Ich stelle mich mal vor.

[Uhrenopa]

Hallo zusammen.

Zunächst einmal möchte ich mich kurz vorstellen.

Ich heiße Gregor und werde im Laufe dieses Jahres 80 Jahre alt.
Mein Hobby ist, außer Garten, Modelleisenbahn.
Ich habe, teils durch den Krieg, früh meine Eltern verloren und bin seit meinem 10. Lebensjahr bei meinen Großeltern aufgewachsen und damit komme ich
zur Sache:

Solange ich denken kann, hing diese Uhr, ein Freischwinger Regulator, bei meinen Großeltern an der Wand. Es verbinden mich also viele emotionale Ereignisse damit.



Der Kranz war ursprünglich ein Perlenkranz. Diesen hier habe ich frei gebastelt weil der Perlenkranz beim Brand unseres Hauses zerstört wurde.

Kurz zur zeitlichen Dimension:
Meine Großeltern wurden 1888 und 1889 geboren und haben 1911 geheiratet.
Nach dem Tod meiner Großeltern bekam ich diese Uhr.
Auf meine Fragen nach der Herkunft hieß es nur: „ Och, die war schon immer da.“

Im letzten Dezember blieb sie unerwartet stehen.
Das war für mich der Grund, sie einmal genauer zu untersuchen. Dabei habe ich sie mit einer speziellen Reinigungsflüssigkeit, die ich auch für die Modellbahn benutze, ohne sie zu zerlegen, gereinigt.
Auch das Gehäuse habe ich gründlich gereinigt und mit Schellack konserviert. Einige fehlende Teile habe ich ersetzt. Die beiden Zapfen habe ich nach Phantasie gedrechselt und die Rosetten bei einer einschlägigen Firma im Erzgebirge gekauft und farblich passend gebeizt.



Jetzt läuft sie seit zwei Wochen wieder ganz exakt.

So, nun wisst ihr alles über diese Uhr, was ich auch weiß, aber ich wüsste gerne mehr über sie.
Bei meinen Recherchen bin ich auf dieses Forum gestoßen und hoffe, dass vielleicht der Eine oder Andere mir etwas mehr über diese Uhr sagen kann.
Ein paar Detailfotos füge ich an.













Das Gehäuse ist Vollholz, vorne furniert und sieht auf der Rückseite sehr „unordentlich“ aus.
Auf dem hellen Fleck könnte einmal das Siegel von Bernhard Paschen gewesen sein.





Außerdem ist noch der Schriftzug „Kassel“ oder "Kayser"? zu lesen und mit Ölkreide „W 8 „



Das war jetzt ein langer Roman.
Vielen Dank für eure Geduld beim Lesen, über Antworten würde ich mich sehr freuen.

Viele Grüße
Gregor

[Barney Green]

Hallo Gregor, willkommen hier!
Ich bin jetzt nicht der Großuhrenexperte, aber ein paar Dinge kann ich vielleicht zu der Uhr beitragen.
Den Zusammenhang mit Bernhard Paschen hast Du ja schon herausgefunden, Paschen war meines Wissens allerdings Großhändler und hat die Uhren nichst selbst gebaut. Sie könnte von Gustav Becker stammen, aber da können hier andere sicherlich mehr sagen.
Auf dem Uhrwerk befindet sich ebenfalls die Punze von Bernhard Paschen und das Wort Patent. Sollte hier ein Zusammenhang sein, könnte sich das auf eine Erfindung von Paschen beziehen, ein Patent, dass am 30.6.1900 erteilt wurde. Dies war eine "Tragstuhlbefestigung unter Freilassung der Rückwand des Uhrgehäuses":

Paschen Patent.JPG

Auf den Fotos kann man das bei Dir jetzt nicht erkennen, ob das Patent zur Anwendung kam.
Paschen's Glockengong wurde jedenfalls 1898 und 1899 in Uhrmacherzeitschriten beworben.

