Einpresslager aus Kunststoff?!

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Falls hier theoretische Hilfen angeboten werden, so sollen und können sie keinen Uhrmacher ersetzen. Sie sind ohne jede Garantie oder Gewähr und jeder muss selbst wissen, was er sich zutrauen kann und dass man mit einem Selbstversuch evtl. leichtfertig die Uhr zerstören könnte. Vor allen Dingen wertvolle Uhren gehören in die Hand eines Fachmanns. Vielleicht sogar eines Fachmanns hier aus dem Forum. Laien sollten unbedingt den oben angepinnten Hinweis über Uhrenfedern lesen.
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Pfeilkreuz
Beiträge: 4
Registriert: Di 25. Aug 2015, 17:40

Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von Pfeilkreuz »

Hallo liebe DGC Freunde

Mein Name ist Mathias und ich bin neu hier im Forum.
Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Revision von Grossuhren.

Nun habe ich gleich mal eine Frage an Euch:
Bei der Revision einer Neuenburger Pendule bin ich auf (für mich) eigenartige Einpresslager gestossen. Die Lager sind nicht wie sonst üblich aus Messing oder Bronze sondern aus Kunststoff!
Wer kann mir mehr zu diesen Lagern sagen? Sind dies käufliche Lager oder hat ein Uhrmacher diese angefertigt?
Welches Schmiermittel muss man bei diesen Lagern verwenden? Geht normales Grossuhrenöl?

Danke für Eure Hilfe.

Viele Grüsse

Mathias
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KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Mathias,

herzlich willkommen hier im DGC-Forum und viel Spaß und Erfolg hier!

Einpresslager aus Kunststoff kenne ich nicht, weiß somit also auch nicht, ob man so etwas eventuell fertig kaufen könnte oder ob es eine Anfertigung für einen Einzelfall war, weil eben kein passendes Messinglager zur Verfügung stand (dazu würde ich tendieren). Andere Teilnehmer können da hoffentlich mehr sagen.

Ich denke, bei entsprechend geringen Lagerdrücken könnte es sogar ganz gut funktionieren, wenn ein geeigneter Kunststoff mit entsprechenden tribologischen Eigenschaften verwendet wurde. Zum Beispiel mit dem Werkstoff Pertinax gibt es ja auch "historische" Beispiele, bei denen als Lagermaterial nicht die klassischen Materialien gewählt wurden.

Jedenfalls eine interessante Frage. Ich bin auf weitere Antworten gespannt.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von Typ1-2-3 »

Wenn das wirklich ein Stück Kunststoff ist und kein eingepresster Stein (das kann man anhand des Bildes nicht beurteilen), dann ist das wirklich außergewöhnlich. Kenne ich so auch nicht, jedenfalls nicht in dieser Form

Bei elektrischen Uhren gab es aber Kunststofflager, und zwar für Aufzugmotoren. Jauch und Schmid hat das gebaut, und ich habe für diese Motoren noch eine ganze Handvoll dieser Lager, auch (?) in schwarzem Kunststoff. Das hat man nicht einfach so gemacht, sondern mit der Idee, dass diese Lager beim schnell laufenden Motor nicht so einen Lärm machen.

An sich ist gegen Kunststoff nichts einzuwenden, wenn er zeittypisch angewendet wird. Jedenfalls gibt es bestimmte Kunststoffe (z. B. POM, Tetrafluorethylen sprich Teflon), welche gut geeignet sind. Für alte Uhren ist es aber ein Nogo! Telavox hat auch Pertinax-Platinen gebaut (darauf spricht wohl "Kleine Sekunde" an), und das funktioniert ganz hervorragend über viele Jahre. Diese elektrischen Uhren werden noch angeboten, wenn auch ziemlich selten.

Frank
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

ja, es ist richtig, die Telavox-Uhren hatte ich im Hinterkopf, bei denen Pertinax als Platinen-Material eingesetzt wurde, ohne zusätzliche Lager aus Metall.

Wenn ich mich richtig erinnere, gab es auch bei einer Quarz-Uhr (Junghans? Die Bezeichnung lautete jedenfalls W715) eine Platine aus Kunststoff. Weitere Beispiele wird es sicherlich geben... Grundsätzlich also, Kunststoffe, warum nicht?
Typ1-2-3 hat geschrieben:Für alte Uhren ist es aber ein Nogo!
Ja, das würde ich auch so sehen! Auch wenn es technisch möglicherweise gut funktionieren sollte, bei einer alten Uhr würde ich auch eher die klassische Lösung wählen.


