Bauhaus, nicht Baumarkt

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soaringjoy
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Bauhaus, nicht Baumarkt

Beitrag von soaringjoy »

Hallo Forumsmitglieder!

Die Liste der Bauhausschüler ist lang, aber nicht endlich.
Um so länger wäre die Liste der Designer, die sich auch später
noch am Geiste des Bauhaus orientierten und es immer noch tun,
man denke nur an Braun, Dual, Porsche.
Der Freischwinger-Stuhl B 55 von Breuer wird heute noch von
Thonet produziert. Warum wohl?

Man möge einmal in Betracht ziehen, dass unser heutiges Leben,
wie wir es kennen, ohne die Pionierarbeiten des Bauhaus anders
aussehen würde.
Sehr viele Gegenstände des täglichen Lebens gehen auf Bauhaus
Innovationen zurück, insbesondere das Prinzip "form follows function".

In einer Zeit der Unruhen und der bürgerkriegsähnlichen Zuständen,
hat es der Begründer des "Staatlichen Bauhaus in Weimar", Gropius, geschafft,
namhafte Künstler und Entwickler aus ganz Europa zusammen
zu bringen, die unter anderem eine ganz neue Lehre vertraten:
Nämlich die, dass sich die Studenten auch mit den ursprünglichen Materialien
auseinandersetzten und deren Be- und Verarbeitung erlernten, bevor sie etwas schufen.
Es waren die "super brains" der damaligen Zeit und sie wurden vom
bürgerlichen "Deutschen Michel" mehr oder weniger belächelt oder gar
mit Argwohn betrachtet.
In den Jahren 1919 bis 1933 war es schwer, "anders" zu denken und
die Nazis schlossen dann auch das Bauhaus - und steckten einige
Bauhäusler ins KZ - schließlich waren sie doch "entartet".
Schließlich erlaubten sich diese Leute doch auch, offen die Politik
anzuprangern in Form des satirischen "Dadaismus", der offenbarte,
dass auch der "Groß-Dada" eigentlich nur Bla-Bla redete.

Jedenfalls haben Ideen und Entwürfe des Bauhaus nicht zuletzt nach dem
Zweiten Weltkrieg das Qualitätsmerkmal "Made in Germany" maßgeblich mitgeprägt.
Der Begriff "Bauhaus" ist weltweit bekannt und anerkannt.
Er zeugt, zumindest aus gegenständlicher Sicht,
von Formenschlichtheit und Qualität der Materialien.
Bauhaus-Formen sind Klassiker und bleiben Klassiker, völlig egal, ob sie damals
oder heute produziert wurden.
Sie sind, um es auf einen Nenner zu bringen "zeitlos" und keiner schnelllebigen
Schnicki-Schnacki-Moderichtung unterworfen.

Heute ist es für Studenten wieder eine begehrte Ehre, an der
Bauhaus Universität in Weimar studieren zu dürfen und das ist
gut so.

Die Gesamtthematik füllt Bücher - ich wollte es nur mal auf's Trapez
bringen und gegebenfalls ein Interesse wecken.

J.
"tempus nostrum"
petsch
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Beiträge: 1862
Registriert: So 15. Aug 2010, 18:10

Re: Bauhaus, nicht Baumarkt

Beitrag von petsch »

Ja, Bauhaus. Interessantes und wie ich finde oft schönes Design. Allerdings teilt nicht jeder diesen Geschmack. Vielen ist zum Beispiel gerade die Architektur zu kalt und industriell.
Handelt es sich doch auch um aus der industriellen Fertigung entstandene Formen.

Ich kenne es hauptsächlich aus meiner ursprünglichen Ausbildung , also aus Architektensicht. Walter Gropius als Direktor, zum Ende Ludwig Mies van der Rohe, beides Architekten, die in Amerika später zur Architektenelite gehörten.

Mein Liebling war eine zeitlang der Wassily oder B3, ein weiterer Stuhl oder besser Sessel von Marcel Breuer (entworfen für das Haus von Wassily Kandinski, dem Maler), der meiner Frau mit der Zeit leider zu unbequem im Wohnzimmer wurde so dass sie ihn zu meinem Leidwesen verbannte. Besucher, die den Stuhl nicht aus der Literatur kannten, konnten kaum glauben, dass das ein Entwurf aus den 20er Jahren war.

Ich sehe den Stil des Bauhauses als Reaktion auf den verspielten Jugendstil und besonders als gekonntes Zusammenspiel von Kunst und Handwerk oder Industrie. Kunst und Handwerk waren auch gleichberechtígt im Bauhaus könnte man sagen, denn als Lehrende gab es die Formenmeister, sozusagen die Künstler und die Werkmeister, also das Handwerk.

Danke Jürgen, dass Du das Thema angeschnitten hast. So kann man auch in einem Uhrenforum etwas für seine Allgemeinbildung tun und außerdem ist das Thema ja im Moment sehr aktuell bei den ebayangeboten und dann ist es gut zu wissen wovon die Rede ist.

Gruß
Peter
Zuletzt geändert von petsch am Di 7. Dez 2010, 21:32, insgesamt 2-mal geändert.
Falls Du Dich spezieller mit Taschenuhren beschäftigen möchtest, besuch doch auch das pocketwatchforum :
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Felix18
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Re: Bauhaus, nicht Baumarkt

Beitrag von Felix18 »

J., ist aus meiner Sicht schon richtig, das die beiden Wegbereiter Gropius und van de Velde einen Stein zum rollen gebracht haben, von dem wir in der heutigen Zeit profitieren können, weil dessen Grundgedanken einige ihrer "Schüler" in ihrem Sinne weiter gedacht,gelebt und vielleicht vervollkommnet haben.
Auf der anderen Seite scheint das aber für manch einen Architekten oder Formgestalter zum Freibrief geworden zu sein und wenn es denn doch nicht so bei den Leuten an kam, war es eben in der heutigen Zeit Kunst.
Wahrscheinlich bin ich so ein, sagen wir mal halber "Deutscher Michel", denn es wird immer eine Geschmacksfrage bleiben, welche Formen und dazu verwendete Materialien einem besonders gut gefallen, also es wird auch weiterhin im "Sinne des Betrachters" liegen.
C.


*Sapere aude*
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soaringjoy
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Re: Bauhaus, nicht Baumarkt

Beitrag von soaringjoy »

Ja, es ist richtig, dass es eine Frage des subjektiven Geschmacks
ist, wie vieles.
Bauhaus war ja nicht nur ein Gegenpol zum wieder aufgelebten
"Retro-Jugendstil", sondern auch zum Art Deco, welches ich z.B.
nicht sonderlich mag.

Aber Bauhaus-Stil war ganz sicher innovativ und revolutionär, wirkt
auch heute nicht "altbacken".
Das ist die eigentliche Kernaussage.
Wenn Menschen aus etwas "Gutem" nicht unbedingt etwas "Besseres"
machen, ist das wieder etwas anderes. ;)

Meine Wagenfeldleuchte gebe ich jedenfalls nicht wieder her. :D

J.
"tempus nostrum"
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