Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzchen!

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
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Berlinerin
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Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzchen!

Beitrag von Berlinerin »

Liebes Forum, guten Tag!

Zuerst mal ein paar Bilder:
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100_2414.JPG
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So! Sie fiel mir auf dem Flohmarkt auf - Liebe auf den ersten Blick -, anfangs war sie ein wenig zickig ;), aber mit ein wenig zureden und anstupsen läuft sie jetzt seit einem Tag funkuhrgenau! Leider geht der Gong nicht, aufziehen kann ich das Schlagwerk auch nicht, da ist zwar ein federner Widerstand zu spüren, aber es rastet nichts ein.
Bevor ich also zum Uhrmacher gehe - denn meine Versuche mit Uhrreparaturen liegen schon weit zurück und ich erinnere mich ungern an übrig gebliebene Schrauben - und mich eventuell übern Tisch ziehen lassen muss (1.KV lag bei 180€), hätte ich gern Eure Tipps.

Und nun meine Fragen:
Ist es wirklich eine Anker - den Schriftzug habe ich bisher nicht so geschrieben gesehen -?
Welches Baujahr schätzt Ihr?
Wie reinige ich das Glas, Zifferblatt und vorallem das Gehäuse?
Muss zur möglichen Reparatur des Schlagmechanismus das gesamte Werk auseinander gebaut werden?

Vielen Dank für Eure Hilfe
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karlo

Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von karlo »

180€ ist ein durchaus realistischer Preis fuer eine Revision. Zumal ja auch noch am Aufzug was defekt ist.

Karlo
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soaringjoy
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Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von soaringjoy »

Berlinerin, erst einmal ein herzliches willkommen beim DGC Forum.

Deine "Anker" Uhr dürfte aus den späten 1950er Jahren stammen; nicht früher als 1955,
als die sogenannte Schwebehemmung auf den Markt kam. Echtes Gelsenkirchener Barock.

Die Bezeichnung Anker wurde von einigen in der Branche benutzt, die oft nur als "Quasi-Hersteller"
zu sehen sind. Das Uhrwerk ist von Franz Hermle & Sohn, Gosheim, die heute noch tätig sind.

Leider wurden diese Hermle Werke nicht gerade für die Ewigkeit gebaut und eine Revision der
Räder, Lager und Zapfen erscheint schon angebracht.

Um zu schauen, warum Deine Uhr sich nicht aufziehen lässt, muss das Werk heraus, damit man
die Vordersseite sieht.

Das Glas und das Zifferblatt kannst Du bei dieser Uhr mit etwas Prilwasser auf dem Lappen
vorsichtig reinigen, danach mit dem Geschirrtuch abtrocknen.
Wenn das Werk herausgenommen werden sollte, kannst Du wahrscheinlich auch die Lunette von
innen abschrauben. Dann kannst Du das Glas richtig von Hand spülen.
Das Gehäuse machst Du am besten mit einem gängigen Möbelreiniger, z.B. von Clou oder Liberon.

Jürgen
"tempus nostrum"
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droba
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Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von droba »

Hallo Berlinerin,

auch von mir ein herzliches Willkommen in unserem Forum von Uhrenfiebrigen. Nach Deinen Worten zu urteilen, zeigst auch Du schon deutliche Anzeichen einer Spontan-Infektion. Da bist Du bei uns hier richtig, nur ist bei den meisten von uns dieses Fieber bereits vom akuten in den chronischen Zustand übergegangen.

Wie Jürgen schon sagte, ist Anker keine Herstellermarke sondern es war die Marke einer Uhreneinkaufsgenossenschaft von Uhrengeschäften. Hersteller war die Firma Franz Hermle in Gosheim im Württemberg.

Das Werk hat eine sogenannten "Schwebeanker". Damit ist dieses an einer doppelten Wendel aufgehängte Rädchen gemeint. In meinen Augen eine sehr intelligente und ausgereifte Konstruktion, die sich aber zu Unrecht nicht so sehr durchsetzen konnte. Nicht, weil die Konstruktion nichts taugen würde, sondern weil die namhaften Hersteller keine Lizenzen für diese Konstruktion bezahlen wollten.

Der häufigste Fehler, der bei diesen Schwebeanker-Werken gemacht wird, ist der, dass der
Aufhängungsdraht in dem Röhrchen geölt wird. Das machen zwar auch sogenannte Fachleute, ist aber dennoch falsch. Hier darf kein Öl dran.

