Lenzkirch-Werknummern

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
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Gnomus
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von Gnomus »

uhriella hat geschrieben:da steht Lenzkich auf dem Werk, denn sonst wüssten wir ja nicht, dass die Uhr von Lenzkich ist.
Aber auch darauf kann man sich nicht immer verlassen, siehe Fred "Lenzkirch in Dresden?" hier im Forum :lol:
Wobei ich das Deiner Uhr nicht unterstellen will. Aber Dein Satz hat mich einfach dazu gereizt, SCNR ;)
Gruß
Micha
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soaringjoy
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von soaringjoy »

Na ja, manche rufen doch immer noch "Kölle Alaaf!", gebe ich zu bedenken. :D

Egal, denn wieder einmal mehr zeigt es sich, dass die "Legende" lebt,
ohne dass ich gleich vom "Mythos Lenzkirch" sprechen will.

Geradezu bildlich kann ich mir vorstellen, wie nun manche Leute sich
die Haare raufen, bei einer Lenzi-Seriennummer von 73472.
Oh ja, ich gebe offen zu, dass ich dazugehöre!
Mehr noch, komme ich wohl bald zur Ansicht, dass "nichts wissen"
auf jeden Fall ruhiger und nervenschonender sein dürfte.

Im wesentlichen hat droba es schon gut auf den Punkt gebracht, nämlich
dass man sich nicht immer auf Seriennummern oder auf etwaige "fundierten"
Listen dazu verlassen kann.
Gerade bei Lenzkirchuhren wird dies immer wieder deutlich.

Nun gibt es eben ein neues und zudem noch ein großes Fragezeichen, oder
sollte ich sagen, ein "Stachel im Fleisch"?

Zunächst sollte man wissen, dass, gerade in Bezug auf Lenzkirch, schon
immer Daten einfach übernommen worden sind, ohne sie zu hinterfragen.
Manche dieser Daten waren von vornherein falsch und wurden auch noch
im Laufe der Zeit falsch wiedergegeben.

Sehr eng gesehen, lassen sich lediglich die Lenzkirch-Werke
1 Mio. (Feb. 1894) und 2 Mio. (Mai 1923) exakt datieren, da dies
verbrieft ist.
Weiter ist verbrieft, wann Lenzkirch das Markenzeichen zum bekannten
Tannenzweig wechselte, nämlich ab SN 227000 (1875).

Lassen wir nun einmal Kochmanns Werk
"Clock & Watch Trademark Index of European Origin",
lange als Standardwerk angesehen, außen vor, da es teilweise
irreführend ist; auch und gerade in Bezug auf die oben erwähnten
Daten.

Stattdessen möchte ich einmal (beispielhaft) drei seriöse Quellen
miteinander vergleichen, um den Sachverhalt zu verdeutlichen.

"Lexikon der Deutschen Uhrenindustrie 1850 - 1980" von H.-H. Schmid

1885: Seriennummer 655000.

"Lenzkirch Clocks, The Unsigned Story" von George A. Everett

1885: Seriennummer 692925.

"150 Jahre Lenzkircher Uhren" von Lenzkircher-Uhren-Freude e.V.

1885: Seriennummer 790704.

Um das Pferd anders herum aufzuzäumen:

Bei der Seriennummer "73472" wäre das Uhrwerk, je nach Quelle, grob
zu datieren auf die Jahre zwischen etwa 1855 bis 1868 (!)

Einen sehr guten, analytisch und fundiert angegangenen Einblick
in das "Mysterium Lenzkirch" bietet ein im NAWCC-Bulletin Feb. 2007
erchienener Artikel "Springtime in Lenzkirch" von Dr. Douglas K. Stevenson,
der auch die Sichtweisen Kochmanns und Everetts beleuchtet und der zum Fazit
kommt, dass noch vieles im Dunkeln liegt.

Aber, die eigentliche Krux ist eben die, dass nach den vorliegenden
Information der Tannenzweig erst ab 1875 verwendet wurde und
zwar ab SN 227000...

Nun, was mich betrifft, möchte ich hier nicht weiter spekulieren, denn dies
ginge gewaltig über meinen Horizont.
Mögliche Erklärungen gäbe es viele.
So werde ich mir weiter die Haare raufen und abwarten... :D

J.
"tempus nostrum"
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droba
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von droba »

Hallo Jürgen,
Hallo Uhriella,

den Ausführungen von Jürgen ist eigentlich nichts hinzuzufügen. Es wird erkennbar, dass die Angaben der verschiedenen Listen für Lenzkirch im selben Jahr um über 100.000 Einheiten auseinanderliegen können. Das zeigt schon dass die Listen aufgrund vollkommen verschiedener Systematiken erstellt worden sind, die eine Vergleichbarkeit nicht wirklich zulassen. Und man sollte bedenken, dass von Lenzkirch im Gegensatz zu anderen Großuhrenherstellern vergleichsweise viele Eckdaten bekannt sind: Die jeweiligen Fertigungsjahre für die Werknummern bei 1 und bei 2 Millionen, sowie die Angabe, ab welcher Werknummer der Zweig eingeprägt wurde.

