Kombi-Restauration einer "Eier"uhr (Bulle Clock)

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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Typ1-2-3
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Kombi-Restauration einer "Eier"uhr (Bulle Clock)

Beitrag von Typ1-2-3 »

Zuerst und für den Genuss die fertige Uhr:

Bild

Und von der Seite:

Bild

Und hier sieht man schon die ersten Pferdefüße: Das Gehäuse sah absolut übel aus. Es war offensichtlich feucht gelagert, es gab ausführliche Furnierschäden, Furnier hat sich großflächig vom Untergrund gelöst. Und zur Trocknung wurde es dann auf einen Grill gelegt. Das Grillrost wurde aber leider etwas wärmer als die Luft, und so gab und gibt es von hinten ein Rostmuster, was auch nicht wegzubekommen war, ohne den ganzen Lack und noch einiges mehr zu entfernen. Jetzt ist es ganz toll, macht echt was her mit den Blitzen. Diese Blitze zeigen schon von außen, dass es - wie kann es schon anders bei mir sein - natürlich um eine elektrische Uhr geht.

Aber nun von außen nach Innen zuerst die Restauration des Gehäuses:

Ran, Jürgen

Frank
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soaringjoy
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Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr

Beitrag von soaringjoy »

Ja, dann will ich die Geschichte fortsetzen, wahrscheinlich in
mehreren Abschnitten.

Zunächst, als Frank das Gehäuse auf meine Werkbank stellte,
musste ich schlucken und hätte mich am liebsten irgendwo
verkrochen, weil mir augenblicklich "schlecht" wurde.
Das wird eine harte Nuss werden - ob ich das schaffe, dachte
ich so bei mir.

Kurz, die Uhr sah wirklich erbärmlich und übel aus.
Nicht nur, dass das Furnier an mehreren Stellen dicke Blasen
geworfen und sich abgelöst hatte, es fehlten auch ziemliche Stücke
davon.
Mindestens vier verschiedene Hölzer, teilweise nicht genau zu
bestimmen, waren zu berücksichtigen.
Als sehr, sehr heikel sah ich die Bearbeitung der Rundungen an -
da hatte ich noch keine Erfahrungen gesammelt.

Wochenlang stand das Gehäuse dann herum, während ich
überlegte und überlegte.
Immer wieder suchte ich nach passenden Furnieren, beizte sie
probeweise an, legte sie wieder weg.
Ehrlich, vor dieser Sache hatte ich richtig bammel, da gab es keinen
Spielraum für Fehler.
Wie mache ich einen geraden Schnitt auf diesem Buckel?
Wie forme ich das neue Furnier vor? Wie verpresse ich es?
Wie geht es, ohne die originale Oberfläche zu zerstören?

Jede Menge Fragen und wenige Antworten.
Walter der Jüngere half mir aus der Patsche und gab mir den
alles entscheidenden Tipp zum Vorbiegen des Furniers.
Dazu später mehr.

An dieser Stelle meinen Dank, Walter!

Auf den ersten vier Bildern sieht man die zu bearbeitenden Stellen.
An Rückwand und Buckel wurde das schadhafte Furnier bereits
entfernt, Schnittkanten und Trägerholz sind bereits vorbereitet.
Das Trägerholz war an einigen Stellen schon richtig bröckelig und
splintig... dabei mussten aber die Schnittkanten und der Untergrund
penibel sauber sein, damit das neue Furnier überhaupt eine Chance
hatte.
Schauseitig sind die kleineren Fehlstellen noch im Fundzustand; alte
Leimreste und Schmutz lassen sich noch gut erahnen.

Umphh, ja.
Ich habe auch Tesa-Film benutzt, so tief saß die Verzweifelung! :oops:
DSC06742.JPG
DSC06743.JPG
DSC06744.JPG
DSC06744a.JPG
Fortsetzung folgt.

J.
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"tempus nostrum"
steffl62
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Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr

Beitrag von steffl62 »

Das Ergebnis sieht jedenfalls wieder sehr gut aus, alle Achtung!
Ich bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung.
Ach ja, was spricht denn gegen Tesafilm bei solchen reparaturen (runden Oberflächen)?
Und wie hast Du denn das morsche Trägerholz repariert?

lg Christian
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!
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Typ1-2-3
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Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Die Uhr war eine richtige Grotte, wie man sieht. Bei den Fotos von Jürgen kann man auch prima die Abdrücke des Grillrostes erkennen, auf der die Uhr zum Trocknen gelegen hat.