Glockengong.JPG

Damit wäre eine Datierung ab 1900 gegeben. Da während des ersten Weltkriegs kaum Uhren gebaut wurden, und Deine Großeltern 1911 geheiratet haben, möchte ich die Uhr auch mal so ziemlich in dieses Jahr datieren wollen, ich vermute ein Hochzeitsgeschenk. Unsere Experten werden da aber sicherlich genaueres sagen können.

Übrigens könnte das hinten meiner Meinung nach auch S M anstelle von W 8 heißen, wobei W 8 in der Tat wahrscheinlicher ist.

Wenn Du das Werk gereinigt hast, solltest Du aber auch die Lager wieder mit einem nicht harzenden Öl ölen, da sie sonst trocken sehr leicht einlaufen können.

Barney

[Barney Green]

Und schon muss ich mich korrigieren, Paschen hat tatsächlich durchaus selbst Uhren produziert und nicht nur damit gehandelt.Insofern wird die Uhr schon eine Eigenproduktion gewesen sein.
Bernhard Paschen starb übrigens 1908, die Firma wurde 1919 kurz nach Ende des ersten Weltkriegs liquidiert, nachdem auch Otto Paschen 1915 im Krieg fiel.
Hier mal ein paar Anzeigen, die die Fabrik zeigen und die Produktion belegen:

1902:

Paschen 1902.JPG

1905:

Paschen 1905.JPG

1911:

Paschen 1911.JPG

1911 hat man sich aber wohl schon hauptsächlich auf elektrische Uhren sowie die Firmenschilduhren für Uhrmacher verlegt, wie ein Beitrag aus dem Jahr in einer Uhrenzeitung behauptet und die Anzeige auch zu belegen scheint. Also ist die Uhr vielleicht doch ein paar Jahre älter als 1911 und war kein Hochzeitsgeschenk?

[Uhrenopa]

Hallo Barney,

vielen Dank für die schnelle Antwort, sie ist schon sehr aufschlussreich.

Bei meinen Recherchen zur Firma Paschen bin ich einmal auf das Gründungsjahr 1872 gestoßen. An anderer Stelle war das Jahr 1900 genannt, das bezog sich aber bereits auf die Herstellung elektrischer! Uhren und „Arbeiter- Kontrollapparate“.

Soweit mir bekannt ist, war die Familie meiner Großeltern nicht gerade begütert, da wäre die Uhr bestimmt ein sehr großzügiges Hochzeitsgeschenk gewesen.
Eine andere Spekulation ist, falls die Uhr doch älter sein sollte, dass sie aus dem Besitz meiner Urgroßeltern an meine Großeltern übereignet sein könnte.
Mein Urgroßvater ist 1862 geboren.
Seltsam, dass ich erst jetzt, wo ich selbst schon recht betagt bin, dazu komme mal genauer nachzuforschen.

Viele Grüße
Gregor

PS: Ich habe gerade noch mal in der Vergrößerung nachgesehen Auf dem Uhrwerk (Bild5) steht "Patent 182442"

[Barney Green]

Hallo Gregor,

die 182442 wird die Seriennummer sein. Das deutsche Patent mit der Nummer 182442 wurde für einen Herren aus den USA erteilt und hatte mit Uhren überhaupt nichts zu tun (Verfahren zur Abscheidung von Tonerde).
1900 als Gründungsjahr stimmt definitiv nicht, es muss vor 1878 gewesen sein, also kann 1872 gut hinkommen.
Vor 1900 wurde die Uhr nicht gebaut und nach 1911 wohl auch nicht, darauf kann man sich schon einmal beschränken.
In einem Antiquariat gibt es für 110 Euro einen 1914er Katalog von Paschen, aber das ist viel Geld für einen Katalog, der die Uhr wahrscheinlich nicht enthält...

Barney

[Uhrenopa]

Aha, danke Barney.
Ja, diesen Katalog hatte ich auch schon entdekt, aber wie Du schon sagst - viel Geld für eine unsichere Sache.

Gruß Gregor