Regulator mit Hipp-Elektrik

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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Typ1-2-3
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Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von Typ1-2-3 »

Heute möchte ich meine Neuerwerbung vorstellen, die ich für wenig Geld im Netz gesehen habe. Eine Einzeluhr nach dem Prinzip Hipp. Die Qualität dieser Uhr ist überragend. Steht den Hipp-Uhren nicht viel nach.

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Einiges musste ersetzt und nachgearbeitet werden: Die Frontscheibe musste neu geschnitten werden, dann die Pendelfeder, der Schlüssel fehlte. Weil die Türe abgeschlossen war, musste vor der Versendung die Frontscheibe eingeschlagen werden. Aber der Ersatz dieser Scheibe ist keine große Tat. Das alles war beim Kauf schon bekannt und war nicht das große Problem. Das Schloss konnte nach der kompletten Entfernung der Frontscheibe von innen abgeschraubt werden. Nach dem ausgebauten Schloss konnte ich gut einen Schlüssel nachbauen. Damit ließ sich übrigens auch das untere, kleine Fach öffnen.

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Einiges Zusätzliche war zu tun. So musste die Lagerung des Toggels ersetzt werden. Diese war sehr verschlissen. Diese Lagerung war ursprünglich mit 2 Schrauben gemacht, als Körnerlager wie beim Wecker. Aber diese Körnerlager waren aus Stein!! Sie waren so verschlissen, dass die Steine dazu noch zerbrochen waren.

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Die Toggelwelle war in dieser Folge auch so verschlissen, dass der Toggel bald herausgefallen wäre. Weil es keine Körnerschrauben mit Steinen in der Größe mehr gibt und ich keine Weckerteile dort einbauen wollte (die hätte es in meinem Lager sogar noch gegeben), habe ich eine andere, bessere Lösung gefunden: Aus Messing - wie im Original - habe ich mir 2 Madenschrauben M2,5 gemacht, durchbohrt und dort 2 Steine eingesetzt. Loch-Durchmesser 0,5mm.

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Der Toggel hat jetzt eine neue Welle, mit 2 Zapfen Durchmesser 0,45mm. So ist die Lagerung des Toggels wieder in Ordnung. Der Toggel hatte an der Spitze noch eine Einkerbung (Verschleiß). Die Folge war, dass die Spitze des Toggels manchmal an der Spitze des Prismas hängen blieb und dadurch der Kontaktschluss zu lang war. Dann pendelte das Pendel zu stark aus, und der Sekundenzeiger wurde direkt 2 Sekunden weiter geschoben. Außerdem gab es dadurch ein hässliches Geräusch. Nach der Bearbeitung des Toggels ist wieder alles in Ordnung, und der Kontakt wird ganz regelmäßig und leise geschlossen.

Außerdem habe ich das Uhrwerk noch optimiert: Der Sekundenzeiger wurde ausgewogen, dass der Schwerpunkt durch die Nabe geht. Dadurch konnten alle Rast- und Transportfedern abgeschwächt werden. Die obere Drahtfeder ist jetzt durch ein weicheres und schöneres Exemplar ersetzt, als vorher vorhanden war. Das alte Exemplar war sehr krumm und verbogen, dazu außerdem viel zu kräftig.

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Reibung und Geräusche wurden durch diese Maßnahmen geringer. Die Uhr muss sehr lange gelaufen sein, wenn man sich die Verschleißspuren am Toggel und an den gehärteten Uhrwerksteilen ansieht. Allerdings ließ sich alles wieder regeln, ohne übermäßige Spuren am Werk zu hinterlassen. Wellen und Räder laufen ja kraftlos, und dort gibt es natürlich keinen Verschleiß

Leider befindet sich auf diesem Serienprodukt keinerlei Herstellermarken. Vielleicht weiß ja jemand in diesem Forum, wer der Hersteller dieser hochwertigen Uhr sein könnte.

Frank
KleineSekunde
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Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

vielen Dank für die Vorstellung dieser sehr tollen und interessanten Uhr und dafür, dass du uns wieder an der Aufarbeitung mit den technischen Vorgehensweisen teilnehmen lässt!

Du schreibst, dass du den Sekundenzeiger ausbalanciert hast. Auf dem ersten Foto erkennt man ein Gegengewicht am Zeiger. Wurde dies dann von dir angebracht? Falls dies auch vorher schon vorhanden gewesen sein sollte, müsste der Zeiger doch schon recht gut ausbalanciert gewesen sein, so dass dann nur noch sehr feine Verbesserungen möglich gewesen sein sollten. Interessant ist das beschriebene Verbesserungspotential allemal.

