Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
Grassi
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von Grassi »

Hallo Thomas, nein, der Herr Ermert bin ich nicht- aber toll, was du da über den Uhrmacher Piepkorn herausgefunden hast! Herzlichen Glückwunsch!
Ein wunderbarer Blick zurück über 200 Jahre, und so miese Schurken gabs auch damals schon.

Ich kann mir zwar schlecht vorstellen, wieso ein Uhrmacher oder irgendein anderer Bürger einen Wagen mit doch wertvollem Inhalt so abstellt, dass daraus Sachen gestohlen werden konnten. Sogar ein Trokar für einen Pansenstich war dabei, so gar nicht Uhrmacherwerkzeug, aber wer weiß schon Näheres über die Umstände?

Ich bin sicher, dass deine neue Uhr ein älteres Werk vor 1800 hat, der Kasten aber viel später dazugebaut worden ist.
Der Kasten trägt ganz eindeutig die Handschrift der Zeit um 1850, typisch sind die verschnörkelt geschwungenen Rahmen der Tür, die nach Art eines Napoleonhuts geschwungene Bekrönung des Kastens, die sehr simple Bauart in massiver Eiche oder Esche, und dann die eher plumpen Fitschen an den Türen: das alles deutet darauf hin, dass dieser Uhr um 1850 ein damals modernes Gehäuse verpasst worden ist, weil entweder das originale unmodern war, zerstört worden war, z.B. bei einem Feuer in der Hektik nur das wertvolle Werk gerettet werden konnte-es gibt viele Gründe für solche älteren Werke in jüngeren Kästen. Sowas ist mir schon sehr oft untergekommen, gerade um 1800, da sich die Geschmäcker und Moden vor 1800 und danach doch sehr stark geändert hatten.

Eindeutig ländlicher Herkunft, passt der Kasten sehr gut nach Hinterpommern, weswegen ich mit der von dir gefundenen Quelle die Herkunft und den Uhrmacher als gesichert ansehe.

Interessant ist jetzt noch die Frage, ob und wie ein Uhrmacher aus Hinterpommern an ein Zifferblatt von der Manufaktur Louis Buzat & Comp in Friedrichsthal bei Berlin kommen konnte, immerhin waren es etwa 380 Km bis Berlin.

Sicher gab es zu dieser Zeit viele reisende Händler, die im speziellen Fall für Uhrmacher weitab von großen Städten Furnituren, Beschläge, Zugfedern, Triebe, Messingbleche, Zeiger, Glocken, Zahnräder, Anker, Hebel und weitere Teile im Angebot hatten, und die sicher auch Bestellungen für emaillierte Zifferblätter aufnahmen und an die Hersteller in Friedrichsthal übermittelten.
Bei der nächsten Reise in ein paar Monaten konnte dann das fertige, aber ungebohrte Zifferblatt dem Besteller ausgeliefert werden.
So könnte es in diesem Fall sehr wahrscheinlich gewesen sein.
Freue mich drauf von dir zu hören, ob das wunderschöne und gut erhaltene Zifferblatt aus Friedrichsthal stammt!
Grassi
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von Grassi »

Hallo Thomas, ich hoffe dass ich dich nicht vergrätzt habe mit meinem Beitrag- und dir die Nachricht, dass das Werk deutlich älter als der Kasten ist, so missfällt, dass du nicht mehr antwortest.
friedrichsthaler
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von friedrichsthaler »

Hallo Grassi,

alles bestens, war nur etwas in Zeitnot. Ich freue mich über deine Einschätzung und ziehe den Hut vor deinem Fachwissen. Die Geschichte der Piepkorn Uhr wurde und wird damit sogar noch interessanter finde ich, vielleicht musste der Kasten nach der Napoleonischen Besatzung Preußens neu gefertigt werden. Mittlerweile konnte ich mit Hilfe sehr freundlicher Mitarbeiter des Pommerschen Landesmuseums sowie des Muzeums Slupsk in Polen weitere Details in Erfahrung bringen

Im Buch "Materialien zur Bevölkerungskunde Pommerns, Stadt Stolp I" wird Friedr. Wilhelm Piepkorn aus Großbrüskow 1794 als Uhrmacher erwähnt.
Im Buch "Die Handwerker, Fuhrleute und Tagelöhner in Stolp im Jahre 1807" (Autor: Dr. Hermann Seils) wird ebenfalls der Uhrmacher Friedr. Wilhelm Piepkorn genannt.
Durch die zeitnahen Erwähnungen darf man annehmen dass der 1825 bestohlenen Uhrmacher Piepkorn aus Wartenberg ebenfalls Friedrich Wilhelm sein könnte.

