Unter Elektronom-Uhren versteht man eine Werkserie von Junghans mit elektropneumatischem Antrieb. An sich eine kuriose Sache: Ein Uhrwerk schließt einmal in der Minute einen Kontakt, der Starkstrom (Steckdose, früher oft 110V, heute natürlich 230V) durch eine „Lampe“ schaltet. Der Kontakt schließt nur für ca. 3 Sekunden innerhalb der Minute. Die Lampe leuchtet auch nicht, sondern erwärmt nur die Luft in einem Glaskolben. Dabei kann man auch in stärkster Dunkelheit kein Leuchten erkennen, damit der Glühfaden die Belastung der Erwärmung und Abkühlung lange Zeit durchhält. Die erwärmte Luft (kein Schutzgas!) wird durch eine Schlauchleitung in einen Zylinder geleitet, in dem ein Kolben steckt. Dieser wird folgerichtig einmal in der Minute gehoben und spannt dadurch eine Feder. Diese zieht indirekt beim Entspannen eine Feder auf, so dass die Uhr wieder gut eine Minute laufen kann.
Das Ganze hört sich kurios an, aber die damaligen Uhrmacher hatten panische Angst vor Magnetismus. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, denn heute legt man das magnetisierte Werkzeug einfach auf den Entmagentisierer, und alles ist wieder in Ordnung. Damals war das wohl schwieriger. Daher gab es in dieser Zeit auch das astatische Nadelpaar, von Glashütte hergestellt, um zu überprüfen, ob Teile magnetisch sind. Heute überflüssig!
Aber so konnte die Uhr aufziehen, ohne dass die ganze Sache überhaupt mit Magnetismus zu tun hatte.
Die kleine Uhr mit Echappement:
Diese Uhren in verschiedenen Gehäusen wurden mit einem kleinen Zylinder von ca 1,5cm Durchmesser hergestellt.

Man kann das Prinzip gut erkennen. Die Lampe hat einen recht langen Glühfaden mit hohem Innenwiderstand, einem Schlauch zum Zylinder und die Verkabelung. Es fällt auf, dass diese Uhr noch links unten eine „Röhre“ hat. Das soll eine Sicherung sein: Innen ist ein Bimetall und eine Heizspirale. Bei kurzzeitiger Heizung, also beim Betrieb der Uhr, passiert nichts. Gibt es aber einen Kurzschluss, löst das Bimetall aus und der Stromkreis wird unterbrochen. Netterweise kann man den Schalter nur durch „Handberühren am Metall“ wieder einschalten. Aus Sicherheitsgründen habe ich daher einen Kunststoffrand mit Glas über die offene Röhre gestülpt. Außerdem hat diese Uhr einen Masseanschluss, denn die Kontakte gehen quer durch das Uhrwerk. Eine nette Sache, wenn jemand mal unbedarft hineinpackt.....

Das Werk von innen zeigt einen typischen Junghans-Aufbau: Stocktriebe und den quer durch das Uhrwerk gehenden Kontakt. Lebensgefährlich!!!! Der Hebel wird durch den Kolben hochgehoben und schiebt durch die Sperrklinke das Sperrrad weiter, zum Aufzug der Uhr. Auf der Rückseite der Uhr gibt es ein gutes Echappement.

So zieht sich die Uhr Minute für Minute auf, bis die Drahtfeder bei Vollaufzug des Federhauses den Antrieb übernimmt. Bei Stromunterbrechung läuft die Uhr dann bis zu 18 Stunden mit der aufgespeicherten Kraft.
Und hier ist die Uhr in der Vorderansicht: Kleine Wohnraumuhr, Eichengehäuse, Metallzifferblatt. Die Uhr läuft übrigens ziemlich genau, so gegen 1 Minute pro Monat.

Vorne ist ein Schieber zum Einregulieren des Echappements, außerdem ein kleines Aufzugloch für den Betriebsbeginn: Wenn die Uhr nach dem Aufziehen einmal läuft, dann geht alles selbstständig.
Die große Uhr mit Schlagwerk.
Es wurde von Junghans nicht nur das kleine Uhrwerk mit Echappement gebaut, sondern auch 2 Werke mit Pendel. Eines will ich hier vorstellen:
Ich konnte noch eine Uhr mit Schlagwerk auftun. Sie hat ein schönes, schlichtes Gehäuse. Als ich sie kaufen konnte, hatte sie ein sehr mäßiges Zifferblatt, leider. Netterweise habe ich gut ein Jahr vorher ein fast neuwertiges Elektronom-Zifferblatt für kleines Geld in der Bucht erlegt. Und zufälligerweise passte es genau! Glück gehabt.