Wenn ich es richtig sehe, gibt es hier eine Rückholfeder (die große, spiralförmige Feder oben am Werk) sowie eine Feder für den Rastmechanismus an der Sperrklinke. Wenn die Rückholfeder aufgrund der Verbesserungen nun schwächer ausgeführt werden kann und auch wird, müsste dann nicht auch fast zwingend die Rastfeder angepasst werden, da sonst die Rückstellkraft nicht mehr reicht, um die erzeugte Reibung der Sperrklinke (verursacht dann durch die "starke" Feder) zu überwinden? (Du hattest geschrieben, dass durch die Verbesserung die Federn schwächer ausgeführt werden können, ich würde vermuten, dass die eine Sache die andere durchaus erfordert - das mag jetzt spitzfindig klingen, aber ich würde es natürlich gerne verstehen).

Wie kommt das beschriebene "häßliche Geräusch" bei einer Fehlfunktion des Toggels zustande? Bedingt durch ein dann stärkeres Auslenken der Rückholfeder und ein "unsanfteres" Auftreffen des Mitnehmers auf den Ruhestift? Der Mitnehmerstift sollte doch eigentlich an der Pendelstange bis zum Ende einer Halbschwingung des Pendels anliegen, so dass dieser Effekt gedämpft sein sollte. Oder ist es das dann doppelte "Ratschgeräusch" der Rastnase?

Vielen Dank und natürlich viel Spaß mit der Uhr!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Typ1-2-3
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Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von Typ1-2-3 »

Hallo Guido

Zunächst hast Du natürlich Recht: Der Sekundenzeiger hatte von vornherein ein kleines Gegengewicht. Aber das reichte nicht aus, denn so ganz stimmte die Balance nicht. Also musste ich etwas nachhelfen. Das war nicht viel, aber reichte, um dem Zeiger ein Übergewicht zu geben. Der Sekundenzeiger ist übrigens ziemlich stark: Die Dicke ist 1mm!

Die große Drahtfeder ist auf dem Bild schon die schwächere Version. Die stärkere war erstens verbogen und sah hässlich aus. Außerdem war der Durchmesser der Feder kleiner, dadurch zog sie fester. Da konnte man 2 Fliegen mit einer Klappe schlagen, durch den Ersatz wurde das Aussehen der Feder verbessert und die Zugkraft verringert. Der Hebel selbst ist so gestaltet, dass er allein durch sein Eigengewicht das Sekundenrad schaltete, aber mit sehr geringer Sicherheit. Daher habe ich die schwächere Feder eingebaut.

Du hast natürlich Recht, wenn Du dann meinst, dass die Rastfeder auch angepasst werden musste. Das ist auch geschehen: Da nun die Feder der Rastklinke gar nicht mehr nötig war und ihr Eigengewicht reichte, um sicher einzurasten, habe ich die eigentliche Feder so weit nach hinten gebogen, dass sie nur verhindert, dass die Rastklinke nach hinten umfallen kann. Weniger geht nicht! Die Feder berührt die Rastklinke gar nicht mehr, was auch nicht nötig für die sichere Funktion ist.

Das hässliche Geräusch hat gar nichts mit der Weiterschaltung des Räderwerks zu tun, sondern mit den Kontakten: Wenn der Toggel nicht richtig in die Kerbe des Prismas einrastet, kann er abrutschen. Dann schlägt die Kontaktfeder zurück und macht dieses seltsame Geräusch.

Jetzt wird die Uhr noch einreguliert. Das macht sehr viel Spaß, denn durch die Zentralsekunde geht das wunderbar, wenn man die Uhr mit einer Quartzuhr vergleicht und Stand und Gang notiert.

Frank
KleineSekunde
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Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

vielen Dank für deine Erklärungen! Ich denke, dann war mein Verständnis nicht ganz falsch.

Bemerkenswert, dass auch mit kleinen Änderungen durchaus spürbare Verbesserungen zu erzielen sind!

Viel Spaß und Erfolg beim Regulieren der Uhr!

Schöne Grüße

Guido
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droba
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Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von droba »

Hallo Frank,

wirklich eine sehr interessante Uhr! Das Hipp-Patent dürfte zu dieser Zeit schon abgelaufen gewesen sein, so dass das techn. Prinzip wohl schon lange nicht mehr geschützt war, als diese Hipp-Uhr in Regulatorform hergestellt wurde.

Hast Du Hinweise oder eine Vermutung, wer der Hersteller gewesen sein könnte?

droba
helsper
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Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von helsper »

was sollte denn den Hersteller bewogen haben, den Hipp-Mechanismus in die Mitte der Pendelstange zu verlegen? Die mir bekannten Uhren haben dies alles vor die Stange gelegt. Natürlich wirkt bei der Betätigung des Kontaktes dann eine seitliche Kraft auf das Pendel ein, was sich bei kurzen und leichten Exemplaren möglicherweise nachteilig auswirkt. Aber dann hätte man den U-förmigen Bügel auch aus dem gleichen Material machen können wie die Pendelstange. Hier sieht es nach Messing aus.