Nach diesen Informationen war meine Neugier so groß dass ich heute das Zifferblatt demontiert habe.
Grassi, deine Vermutung ist nun Gewissheit, das Zifferblatt wurde von Luis Buzat gefertigt. Das passt ja auch zeitlich perfekt zusammen. Buzat ist im August 1782 aus Genf nach Friedrichsthal gekommen. Vom ersten Direktor Louis Truitte wird berichtet dass er auf Messen (zB. Leipzig) reiste um die Uhren abzusetzen, dabei die Erlöse veruntreute und 1783 entwich oder verstarb. Am 25. Oktober 1783 erhält Jaques Hovelac vom alten Fritz die Konzession als Leiter der Uhrenfabrik Friedrichsthal / Berlin.
Buzat könnte demnach zwischen 1782 und 1806 (napoleonische Besatzung v Preußen nach der Schlacht von Jena und Auerstedt) das Zifferblatt für Friedrich Wilhelm Piepkorn angefertigt haben. Die Frage wäre ob zu dieser Zeit in Pommern noch Uhrwerke nach so veralteten Methoden gebaut wurden oder ob ein altes Werk mit neuem Blatt und neuem Kasten komplettiert wurde??? Beachtenswert finde ich die Zieselierungen der Hebel am Werk die man bei montiertem Zifferblatt überhaupt nicht sehen kann.
Auf jeden Fall zeigt es dass Zifferblätte von Buzat um 1800 durchaus nicht nur in der näheren Umgebung Absatz fanden.

beste Grüße,
Thomas
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Grassi
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von Grassi »

Hallo Thomas,
schön, die Details zu der tollen STU zu sehen- leider sind die neuen Fotos sehr klein. Wäre schön, wenn du noch ein paar größere Fotos hier einstellen könntest, auf 300 pixeln Breite erkennt man nicht viel.

Die Zifferblätter von Buzat sind immer sehr schön, ganz besonders die großen von Standuhren.
Ich kenne noch eine Berliner Standuhr um 1800, die noch ihr originales Mahagonigehäuse besitzt und auch ein Buzat-Zifferblatt hat. Da gibts schon sehr viel Ähnlichkeiten zwischen den Z-Blättern.
Zifferblatt Haack Berlin.jpg
Zifferblatt Piepkorn Stolpe.JPG

Das Haack-Zifferblatt ist von einer komplizierten aufwendigen Standuhr mit Scherengang und Zentralsekunde.

Übrigens finde ich es keinen Gegensatz, an einem so rustikalen Uhrwerk ein so feines Zifferblatt zu finden, Uhren aus Hinterpommern waren halt ländlich geprägt. Da die Herstellung von großen Zifferblättern eine hoch komplexe Aufgabe war (und auch heute noch ist), die niemand in der Provinz meistern konnte, wurde eben das Blatt über einen reisenden Furniturenhändler bezogen, in diesem Fall sicher auch die Zahnräder, Triebe und womöglich auch die Hebel und die Glocke. Für mich deutet einiges darauf hin, dass der komplette Rädersatz aus England stammt, die massive Form der Vernietungen von Zahnrad und Trieb ist typisch für englische Produktion, ebenso die Schenkel der Seilrollen, die Form des Glockenhalters, der Auslösehebel für den Schlag wie auch die gesamte Datumsmechanik habe ich genau so ausgeführt oft in englischen Standuhren dieser Zeit gesehen.

Der Uhrmacher Piepkorn hat dann vermutlich die Platinen, Pfeiler und andere Teile beim Schlosser in Stolp schmieden lassen, mit Messingfuttern versehen, gebohrt und zum Schluss alles zusammengefügt und dann mit seiner Signatur verkauft.
Eine höchst interessante Geschichte, wenn man das mal aufzudröseln versucht!
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friedrichsthaler
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von friedrichsthaler »

Eine sehr schönes Zifferblatt von Haack. Tagesanzeige und Sekunden sieht man sehr selten, Es wäre interessant das Werk im Gehäuse zu sehen, könntest du ein Bild senden? Der dritte Aufzug ist für den Vietelstunden Schlag?

Die Zeiger erinnern an meine Mahagoni Standuhr mit koaxialen Viertelstundenschlag... wegen dem interessanten Schlagwerk an dem ein Hämmerchen zwei Glocken schlagen kann benötigt die Uhr nur 2 Aufzüge. Das Zifferblatt mit römischen Ziffern hat Buzat leider nur rückseitig signiert. Die Fertigung wurde jedoch von Profis der Bauweise und Feinheit der Arbeit nach mindestens aus dem Umfeld von Möllinger zugesprochen. Fotos der Uhr hast du hier neulich eingestellt.
Eine einfachere Brethschneider Uhr mit Datum, Birken Gehäuse, Schinkeldach und Messingbekrönung hat ebenfalls ein Buzat Zifferblatt.
Das Higligth für mich ist eine kleinere Vasenpendule von Hovelac mit farbigem Buzat Zifferblatt in ovale Form.