In der Zeit, als Jürgen sich des Gehäuses annahm, habe ich das Werk zerlegt. Ich zeige mal, wie das vorher aussah:

Bild

Da bestand in jedem Fall Handlungsbedarf! Auch das Pendel sah ähnlich übel aus:

Bild

Hier kann man die "etwas" komplizierte Stromführung dieser Uhren erkennen: Die lange Pendelstange ist mit dem Minuspol verbunden. Allerdings nicht, wie man meinen sollte, über die Pendelfeder, sondern über eine Kontakt-Spiralfeder, die an dem komischen Bügel befestigt ist, den man vor der Pendelfeder erkennen kann. Dann geht es herunter zur Spule und von da aus wieder zurück über die kürzere Pendelstange. Der Kontaktstift ist damit leitend verbunden, aber streng isoliert von der langen Stange. Der Stift greift dann in einen Anker ein, der gleichzeitig das Räderwerk antreibt und den definierten Kontakt zum Pluspol des Werkes herstellt. Alles nicht ganz einfach und auch kompliziert gelöst. Ein Beispiel: Damit das Pendel nicht tanzt, ist die Pendelstange gekröpft.

Die Pendelfeder besteht in diesem Falle aus Textil. Natürlich hat sie die Zeit nicht überlebt:

Bild

Einen Teil habe ich schon zerlegt, der andere ist noch zusammen. Hier kann man die Seidenbändchen bewundern, die gleichzeitig Isolator sind und Pendelfeder-"blech".

Das alles musste auch noch repariert werden. In der Zeit ging es bei Jürgen weiter, der viel Gehirnschmalz darauf verwendete, die verrottete Holzkiste wieder zu einem schmucken Gehäuse zu machen

Frank
Philclock

Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr

Beitrag von Philclock »

Ihr Beiden,
diesen Thread finde ich super! :D

Ich finde eure Arbeit und eure Liebe zur euren Spezialgebieten beeindruckend!

Frank,
wie hast Du die Pendelfeder repariert?

Jürgen,
wie ist das mit den Furnieren besorgst Du dir vom Trödel und lagerst sie ein?
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soaringjoy
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Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr

Beitrag von soaringjoy »

Bevor es demnächst weitergeht, möchte ich auf Eure
Fragen eingehen.

Die große Gefahr bei Tesa-Film ist, dass man beim Abziehen den Lack auch
mit runterholt. Das ist mir auch an der Rückwand des Gehäuses passiert.
Ich hatte zwar eine Probe gemacht, aber das Gehäuse hat zwei verschiedene
Lackierungen drauf, die Rückwand war minderwertiger lackiert(!)
Außerdem neigt Tesa-Film dazu, die Drücke ungleichmäßig weiterzugeben, gerade
im Bereich von Rundungen - und es verpresst hervorquellenden Leim zu unschönen
Flächen, die später mühsam entfernt werden müssen - mit erneuter Gefahr der
Beschädigung.
Um es ganz klar zu sagen, bei dem Gehäuse hätte man, um es fachmännisch zu
reparieren, zwei Holzklötze in Negativform anfertigen müssen. Damit hätte man das
Werkstück einspannen und das neue Furnier gut zum Verleimen anpressen können.

Nur habe ich kaum die Möglichkeit, das zu machen - und noch wichtiger:
Wieviel Druck hält das alte Gehäuse aus, wenn es eingespannt wird?
0,5 Newton mehr und KNACK.

Morsches oder beschädigtes Trägerholz muss entfernt werden und die Stelle muss
dann wieder aufgebaut werden, sprich, das Furnier muss dort wieder unterfuttert
werden. Bei der "Delle" am Buckel des Gehäuses hätte man z.B. eine regelrechte
Plombe einsetzen können.

Gängige Furniere wie Eiche oder Nussbaum bekomme als "Reste" (ca. 100 x 30 cm)
von einem Furnierhersteller in der Gegend.
Die erlesenen Furniere (Birke, Kirsch, Palisander, etc.) kaufe ich im Sortiment (DIN A 4)
bei Ebay.

J.
"tempus nostrum"
karlo

Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr

Beitrag von karlo »

Habt ihr schoen wieder hin gekriegt.