@ Uhriella: Deine Angaben sind wirklich erfreulich präzise und für Deine Uhr auch schlüssig. Dennoch sollten wir uns nichts vormachen. Auch wenn Deine Uhr mit Sicherheit im Jahr 1893 gekauft wurde, müssen wir als Herstellungsjahr etwa bis zu 2 Jahre früher ansetzen. Denn LEnzkirch war immer der "Mercedes" unter den Uhren und deshalb war die Uhr unter Umständen schon einige Zeit im Laden, bevor sie einen Käufer gefunden hat.

Die Lenzkirch-Freunde sind aber mit Sicherheit für einen Hinweis auf Deine Uhr dankbar. Teile Ihnen die Seriennummer, und was Du über Deine Uhr weißt, mit, damit sie ihre Lenzkirch-Tabelle aktualisieren können. Denn nach ihrer Liste würde Deine Uhr fast 10 Jahre später angesetzt, als wie Du selbst und nun wir alle wissen.

Glückwunsch auch an Dich und Eure Familie: Es gibt selten Uhren mit einer so ausgeprägten Familienbeziehung, wie Eure Uhr. Und eine schöne Lenzie ist sie obendrein!


droba
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Felix18
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von Felix18 »

soaringjoy hat geschrieben: Aber, die eigentliche Krux ist eben die, dass nach den vorliegenden
Information der Tannenzweig erst ab 1875 verwendet wurde und
zwar ab SN 227000...
J.

Als auf meine Frage an "Uhriella" die Antwort mit dem Tannenzweig kam, stand ich wieder im dunkeln. Da kommen Ungereimtheiten zusammen,
für die es anscheinend keine erklärbaren Lösungen mehr gibt. Die Seriennummer, der von "Uhriella" vorgestellten Uhr passt einfach nicht ins Schema.
Weder die niedrige Seriennummer und dem Tannenzweig und A.G.U.L. noch das ich hoffe "sicher verbriefte Kaufdatum" mit einem evtl.
Spielraum von 2 Jahren, wie es "droba" schrieb.
Ist es denn sicher, das die Nummerierung durchgehend erfolgte, wie es bei den Lenzkircher Uhrenfreunden im "Register" zu sehen ist?
Es wird dort auch geschrieben, das niedrige Nummern nach dem ersten Weltkrieg wieder vergeben wurden, mit gleichzeitiger Prägung mit dem Markenzeichen.
Wie sieht eigentlich solch eine Prägung aus. Ein Beispiel dazu habe ich bis jetzt nicht gefunden.
Selbst diese Möglichkeit käme bei "Uhriella`s" Uhr nicht in Frage.
C.


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soaringjoy
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von soaringjoy »

Erst einmal stimme ich droba ohne Einschränkung zu, dass
sich die Lenzkircher-Uhren-Freunde (LUF) ganz sicher über
Bilder und weitere Infos zu der schönen Uhr freuen würden.

Hier nochmal der Link:

http://www.lenzkircher-uhren.de/

Gerade in Bezug auf Lenzkirch gibt es eine wirkliche Fülle an
Material, es wurde und wird immer noch viel recherchiert.
Das ist möglicherweise gut, möglicherweise aber auch nicht,
denn es ist gerade die Fülle an alten, originalen Informationen,
die den ambitionierten Laien überfordern.
Das Material muss erstens bekannt und zugänglich sein UND
es muss gesichtet, chronologisch angeordnet und interpretiert werden,
wobei es bei der Interpretation unter den Experten auch unterschiedliche
Strömungen gibt - auch und insbesondere je nachdem, welche historischen
Quellen zur Verfügung standen, bzw. wie sie gewichtet wurden.
Lassen wir die hinlänglich bekannten Fachbücher einmal außen vor, so verbleibt
immer noch ein Vielfaches an historischen oder zeitgenössischen Fachartikeln
übrig.
Auch die Lenzkircher-Uhren-Freunde haben solche Artikel der zweiten Kategorie in
ihrer Vereinszeitschrift abgedruckt, ebenso die amerikanischen NAWCC Bulletins.
Was nun den Laien (wie mich) angeht, so muss er sich all dieses Zeugs erstmal
über die Jahre "reinpfeiffen", es behalten können UND es bei Bedarf auch
wiederfinden können.