Die Uhr hat ein Schlagwerk und einen ähnlichen Antrieb. Und so sieht sie von innen aus:

Das Werk ist – Junghans-typisch – sehr luftig ausgeführt. Dafür hat es gewaltig Kraft und auch einen lauten, deutlichen Gong.
Von der Seite erkennt man wieder den Zylinder, diesmal in wesentlich größerer Ausführung.

Immerhin muss die Kraft für Geh- und Schlagwerk aufgebracht werden. Die Pumpe hat bestimmt den doppelten Durchmesser, also die 4-fache Fläche wie bei der kleinen Uhr. Daher ist auch die Lampe eine andere, mit mehr Wärme also mehr Kraft.
Auch hier sieht man die riesigen Kontakte quer durch das Werk. Wenn man das Werk am Werkschlitten aus der Halterung zieht (wie beim normalen Regulator), stehen einem 2 Metallkontakte entgegen, mit voller Spannung. Hier also ebenfalls eine elektrisch windige Konstruktion.
Das Uhrwerk hat ein Rechenschlagwerk, alles typisch für Junghans äußerst robust ausgeführt.

Die Lampen
Die Uhren sind richtige Trecker, robust und fast unkaputtbar. Aber nur fast!!! Einen gewaltigen Konstruktionsfehler haben diese Uhren: Die Kompressorlampen sind empfindlich und brennen gerne durch. Und die gibt es schon seit Jahrzehnten nicht mehr.
Beide Uhren hatten keine Lampe mehr. Und mit den empfindlichen Lampen ist ein Betrieb eher ein großes Wagnis.
Wenn man diese Uhren aber laufen lassen will, muss man sich eine Lösung einfallen lassen. Und die ist: Man baue sich eine Lampe selbst, und zwar dann auch servicefreundlich. Also mit auswechselbarem Glühfaden. Und das sieht dann so aus:

Dies ist die fertigungstechnisch und wartungsmäßig fortschrittlichste Lampe, der Endpunkt meiner Entwicklung: Der Glaskolben ist mit dem Gewindeteil durch einen luftdichten Bajonettverschluss verbunden. So kann man den Kolben abziehen. Der Glühdraht ist um einen Isolator aus Glimmer gewickelt. Das kann schnell und leicht auf der Drehbank geschehen, denn man kann die Lampe mit Gegenspitze einspannen. Die Enden des Glühdrahtes sind verschraubt. So kann er schnell und unkompliziert ausgewechselt werden. Das war auch schon einmal nötig, der Draht war zu kurz und wurde daher zu heiß. Eine kleine Änderung in den Glimmerplatten und 1/2m längeren Draht beseitigten diese Schwierigkeiten. Der Drahtwechsel hat gerade mal eine halbe Stunde gedauert. Kein Vergleich zu der Originallampe! Die muss man nämlich wegwerfen. Ersatz? Keiner mehr lieferbar.

Mittlerweile habe ich auch eine Originallampe für die Schlagwerkuhr. Beide unterscheiden sich durch die Länge des Glühfadens, denn die Echappement-Uhr braucht weniger Temperatur.
Dementsprechend gibt es 2 Lampen, die ich entsprechend in Kleinstserie nachgefertigt habe.
Entwicklung der Uhren bei Junghans:
Auch Junghans hat diese Uhren weiterentwickelt, einmal zu höherer Betriebssicherheit und ein anderes Mal zu geringeren Kosten:
Einmal hat Junghans den Betriebskontakt geändert: So besaß die Uhr anfangs einen Kontakt, der sich selbst unterbrach: Er wurde einmal in der Minute eingeschaltet und hatte einen Hebel, der mit dem Kolben verbunden war. Wurde der gehoben, wurde der Kontakt sofort unterbrochen. Vorteil: Geringer Stromverbrauch. Nachteil: Komplizierter Kontaktaufbau mit Edelmetallen und vielen beweglichen Teilen.
Später wurde der Kontakt nach genau 3 Sekunden wieder ausgeschaltet, egal, ob der Kolben gehoben wurde oder nicht. In jedem Falle ist der Kontakt preisgünstiger in der Gestaltung. Möglicherweise ist er sogar betriebssicherer.
Nach einigen Jahren hat Junghans auch den Zylinder geändert: Zu Anfang waren die Zylinder aus Glasröhren gezogen und dadurch innen sehr glatt. Die Glasröhre wurde in einen Messingzylinder eingeklebt. Der Kolben war dadurch sehr leichtgängig. Mitte 1932 wurde das geändert, dann hatten die Uhren nur noch einen Messingzylinder. Das funktionierte auch, war bestimmt billiger, denn ich kann mir denken, dass die Glasröhren nicht unbedingt maßgenau in der Herstellung sein konnten. Daher mussten die Kolben gepaart werden. Das war bei der Zylinderherstellung mit der Drehbank nicht unbedingt nötig.