Franz Hermle & Sohn Jahresuhr 921-001 aus 1954 zum Leben erw

[Der_Stromer]

Auch bei dieser Uhr zuerst die Frage: Ich habe da….

Nach einem Telefonat mit dem Besitzer dieser Uhr hätten mir beinahe die Haare zu Berge gestanden, wenn ich noch welche hätte.

Der Besitzer versicherte mir sehr glaubwürdig, dass diese Uhr schon diverse Uhrmacher gesehen hat und keiner konnte weder der Uhr noch dem Besitzer helfen.

Wie bekannt, kann ich ja nicht NEIN sagen und so kam dann eine Uhr in zerlegten Zustand bei mir an. Ich habe dann den Besitzer erst mal gefragt, wo den die fehlenden Teile sind. Na, einiges hatte er zum Glück noch zu Hause, vom letzten Uhrmacher-Reparaturversuch.

Die Teile kamen dann auch an und nach einiger Zeit konnte ich ans Werk gehen um die diversen Fehler, die eingebaut wurden, zu finden und zu beheben.

Nach erster Ansicht waren folgende Probleme auf Anhieb sichtbar:
a.) Ein Lager wurde ersetzt, aber nicht fachgerecht. Da konnte sich der Zapfen „Eingraben“ und führte dann zum Klemmen und stehen bleiben der Uhr.

3326-Vordere-Platine-schlec.JPG

b.) Durch den Schaden am Federhaus („Karies“) ist auch das erste Beisatzrad beschädigt worden.

Karies-beseitigt0001.JPG

Verbogene-Welle-1-Rad0003.JPG

c.) Die Niete im Federhaus (hält die Gangfeder) ist stark verformt, wahrscheinlich beim Ersetzen der Zähne. Hier habe ich nichts gemacht, da die Gefahr besteht, dass das Messing ein nochmaliges Biegen nicht aus hält.
d.) Die Pendelfeder war zerstört.
e.) Allgemein war die Uhr in einem schlechten Zustand, alle Messingteile unansehnlich!

Also erst einmal alles zerlegt und ab ins US-Bad. Nach der Reinigung sah die Uhrenwelt schon nicht mehr gar so grau aus.

Jetzt als erstes das zu lange Lager richtig auf Länge gebracht, aufgerieben und die Ölsenkung angebracht. Der Zapfen der Welle muss immer ein Stückchen aus dem Lager herausschauen, sonst kann er sich „Eingraben“ und dann kommt es zum Klemmen.

3326-Vordere-Platine-schlec.JPG

In der Zwischenzeit kam auch das bestellte 1. Beisatzrad an. Das alte hatte durch den Schaden des Federhauses auch einen starken Schlag abbekommen und die Welle war arg verbogen und 3 Zähne standen schief. Das könnte man zwar Richten, aber an dieser Stelle (1. Rad nach dem Federhaus) ist das sehr heikel, da hier große Kräfte wirken und die Gefahr eines erneuten „Durchgehen“ des Federhauses einfach zu groß ist.


Nach der Reinigung die übliche Prozedur: Alles polieren und auf Schäden überprüfen. Dabei musste ich dann feststellen, dass die Welle des Wechselrades vom Zeigerwerk nicht so richtig passen wollte.

3323-Zeigerreibung-oder-so.JPG

Das Wechselrad griff UNTER den Trieb vom Viertelrohr. Das konnte doch nicht sein! Da hat einer der Reparateure eine Abstandsbuchse verloren und den Lagerstift einfach weiter in die Platine hinein geschlagen. Pfusch³!

3324-Was-soll-den-das.JPG

Also in den Ersatzteilen gesucht und eben so eine Buchse gefunden und die Lagerwelle wieder auf die richtige Länge gebracht. Mogli-Kater passt auf, dass ICH alles richtig mache.

