Na ratet mal, was....... natürlich wieder eine Jahresuhr

Jahresuhren, Atmos und mehr
Antworten
Benutzeravatar
Der_Stromer
Beiträge: 571
Registriert: Fr 11. Jan 2013, 09:21
Wohnort: 92272 Freudenberg (Oberpfalz)
Kontaktdaten:

Na ratet mal, was....... natürlich wieder eine Jahresuhr

Beitrag von Der_Stromer »

Zum Jahresende eine Jahresuhr aus 1911 von der Jahresuhrenfabrik.
2848-Von-Vorne.JPG
Eigentlich recht unspektakulär, die Arbeiten an dieser Uhr.
2850-Rueckansicht.JPG
Es handelt sich hier um eine Jahresuhr der Jahresuhrenfabrik Triberg mit der Platine 1595A, im Jahr 1911 hergestellt.


Die Uhr sollte revisioniert werden. Also frisch ans Werk.

Das Messing war rundherum stark angelaufen. Das Werk – wie nicht anders zu erwarten – gut mit Öl „konserviert“
2853-Oelsardine.JPG
und eine Pendelfeder aus Bronze verbaut. Nichts bewegte sich und von Zeit Zählen war nicht mehr die Rede. Aber trotzdem zeigt die Uhr 2 Mal am Tag die genaue Uhrzeit :lol: ! Das war aber dem Besitzer wohl zu wenig :cry: .
2856-Eine-Uhr.JPG
Na, als Erstes komplett zerlegt und ab ins US-Bad. Dann halt meine „Lieblingsarbeit“ - das Polieren der Messingteile inklusive der Räder und Zapfen.
2858-Teile-vom-Werk.JPG
Die Lager wurden geprüft und geputzt, alle in Ordnung. Ebenfalls die Zapfen, die nur etwas nachgearbeitet (poliert) werden mussten.
2860-Bildmarke-Jahresuhrenf.JPG
Aus Erfahrung habe ich dann mein besonderes Augenmerk den Hebeflächen der Graham-Hemmung und dem Ankerrad gewidmet. Auch hier war ein gutes Polieren angeraten.

Die Feder aus dem Federhaus nehmen, Reinigen, Fetten und wieder einwinden ist immer wieder eine Arbeit, die mit großer Aufmerksamkeit gemacht werden muss. Diese Federn der Jahresuhren sind nicht Ohne :twisted: und wehe, sie geht durch. Verletzungen bleiben dann nicht aus. Also, keine Routine, sondern volle Aufmerksamkeit bei dieser Arbeit.

Auch das Drehpendel wurde in seine Einzelteile zerlegt und gereinigt.

Bei dieser Uhr waren übrigens keine Teil lackiert. Also wurden alle Teile mit Mikro-Wachs konserviert. Damit sollte dann der Glanz auch einige Jahre so bleiben.
2863-Montage.JPG

Zur Pendelfeder: Die vorhandene war aus Bronze. Keine Ahnung, ob die auch die 102 Jahre überstanden hat, sie wurde gnadenlos ersetzt. Der Grund? Nun, die Bronzefedern haben eine sehr schlechte Temperaturkennlinie. Eine guter Gang ist mit diesen Federn unmöglich zu erreichen und dieses Federmaterial begründeten auch, dass Jahresuhren als „Ungenau“ verschrien waren. Ich verwende möglichst HOROLOVAR-Federn. Da gibt der „Terwilliger“ gleich die richtige Stärke vor und lieferbar sind diese Federn auch ohne Probleme.
2864-Justage.JPG
2865-Test.JPG
Und so präsentiert sich die „Schatz“ mit ihren 102 Jahren auf der Feder:
2866-Fertig.JPG
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

http://www.rolf-dieter-reichert.de
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Na ratet mal, was....... natürlich wieder eine Jahresuh