Karlo
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soaringjoy
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Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr (Bulle Clock)

Beitrag von soaringjoy »

Einen großzügig zugeschnittenen Streifen Furnier legte
ich dann in einen Siebeinsatz in den Kochtopf, schön vorsichtig,
damit es nicht brach.
Mit etwas Wasser am Topfboden wurde das Furnier etwa 2 Std.
bedampft und dann zum austrocknen einige Tage beiseite gelegt.

Das Holz reagiert erstaunlich flexibel auf den Dampf; mit immer kleineren
Radien könnte man eine Spirale herstellen.

In der Zwischenzeit wurde das schadhafte Furnier sehr vorsichtig
mit sehr scharfem Bastelmesser und mit noch schärferem Skalpel
weggeschnitten und die Stellen wurden begradigt.
Da wo ein Stahllineal anzulegen ist, geht es gut; am Buckel habe
ich einen Bleistiftstrich entlang der Kante des neuen Furniers gezogen
und dann nach "Augenmaß" geschnitten.

Bestes Werkzeug ist hier unabdingbar, die Bau- oder Flohmarktteile
bescheren einem nur Narben... glaubt es mir bitte.

Die freigelegten Stellen werden dann von Leimresten, losen Holzpartikeln
und Staub befreit.
Insbesondere an den Schnittkanten und in den Ecken muss sauber
gearbeitet werden.
Das neue Furnier wird dann auf Maß zugeschnitten, oder es wird so
lange geschnippelt, bis es passt.
Auch hierfür verwende ich die Klinge, weil die Furniersäge für solche
kleinen Teile wenig taugt.
An den Kanten sollte ruhig ein wenig Furnier überstehen, da muss
später ja noch nachgearbeitet werden.

Bei der Möbelrestauration etwa, nimmt der Fachmann das Furnier,
klemmt es auf die unbearbeitete Schadstelle und schneidet neues
und altes Furnier zusammen in einem Durchgang.
Das passt dann anschließend sehr schön.
Na klar, bei einer Schranktür geht das ja auch prima...! :D

Fortsetzung folgt.
DSC06747.JPG
DSC06748.JPG
DSC06749.JPG
DSC06751.JPG
DSC06752.JPG
DSC06753.JPG
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Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr (Bulle Clock)

Beitrag von Typ1-2-3 »

Jetzt geht es um die Pendelfeder. Da zitiere ich mich einfach selbst:

"Falls die Pendelfeder defekt ist, reicht es nicht, eine neue aus dem Vorrat zu nehmen, denn es gäbe einen satten Kurzschluss, wenn das Pendel das Gestell berühren würde. (Das Gestell ist nämlich stromlos, damit es diesen Kurzschluss nicht gibt. Nimmt man eine Metallfeder, wird das Gestell zum Minuspol) Zur Anfertigung nimmt man am besten die alte Pendelfeder auseinander. Dazu versucht man, die Schrauben zu lösen, welcher die Aluminiumbleche (oder Messingbleche) zusammenhalten. Ist das nicht möglich, hilft nur Ausbohren und das Ersetzen der Schrauben. Zwischen den Blechen sind 2 Seidenbänder mit Hilfe zweier Bleidrähte eingeklemmt. (In diesem Falle ohne Bleidrähte, dafür auch nur mit Stiften zusammen = spätere Version) Die Bleidrähte hämmert man wieder rund, als Ersatz für die Seidenbändchen hat sich ein Stück Leukosilk (Gewebepflaster weiß) bewährt, dem man mit Lösungsmittel den Klebstoff entfernt. Es werden 2 Streifen geschnitten, gelocht und wieder eingeklemmt. Das neue Material ist stabiler als das alte. Der Abstand der Bleche soll ca. 1,4 mm betragen, siehe Abbildung unten."

Bild

Das Verfahren mit dem Leukosilk-Band hat sich in jedem Falle bewährt. Denn eine Uhr, die ich damit ausgerüstet habe, läuft im 7. Jahr ohne Schwierigkeiten bei uns auf dem Wohnzimmerschrank.
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Re: Kombi-Restauration einer "Eier"uhr (Bulle Clock)

Beitrag von Gnomus »

Da müßte doch auch Film gehen, also Negativ oder Dia?
Gruß
Micha
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