In diesem Zusammenhang ist vielleicht interessant, was Siemens in ihren alten Katalogen schreibt. Da wird die Hauptuhr mit Hipp-Kontakt sinngemäß etwas herablassend als minderwertig gegenüber den Gewichtsantrieben hingestellt. Wenn man irgendwo im Betrieb eine preiswerte Sekundäruhr aufstellen möchte könne man durchaus diese nehmen.
Helsper
winne
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Registriert: Mo 30. Aug 2010, 10:19

Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von winne »

Hallo Frank

Schöne Uhr dann noch mit einer Zentralen Sekunde und der Zustand vom Gehäuse ist doch
Super! So eine Uhr habe ich noch nicht gesehen, wird einem auch wohl auch nicht so schnell
Unter die Augen kommen.
Meine Frage : was ist ein Toggel und was ist seine Funktion ? Den Ausdruck Toggel habe ich noch nicht gehört, ich würde es gerne verstehen wollen, mit Elektrouhren kenne ich mich nicht gut aus.





Gruß Winne
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Typ1-2-3
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Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von Typ1-2-3 »

Der Sinn, das Prisma dort in der Mitte der Stange unterzubringen, liegt tatsächlich darin, dass das Pendel nicht tanzt. Das tut es nämlich, wenn alles etwas zur Seite verschoben ist. Das habe ich schon gemerkt, als die Uhr nicht gerade hing, und der Toggel zu weit vorne am Prisma arbeitete. Beim Kontaktschluss machte das Pendel dann immer eine Bewegung zur Seite. Die Wasserwaage zeigte dann, dass die Wand, an der die Uhr hing, etwas schief war. (Die habe ich übrigens selbst vor 20 Jahren gemauert, Schande über mich :-) ) Also Uhr gerade gehängt, Prisma wird richtig betätigt. Und alles war ok und das Pendel tanzt nicht mehr. Der Bogen ist wirklich Messing, und so massiv wie die ganze Uhr. Instabil wird dadurch wohl nichts. Übrigens ist das Pendel nicht leicht, wirklich nicht. Die Pendellinse ist aus massivem Messing, das ist schon als Material nicht billig. Keine Messingblende auf Blei, wirklich massiv. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, und ein Kaufmann hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
Übrigens hat schon Hipp das mit dem Bogen in der Pendelstange so hergestellt. Hier zu sehen:

http://www.electricclockarchive.org/Clo ... px?aid=656

Zu dem Toggel: In der ausländischen Literatur wurde damit das bewegliche Messerchen bezeichnet, welches über das Prisma in der Pendelmitte streicht. Wenn man wissen will, wie das als Animation aussieht, kann man das hier betrachten:

http://www.electric-clocks.nl/clocks/an ... n-Hipp.htm

Weil ich in der deutschen Literatur nichts besseres gefunden habe, habe ich das Teil mit Toggel bezeichnet.

Ich würde sie übrigens auf um 1900 schätzen, und da waren die Patente schon ausgelaufen. Aber sehr viel mehr würde es mich interessieren, wer diese Uhr hergestellt hat. Denn das ist garantiert ein Serienprodukt, denn der Werkstuhl ist aus Messingguss hergestellt, und der Rest ist Maschinenarbeit. Wer eine Quelle für diese Uhr kennt, soll sich mal melden.

Frank
helsper
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Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von helsper »

Was ist denn an dem Begriff "Messerchen" so schlecht, daß man ihn nicht verwenden kann? In der deutschsprachigen Literatur wird der durchaus verwendet, weiterhin noch "Kegel" oder "Hebelchen". Klingt das vielleicht lächerlich oder nicht technisch genug? Hipp dürfte in seinen Schriften vermutlich nicht "Toggel" (oder toggle) geschrieben haben. Auch in der Relaistechnik gibt es Messerkontakte.
Mich wundert es nicht, daß überall die deutsche Sprache verdrängt wird, wenn ein Discounter (auch so ein Begriff) es nötig hat, für eine lächerliche Fußmatte mit "Outdoor-Fußmatte" zu werben.
Helsper
karlo

Re: Regulator mit Hipp-Elektrik

Beitrag von karlo »

Wenn man den ganzen Tag mit Geschaeftspartnern weltweit nur noch enlisch schreibt/redet faellt es schwer den Sinn in der Aufrechterhaltung einer weltweit unbedeutenden Sprache zu sehen.
Selbst die Chinesen, von der Masse her durchaus in der Lage Weltsprache zu werden, reden englisch.

Karlo
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