Interessanter Weise gab es (laut Alfred Chapuis) zu Lebzeiten von Buzat eine Befragung unter den berliner Uhrmachern zu seinen Zifferblättern, alle sagten dass sie zwar von feiner Qualität seien jedoch war vielen der Preis zu hoch so dass sie von anderen Herstellern die Zifferblätter bezogen. Dennoch hat er offensichtlich beachtliche Stückzahlen produziert.

Die Bilder habe ich jetzt in Jpeg bei möglichst kleiner Komprimierung angehangen, hoffe sie sind dadurch detaillierter.
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Grassi
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von Grassi »

friedrichsthaler hat geschrieben: Sa 1. Jun 2024, 22:12 Eine sehr schönes Zifferblatt von Haack. Tagesanzeige und Sekunden sieht man sehr selten, Es wäre interessant das Werk im Gehäuse zu sehen, könntest du ein Bild senden? Der dritte Aufzug ist für den Vietelstunden Schlag?
Hallo Thomas, hier zwei Bilder von Werk und Kasten.
STUHaack.jpg
STUHaackwerk.jpg
Und ja, der dritte Aufzug ist fürs Viertelstundenschlagwerk. Das Werk ist recht kompliziert, leider hab ich das Werk nur so fotografieren können, mit abgenommenem Zifferblatt wärs sicher noch sehr viel interessanter.
Buzat scheint fast sowas wie ein Monopol auf Zifferblätter gehabt zu haben, ich kenne sicher 30 Uhren mit solchen schönen Blättern, und das obwohl sich Uhrmacher über die deutlich zu hohen Preise beschwerten. Selbst nach Königsberg wurden diese verkauft:
Zifferblatt-Adamy.jpg
Oder auch nach Stallupönen:
Zifferblatt-Siede-Stallupönen.jpg
Und dieses hier aus Demmin dürfte auch Buzat gefertigt haben:
Zifferblatt-MarcDemmin.jpg
Das Ganze ist ein höchst interessantes Thema, und ich freue mich, dass Du ein so markantes und gut erhaltenes Zifferblatt und Werk aus Stolpe besitzt!
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friedrichsthaler
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von friedrichsthaler »

Hallo Grassi
Die Kombination der filigran gefertigten Zeiger mit der dekorativen Schrift/Ziffern wirkt sehr edel

Alfred Chapuis hat die Umstände und Schwierigkeiten der Berlin/Friedrichsthaler Uhrmacher sehr umfassend beschrieben. Demnach war Buzat noch 1793 auf einer Liste der Friedrichsthaler Uhrmacher, ist später auf eigenen Wunsch in die Fabrik Berlin Adlerstraße gegangen. Leider habe ich noch keine Quelle gefunden ob er oder doch der jeweilige Direktor der Fabrik (1782-83 Truitte / 1783-1802 Hovelac) die Preise für seine Zifferblätter festgesetzt hat. 1782 ist zusammen mit Buzat sein Schwager Paul George, Emaillierer von kleinen Zifferblättern nach Friedrichsthal gekommen. Hier ein kleines Zifferblatt das ungewöhnlicherweise mit Paul George a`Berlin signiert ist. Bisher habe ich noch nicht gehört das der Emailleur sich auch einem Zifferblatt verewigt hat. George soll nach tätlichen Streitigkeiten mit Buzat aus Friedrichsthal verwiesen worden sein, doch auch da gibt es widersprüchliche Angaben da er noch auf später gefertigten Listen geführt wurde.

freundliche Grüße
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Grassi
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von Grassi »

Hallo Thiomas,
was für ein wundervolles Uhrwerk, ein schönes Zifferblatt und solch eine Skelettierung hab ich noch nie bei Berliner Uhren gesehen.
Und die Signatur ist wirklich kurios, wenn George als Zifferblattmacher tätig war. Selten habe ich eine so feine dezente Signatur gesehen, die gefällt mir außerordentlich.
Ich bin sehr neugiering auf ein Bild der kompletten Uhr, wenn du magst auch gern per PN.

Von Alfred Chapuis habe ich bisher nur Bücher gefunden, die sich mit der Schweizer Uhrmacherei beschäftigen, da hat er jede Menge publiziert, welches ist das, in dem die Geschichte Buzats und Friedrichsthals beschrieben wird?
Leider kann ich kein französisch...und auf deutsch wird das sicher nicht geben, oder?
friedrichsthaler
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von friedrichsthaler »

....zur vollen Stunde ertönt jetzt wieder der Klang der nach Eisen aussehenden unmagnetischen Glocke.
Nach Bildbetrachtungen alter Uhrwerke konnte ich als Uhrenbegeisterter Laie den fehlenden Sperrhebel des Rechenschlagwerkes funktionstüchtig nachempfinden. Die flachliegende Form habe ich der Einfachheit halber gewählt damit der Hub des Hebels durch den rotierenden Nocken erfolgen kann.
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Bernhard J
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Re: Standuhr F.W.Liepkorn a Stolpe

Beitrag von Bernhard J »

Prima!
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