Hallo Mathias,
Typ1-2-3 hat geschrieben:Wenn das wirklich ein Stück Kunststoff ist und kein eingepresster Stein (das kann man anhand des Bildes nicht beurteilen), dann ist das wirklich außergewöhnlich.
Könntest du das überprüfen? Eventuell könntest du Fotos der gesamten Uhr / des Werkes einstellen. "Neuenburger Pendulen" scheint es ja auch aus neuerer Produktion zu geben (Google). Eventuell wurden da andere Techniken eingesetzt.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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wahli76
Beiträge: 399
Registriert: Di 17. Jan 2012, 13:08
Wohnort: bei München

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von wahli76 »

Hallo Matthias,

du wirfst da eine interessante Frage auf. Als kommerzielles Ersatzteil habe ich noch keine Kunststoff-Lager gesehen (el. Uhren ausgenommen). Ich würde da eher auf Eigenanfertigung tippen. Wobei ich mir keinen Grund vorstellen könnte. Ölen mit Großuhrenöl, z.B. "Clock 859" wäre OK. Wenn möglich, würde ich das Lager gegen ein Messinglager tauschen.

Jetzt fällt mir doch noch was ein zu Kunststoff-Lagern. Bei einer Holzuhren-Sammler-Truppe in den USA hatte ich verschiedenen Uhren mit Holzplatinen gesehen, die ursprünglich Lager aus Obstholz hatten. Einige Leute hatten die durch Teflonlager ersetzt. Hat sehr gut funktioniert.

Viele Grüße

Kurt
Pfeilkreuz
Beiträge: 4
Registriert: Di 25. Aug 2015, 17:40

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von Pfeilkreuz »

Vielen Dank schon mal für die vielen Hinweise.
Die Uhr ist vom Schweizer Hersteller Le Castel und wurde in den 70er Jahren hergestellt.
Alle Lager der Uhr sind mit diesen Kunststoffen ausgestattet, bis auf die Minutenrad- und Federhauslager - eben die Lager, welche den grössten Lagerdruck aufweisen.

Was noch interessant ist: die Lager haben unterschiedliche Farben!

Ankerrad grün
Gangrad gelb
Zwischenrad grün
Achttagerad rot

Daraus schliesse ich, dass es keine Eigenanfertigung von einem Uhrmacher ist. Der hätte wohl nicht 3 verschiedene Farben verwendet, oder?
tojota
Beiträge: 53
Registriert: Do 2. Sep 2010, 14:28

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von tojota »

Ich habe diese "Kunststofflager" auch schon bei Le Castell Modellen gesehen, allerdings nur bei dem großen Werk.
Möglicherweise dienen die unterschiedlichen Farben zum leichten finden des Ersatzlagers, beim kleinen Werk haben die Lager unterschiedliche Ausendurchmesser zum schnellen finden des Ersatzlagers. Kein probieren, nur messen und einsetzen, kein aufreiben...
Eigentlich ein gutes System aber leider nur für den der die Erastzteile vor Ort hat.


Michael
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derTeichfloh
Beiträge: 206
Registriert: Mo 8. Okt 2012, 09:35

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von derTeichfloh »

Hallo,

ein kurzer Blick in Google genügt. Es gibt Kunststofflager in Hülle und Fülle (Frage: Einpresslager Kunststoff)

in der USA wird soetwas ganz gern eingesetzt. Es ist einfach, es gibt auch nahezu alle Grössen. Und dieser Kunststoff ist selbstschmierend oder wartungsfrei.
Bei Holzzahnraduhren in Europa findet man das nicht, in der USA ist es normal, das ausgelaufene Lager durch Kunststoff ersetzt werden - nicht nur ein Holzuhren, sondern nahezu überall.

Gruß,
derTeichfloh
Gruss
derTeichfloh

HolzZahnRadUhrenSammler
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Gnomus
Beiträge: 818
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Wohnort: Dresden

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von Gnomus »

Ab 1974 wurden in Ruhla-Weckern Kunststoff-Körnerschrauben eingesetzt. Und PETER-Wecker bekamen irgendwann Kunststoffzahnräder (einschließlich Zapfen), die wiederum in Messinglagern liefen. Ich glaube, Karlo hatte mal Silikonöl dafür empfohlen.
Gruß
Micha
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Einpresslager aus Kunststoff?!

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo derTeichfloh,
derTeichfloh hat geschrieben:ein kurzer Blick in Google genügt. Es gibt Kunststofflager in Hülle und Fülle (Frage: Einpresslager Kunststoff)
Das ist richtig, dass es Kunststofflager in den unterschiedlichsten Ausführungen und für verschiedenste Anwendungen gibt. Google habe ich auch bemüht, finde aber keine Beispiele für Kunststofflager für den Uhrenbereich. Eventuell habe ich aber auch nicht intensiv genug geschaut...
derTeichfloh hat geschrieben:in der USA wird soetwas ganz gern eingesetzt. Es ist einfach, es gibt auch nahezu alle Grössen.
Hättest du da weitere Informationen? Da auch andere Teilnehmer diese Form der Lager im (Groß-)Uhrenbereich nicht kennen, wäre es sicherlich recht interessant!

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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