Um eine lange Geschichte kurz zu machen:

Halten wir fest, nach eigener Aussage von Lenzkirch wurde das zweite Zeichen
(Tannenzweig mit Tannenzapfen) 1875 ab Werknummer 227000 eingeführt.
Nach der berühmt-berüchtigten "Lenzkirch-Erklärung" von 1883 ist verbrieft,
dass ab hier ALLE Lenzkirch Werke gemarktet wurden. AUCH die Werke 2 Q.

http://www.dg-chrono.info/dg-chrono.de/ ... %C3%A4rung

Nun, sowohl Everett als auch Stevenson haben sich (auf unterschiedliche Weise)
eben auch mit solchen 2 Q Werken beschäftigt und angenähert.

Nun ist jedoch offenbar verbrieft, dass es gerade in der infrage kommenden Zeit,
also ganz grob um 1890 herum, tatsächlich eine Neuordnung der Seriennummern
(also neue, niedrige Nummern) gegeben hat - dies explizit bezogen auf die gemarkteten,
also mit Tannenzweig versehenen, 2 Q Werke.
Es kann daher mit "an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" davon ausgegangen werden,
dass es sich bei dem hier vorgestellten Werk um eines aus dieser Serie handelt.

Wohlgemerkt, zweite Qualität hiess, zumindest nicht bei Lenzkirch, fehlerhaft oder
gar minderwertig...

Joh mei, Frühling in Lenzkirch, eben. :D

J.

PS:

Ein Anekdötchen am Rande.
Die Einführung des Tannenzweiges als neues Markenzeichen von Lenzkirch wurde
1875 durch eine Anzeige (gemeinsam mit Gustav Becker) propagiert.
Nach Kochmann z.B., erschien die Anzeige in der Deutschen Uhrmacher Zeitung (DUZ).
Nun, die DUZ wurde aber erst ab 1877 verlegt.
So zog die Karawane eben weiter und weiter.... und wenn sie nicht gestorben sind...
"tempus nostrum"
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Felix18
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von Felix18 »

Danke J. für die Info. Das es um 1890 eine Neuordnung gab, wußte ich bis dato nicht, lediglich, wie ich schon geschrieben hatte,
"nach dem ersten Weltkrieg", lt. Lenzkircher Uhrenfreunde.
Du schreibst, bei der Neuordnung ging es um die 2 Q Werke. Damit schließt Du die Werke, die kein 2 Q waren aus. Richtig?
Nur ich habe ein Werk ohne 2Q, mit A.G.U.L. und Tannenzweig im 10.000 der Bereich. :? :?:
C.


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soaringjoy
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von soaringjoy »

Ja.

Die erwähnte Einführung einer anderen SN-Vergabe bezieht sich
auf die 2 Q Werke, die mit dem Tannenzweig versehen waren, d.h.,
hergestellt ab 1883.
Wann genau dies erfolgte, wie lange die Serie lief, oder ob es auch
noch spätere Umstellungen gab, weiß ich nicht en Detail.

Möglicherweise wurden die Werke mit dieser neuen, niedrigen Nummerierung
nicht mehr als "2 Q" gemarktet, da die Maßnahme dadurch überflüssig wurde.
Aber das ist meine persönliche Auslegung. ;)

J.
"tempus nostrum"
uhriella
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von uhriella »

soaringjoy hat geschrieben:Erst einmal stimme ich droba ohne Einschränkung zu, dass
sich die Lenzkircher-Uhren-Freunde (LUF) ganz sicher über
Bilder und weitere Infos zu der schönen Uhr freuen würden.

Hier nochmal der Link:

http://www.lenzkircher-uhren.de/
Hallo Forum,

die Lenzkicher Uhrenfreunde werde ich informieren, wenn ich bessere Bilder habe. Die Beiträge und Diskussionen, die dieser Fred ausgelöst hat, sind toll und ich bin geplättet über euer Wissen, aber manches verstehe ich natürlich nicht so doll.

Auf unsere Uhr sind wir natürlich stolz und sie wird in Ehren gehalten, das versteht sich!

Uhriella
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soaringjoy
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Re: Lenzkirch-Werknummern

Beitrag von soaringjoy »

Mach Dir nichts draus, uhriella, ich versteh's auch nicht! :D

Gerade in Bezug auf Lenzkirch (aber nicht nur) muss, sofern es
in "Kurzform" erörtert werden soll, einiges Hintergrundwissen
schon vorhanden sein, sonst kringelt sich der Rauch aus den Ohren,
völlig klar.

Deine Uhr wird übrigens auch "stiller Regulator" oder
"Schlafzimmerregulator" genannt, weil sie nur ein Gehwerk hat.

Obwohl - es geht schon wieder los - es gar kein Regulator im engeren
Sinne ist. ;)

Auf jeden Fall eine schöne, erhaltenswerte Uhr.

J.
"tempus nostrum"
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