, einer von außen. Man sieht den Ausschnitt für die Pendelstange und die Bohrung für die Gewindestange. Außerdem einen großen Ansatz für das Eingreifen in die Gewichtshülse und einen kleinen als Führung für die Feder der Pendelstange.
Außerdem fällt noch ein gedrehtes Aluteil mit großem Loch auf. Es ist so gefertigt, dass es stramm, aber verschiebbar in die Gewichtshülse passt. So kann man durch einfaches herauf- und herunterschieben dieses Gewichts innerhalb der Pendellinse den Schwerpunkt der Pendellinse so anpassen, dass die Gewichtshülse = Pendellinse immer in der Mitte des Gehäuse-Glasausschnitts steht. Das hat rein optische Gründe, ist aber so einfach durchzuführen. Wenn alles stimmt, wird das kleine Gewicht einfach von innen durch etwas 2K-Kleber fixiert. Alu ist zwar bestimmt nicht ein ideales Material als Gewicht, war aber in meinem Fundus als Restmaterial vorhanden und reicht für den Zweck. Durch das große Loch passt die Pendelstange.

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Weil das Zifferblatt versilbert war, konnte man die Messingteile nicht so lassen. Leider war die Gewichtshülse lackiert. So musste sie erst abgeschliffen werden, damit sie versilbert werden konnte.
Damit der Kreisschliff erhalten bleibt, habe ich mir aus Holz eine Halterung für die Gegenspitze gefertigt und alles auf der Drehbank neu geschliffen.

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Links fertig, rechts noch in Arbeit.

Anschließend wurde versilbert:

Bild

Natürlich mit Handschuhen, die Versilberung ist hoch-giftig. Kaliumzyanid und Silberzyanid, damit ist nicht zu spaßen!!!

Auf dem Foto kommt es nicht so richtig heraus, aber man kann schon erkennen, dass durch die Anreibeversilberung das Pendel die richtige Farbe bekommt. Anschließend wurde alles klarlackiert und sah dann aus wie auf der Katalogabbildung.

Jetzt ist die Uhr fertig, auch die Farbe der Metallteile stimmt überein.

Bild

Frank
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