Ob das Werk ansonsten eine Revision benötigt, lässt sich von den Fotos nicht beurteilen, ist aber anzunehmen. Nur diese Kosten übersteigen den Wert erheblich, weshalb ich von einer Revision absehen würde. Beim Schlagwerk kann die Feder gebrochen sein.
Sollte das der Fall sein, ist meist noch mehr kaputt, als nur die Feder. Vielleicht ist aber auch das Schlagwerk nur verklemmt- so habe ich zumindest nach den Fotos den Eindruck. Das müsste sich bei einem Ausbau des Werkes aber von jemandem mit techn. Verständnis richten lassen, dazu muss die Uhr nicht für teures Geld in Revision.

Viel Spaß mit Seiner Uhr! Mal sehen, wie lange sie alleine bleibt...


droba
Berlinerin
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Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von Berlinerin »

Vielen Dank für Eure Infos und Tipps.

Leider seid Ihr alle zu weit weg, um "mal eben so drüber zu schauen" und ich möchte, dass auch diese vllt nicht so wertvolle Uhr wieder einwandfrei läuft. Nur weil ich sie mag. <3

Wenn Ihr in Berlin wen kennt, der wen kennt und Uhren repariert, dann her mit Vorschlägen.
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Gnomus
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Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von Gnomus »

droba hat geschrieben: Der häufigste Fehler, der bei diesen Schwebeanker-Werken gemacht wird, ist der, dass der
Aufhängungsdraht in dem Röhrchen geölt wird. Das machen zwar auch sogenannte Fachleute, ist aber dennoch falsch. Hier darf kein Öl dran.
Hallo droba, das hab ich auch noch nicht gewußt. Auch nicht Sorte 1? Und sollte man dem Draht evtl. eine Benzin-Kur gönnen oder kann man dabei noch mehr kaputt machen?

@Berlinerin,
was den Wert der Uhr betrifft: Solange Du die Uhr nicht verkaufen willst, sondern weil Du sie reparieren (lassen) möchtest, weil Du an ihr hängst, kann kein Katalog oder Auktionshaus bestimmen, was die Uhr wert ist. Die Uhr ist das wert, was sie Dir wert ist!
Ich halte einen alten Junghans-Blechwecker hoch in Ehren. Bei ebay würde ich wahrscheinlich kaum 5 € dafür bekommen. Aber er trug den "Virus" in sich!
Gruß
Micha
Berlinerin
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Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von Berlinerin »

@Gnomus und alle anderen,
ich hab mich einfach verliebt und werde sehen, was ich da machen kann. Noch bin ich nicht so weit, die Schöne auseinander zu nehmen...und die Warnung vor Federn beherzige ich!!!
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droba
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Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von droba »

Gnomus hat geschrieben:
droba hat geschrieben: Der häufigste Fehler, der bei diesen Schwebeanker-Werken gemacht wird, ist der, dass der
Aufhängungsdraht in dem Röhrchen geölt wird. Das machen zwar auch sogenannte Fachleute, ist aber dennoch falsch. Hier darf kein Öl dran.
Hallo droba, das hab ich auch noch nicht gewußt. Auch nicht Sorte 1? Und sollte man dem Draht evtl. eine Benzin-Kur gönnen oder kann man dabei noch mehr kaputt machen?
Hallo Gnomus,

Öl ist im Röhrchen deshalb falsch, da man den Lauf nicht mehr wirklich regulieren kann: Je nachdem, ob mehr oder weniger Öl im Röhrchen ist, wird der Widerstand größer oder kleiner sein, da das Öl mitbewegt werden muss. Mit Öl wird sich der Lauf verändern. Ohne Öl ist die Reibung zwischen Draht und Röhrchen dagegen konstant und vor allem auch gegen Null.

Die senkrechte Anordnung der Unruhe wurde übrigens bewusst von den Schiffschronometern übernommen.

droba
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Gnomus
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Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von Gnomus »

Danke droba,
zum Glück habe ich mich noch nicht über meine beiden Uhren mit Schwebeankergang hergemacht. Hab da noch ein paar Berührungsängste.
Gruß
Micha
karlo

Re: Erzählt mir doch bitte etwas über dieses kleine Schätzch

Beitrag von karlo »

Vollschuetten des Roehrchens ist natuerlich nicht angesagt.
Aber den Draht (im uebertragenen Sinn) mal mit oeligen Fingern anfassen, ist schon meistens ganz hilfreich.
So die Menge, Automatikoeler fuer Unruhlager.

Oder gibts Unterlagen die auf vollkommen trocken hinweisen?

Karlo
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