3325-Mogli-passt-auf.JPG

Dann die Zeigerreibung. Da sollte eigentlich auf dem Ansatz der Minutenwelle eine Scheibe sitzen, auf die sich eine kurze Druckfeder abstützt. Eine Scheibe war zwar da, aber natürlich die Falsche. Die lag nun direkt auf der Platine auf. Pfusch³! Wieder die Kiste bemüht und die richtige Scheibe eingebaut. Jetzt Funzte auch die Zeigerreibung!

3336-Richtige-Unterlagschei.JPG

3338-Zeigerreibung-und-Wech.JPG

So passt das:

3339-Zeigerwerk.JPG

Dann die Pendelfeder. Da spare ich mir lieber die Worte und schreibe nur: Wie erwartet kaputt.

Also neue Pendelfeder angepasst und den Abfall richtig eingestellt. Dann noch den Gang reguliert und die Uhr schien sich wirklich zu freuen, dass ihr Martyrium endlich ein Ende hatte: Fast ohne Nachjustieren läuft sie nun seit einer Woche mit einer Abweichung von + 1 Minute in 7 Tagen. Das kann sicher noch besser eingestellt werden, aber erst beim Besitzer!

3342-Abfall-bearbeiten.JPG

Damit nun Niemand hier meint, es gibt nur schlechte Uhrmacher, so muss ich erwidern, dass der Uhrmacher, der den Karies behoben hat, sein Handwerk beherrschte. Nur leider hatte er keine Möglichkeit gefunden, dass passende 1. Rad zu beschaffen und daher die Uhr als „nicht reparabel“ zurück gegeben. Das war die positive Seite.

2 weiter "Batteriewechsler" haben sich dann an der Uhr „Vergangen“ und dafür auch noch richtig gutes Geld genommen.

Ich weiß ja, dass Jahresuhren keine einfachen Patienten sind. Man muss Jahresuhren eben „Können“. Aber Geld für Pfusch fordern? Da hört dann die Freundschaft wirklich auf. Die Bewertung überlasse ich dem geneigten Leser.

Und so sieht die Hermle jetzt wieder aus:

3345-Fertig.JPG

[Ursus]

Respekt!

Ursus

[besra]

Hallo Rolf-Dieter,

immer und immer wieder faszinierend, Deine Berichte! Vielen Dank.

Wie bekannt, kann ich ja nicht NEIN sagen

Und das ist wohl für das Leben so mancher Uhr auch gut so!
Nur verstehe ich nicht, warum nicht der eine oder andere Uhrmacher einfach einmal "Nein" sagt. Wäre doch nichts dabei; im Idealfall könnte noch ein spezialisierter Kollege genannt werden. Kaputtmachen kann jeder seine Uhr doch selbst auch - und sogar viel billiger. Vielleicht nicht so subtil, aber kaputt geht immer

Viele Grüße
Bernd

[gegensatz]

Hallo Rolf-Dieter,

sehr beeindruckend, wie Du diese Uhr wieder zum Laufen gebracht hast, die übrigends dasselbe Baujahr ist wie ich. Bin immer wieder begeistert von Deinen Berichten mit den sehr detaillierten Bildern.

Übrigends, Dein Kater macht auf dem Bild einen sehr gestrengen Eindruck. Sieht so aus, als wenn er Deine Arbeiten sehr genau überwacht, ob Du auch alles richtig machst. Da sieht man mal wieder, wie wichtig die Kontrolle eines richtigen Stubentigers ist.

Viele Grüsse

Norbert (wir kennen uns ja schon)

[Der_Stromer]

@ All: Danke!

Hallo Norbert. Schön, Dich hier zu lesen! Tja, der Kater hat schon manche Schraube wieder auf dem Fußboden gefunden. Von daher eine richtige Hilfe .

Übrigens: Auf dem Bild Nr. 3331 sieht man an den oberen Schraubenlöchern so richtige Kratz-Markierungen. Das war ich nicht!!!! Da hat einer der Vor-Reparateure das Ankerlager markieren wollen , um beim Zusammenbau die Eingriffstiefe gleich richtig zu machen.

Und: Die Fingerabdrücke sind zwar von mir, aber vor Auslieferung sind die allesamt weg. Ganz sicher. Ich hinterlasse keine Spuren .