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Rolf-Dieter,

vielen Dank für deinen Bericht!
Der_Stromer hat geschrieben:Zur Pendelfeder: Die vorhandene war aus Bronze. Keine Ahnung, ob die auch die 102 Jahre überstanden hat, sie wurde gnadenlos ersetzt. Der Grund? Nun, die Bronzefedern haben eine sehr schlechte Temperaturkennlinie. Eine guter Gang ist mit diesen Federn unmöglich zu erreichen und dieses Federmaterial begründeten auch, dass Jahresuhren als „Ungenau“ verschrien waren. Ich verwende möglichst HOROLOVAR-Federn. Da gibt der „Terwilliger“ gleich die richtige Stärke vor und lieferbar sind diese Federn auch ohne Probleme.
Die originale Pendelfeder aus Bronze wurde ersetzt. Du schreibst, dass diese Federn eine schlechte "Temperaturkennlinie" haben und somit "ungenau" waren: Macht sich dies heute unter fast gleichbleibenden "Wohnzimmerbedingungen" noch bemerkbar? Im Winter sind es mit Heizung nicht unter 20°C und im Sommer (bei mir) auch nicht über 25°C.

Ja, vor etlichen Jahren sah dies allerdings noch ganz anders aus...

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Benutzeravatar
Der_Stromer
Beiträge: 571
Registriert: Fr 11. Jan 2013, 09:21
Wohnort: 92272 Freudenberg (Oberpfalz)
Kontaktdaten:

Re: Na ratet mal, was....... natürlich wieder eine Jahresuh

Beitrag von Der_Stromer »

Hallo Guido,

Das Thema Pendelfeder, Temperaturkompensation und Material könnte Bände füllen.
Das erste verstellbare Drehpendel (Patent von Jehlen) kam noch ohne Temperaturkompensation aus und hing an einer Stahlfeder. Stahl ist fast so schlecht beim Temperaturkoeffizient wie Bronze und es wurde bereits um 1900 herum versucht, mit vielen Konstruktionen diesem Problem zu Leibe zu rücken. Als Beispiele nur die Quecksilber Drehpendel, wie sie z.B. von der VFU AG patentiert und verwendet wurden, Drehpendel mit Bi-Metallen wie bei Andreas Huber (Bayerischer Hof Uhrmacher- und Lieferant) - übrigens sein eigenes Patent und dieses Pendel wurde dann in zugekauften Werken verbaut - , und und und. Auch solche Konstruktionen gab es: eine Pendelfeder aus zwei Metallen, die in der Mitte mit einer Klammer verstellt werden konnte. Alles sehr aufwändig und nicht immer Zielführen. Jedesmal musste der Uhrmacher des Vertrauens ran und den Gang justieren.

So um die 1910 er Jahre herum kamen dann die Bronzefedern in Mode. Nicht etwa, weil sie besser wären, nein! Sie sahen besser aus. Denn die Stahlfedern rosteten und das war nicht gerade schön. Und mit den Kompensations-Pendeln liefen ja auch die Uhren fast so (un)genau wie mit den Stahlfedern.

Erst mit der Entwicklung der legierten Stähle bekam man (ebenso wie bei den Unruhspiralen und Zugfedern) das Problem besser in den Griff, mit dem Nachteil, dass die schönen und komplizierten Drehpendel einfach Wegmontiert wurden und durch einfache Scheiben- oder Kugelpendel ersetzt wurden. Leider.

Richtig ist auch, dass Bronzefedern in der heutigen Zeit wohl bei Wohnraumuhren nicht mehr so empfindlich sein würden. Daher könnte man (ich) die wohl verwenden. Aber sie haben einen großen Nachteil: Sie brechen!!! Und das bei der kleinsten Unachtsamkeit des Benutzers. Und: In nicht klimatisierten Räumen bleibt die Ungenauigkeit z.B. im Sommer bei 30°C.
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

http://www.rolf-dieter-reichert.de
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Na ratet mal, was....... natürlich wieder eine Jahresuh

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Rolf-Dieter,

vielen Dank für deine ausführliche Rückmeldung.
Der_Stromer hat geschrieben:Richtig ist auch, dass Bronzefedern in der heutigen Zeit wohl bei Wohnraumuhren nicht mehr so empfindlich sein würden. Daher könnte man (ich) die wohl verwenden. Aber sie haben einen großen Nachteil: Sie brechen!!!
Die wohl sehr große Bruchempfindlichkeit von Bronzefedern ist natürlich auch ein wichtiges Argument für einen Tausch. Daran habe ich gar nicht gedacht.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Antworten