ESGE Synchronuhr / Wecker

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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KleineSekunde
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Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

ESGE Synchronuhr / Wecker

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo,

bei meinem letzten Familienbesuch habe ich den alten Elektro-Wecker meines Vaters mitgenommen, um einfach einmal "hinein zu schauen". Der Wecker war schon etliche Jahre funktionsuntüchtig und wurde nicht mehr benutzt.

Das Uhrwerk wird über einen selbstanlaufenden Synchron-Motor angetrieben. Vermutlich ist der Wecker einmal herunter gefallen. Das eingelegte Zifferblatt war jedenfalls im Bereich der Zeigerwellen beschädigt. Diese Vermutung bestätigte sich dann auch nach dem Öffnen des Gehäuses (das vordere Deckglas und das Werk sind mit dem Gehäuse über Rastnasen verbunden, ein häufiges Öffnen würde also wohl problematisch): Der Synchron-Motor wurde an seinem Getriebe mit dem Lamellenpaket verklebt. Diese Verklebung hatte sich gelöst und ein Bruchstück des verwendeten Klebers hatte das Räderwerk blockiert. Nach dem Entfernen lief der Wecker jedenfalls wieder sofort an.

Das Getriebe des Synchron-Motors ist vergossen (rote Vergußmasse), reparieren kann man hier jedenfalls nichts:
Wecker Motor.jpg
Die eigentliche Verklebung des runden Getriebegehäuses mit dem Lamellenpaket befindet sich auf der Rückseite. Oben rechts erkennt man auf dem Foto die alte, verbrauchte und innen fast schwarze Glimmlampe. Licht kam hier natürlich kaum noch raus, also wurde sie dann ausgetauscht.

Auch das eigentliche Werk ist vernietet. Eine Reparatur wäre hier also auch nicht wirklich möglich, war in diesem Fall aber ja auch nicht nötig. Das Werk wurde also nur grob gereinigt.

Das Wecken erfolgt durch eine Art Summer: Nach Auslösung des Weckers schwingt ein federnd gelagerter Blechstreifen (vernietet mit der Werksplatine) aufgrund der magnetischen Wechselwirkung mit dem Lamellenpaket gegen eben dieses Lamellenpaket des Motors und erzeugt so einen Summton.
Wecker Auslösung 2.jpg
Der federnd gelagerte Blechstreifen erzeugt in Ruhestellung über die beweglich auf der Werkplatine gelagerte Auslösenase aber auch einen gewissen Druck auf die verschiebbare Welle mit dem Kunststoff-Zahnrad. Sobald die Aussparung des Kunststoff-Zahnrades bei der eingestellten Weckzeit in die metallische Nase des linken Metall-Zahnrades einfällt, wird dieses Kunststoff-Zahnrad mit seiner Welle dann durch die Federkraft des Summerhebels nach links bewegt, die Auslösenase schwingt also nach unten und gibt den Summer somit frei.

Ganz interessant fand ich die mechanisch realisierte "Schlummerfunktion":

In der Ruhestellung, also bis zur Weckerauslösung, befindet sich der mittig zu sehende Trieb in einer runden Aussparung in der Zahnsegmentplatte:
Wecker Zahnsegment.jpg
Beim Betätigen der oben am Gehäuse angebrachten schwarzen Schlummertaste zum Unterbrechen des Wecksignals bewegt sich der Hebel mit dem verbundenen, dreieckigen Zahnsegment dann nach unten. Durch die markierte Feder wird das Zahnsegment dann nach links (im Foto eigentlich eher nach vorne) bewegt, so dass dann nach dem Loslassen der Taste der gezahnte Bereich in den Eingriff mit dem Trieb kommt (gleichzeitigt bewegt sich auf der anderen Werkseite der Hebel dann nach oben und unterbricht dabei den Summer):
Wecker Auslösung 1.jpg
Wecker Werk 1.jpg
Nach einigen Umdrehungen des Triebs, also nach einigen "Schlummerminuten", in denen das Zahnsegment dann wieder nach rechts bewegt wird, fällt es wieder in die runde Aussparung am Ende des Zahnsegmentes, der obere Hebel wird auf der linken (auf dem Foto vorderen) Werkseite nach oben bewegt, auf der abgewandten Seite also nach unten, so dass der Summer wieder freigegeben wird.

Da die Aussparung in dem Kunststoff-Zahnrad recht groß ist, wiederholt sich das Spiel einige Male, bis man dann hoffentlich endlich ganz wach wird...

Die Glimmlampe ist unten links angebracht. Um eine möglichst gleichmäßige Lichtverteilung auf dem gesamten Zifferblatt zu erhalten, wurde auf dem Lichtleiter eine entsprechende Struktur aufgebracht:
Lichtleitplatte.jpg
Beleuchtet sieht es dann so aus (auch mit dem im Durchmesser natürlich nicht mehr passenden Ersatz für die Glimmlampe also recht homogen):
Zifferblatt beleuchtet.jpg
Hier nun endlich auch die Gesamtansichten des Weckers:
Wecker komplett.jpg
Wecker Rückseite.jpg
Wirtschaftlich gesehen sollte man wohl besser die Finger von solchen Uhren / Weckern lassen, für mich war es in dem Fall aber ein Stück persönlicher "Zeitgeschichte", so dass sich die Sache für mich jedenfalls gelohnt hat. Morgen tritt der Wecker dann jedenfalls seine Rückreise an...

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: ESGE Synchronuhr / Wecker

Beitrag von Typ1-2-3 »

Schön beschrieben. So etwas macht wirklich keiner für solche Wecker, darum um so interessanter.

Frank
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droba
Beiträge: 839
Registriert: So 22. Aug 2010, 21:39

Re: ESGE Synchronuhr / Wecker

Beitrag von droba »

Hallo Guido,

prima Fotos und Beschreibung! Ich finde den Wecker sehr interessant, habe schon lange keinen ESGE mehr gesehen. ESGE wurde ja von Kienzle aufgekauft, wurde dann aber, als bei Kienzle der Untergang einsetzte, wieder verkauft. Die Firma besteht möglicherweise noch heute unter dem neuen Namen, stellt aber mit Sicherheit keine Synchron-Uhrwerke mehr her.


droba
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