
Und genau deshalb habe ich diese Uhr gekauft. Öffnet man die Fronttüre, erschien genau das, was man erwartete: Ein etwas angelaufenes Uhrwerk und ein Pendel mit ausgeblichener, ehemals grüner Zierkordel. Also genau das, was man mit relativ geringem Aufwand schön zurechtmachen kann. Sogar die Pendelfeder erschien noch in Ordnung.

Zu Hause wurde die Uhr zunächst ansatzweise zerlegt, um den Aufwand abzuschätzen, den die Reparatur macht. Und da kamen – neben den erwarteten Schäden – die ersten unangenehmen Überraschungen:

Die erste hätte man ohne weiteres sofort und beim Kauf sehen können. Wäre aber nicht schlimm gewesen: Wie man erkennen kann, fehlte die komplette Halterung für die Axialbegrenzung des Ankers. Da ich aber schon eine ähnliche Uhr habe, war es kein Problem, die Teile dort auszumessen und nachzufertigen, zumal nichts davon gefräst werden musste. Die nachgefertigten Teile sind im nächsten Bild zu sehen, sie sind heller, weil vor der Reinigung des Uhrwerks aufgenommen.

Was mich etwas erstaunte, war der angebaute Widerstand, der den Strom durch die Pendelspule begrenzt. Es gab zwar Bulle-Clocks, welche original diesen Widerstand haben, aber diese Uhren gingen nur bis Werk-Nummer 2000. Danach wurde die Spule im Pendel von 750 Ohm auf 1150 Ohm geändert, sodass die Batterie länger halten konnte. Dazu dann später mehr.

Der Anker war natürlich verschlissen. Die Seite mit dem angenieteten Silberplättchen hatte stärkere Verschleißspuren als die Pertinaxseite:

In der Vergrößerung ist das deutlich zu erkennen. Also mussten 2 Plattchen angefertigt werden, ebenso die Befestigungsniete.
Auch die Pendelfeder war schon fast erwartungsgemäß nicht mehr original: Irgendjemand hat die Seidenbänder durch Isolierband ersetzt. Sehr stabil, aber es ergibt ein Rückstellmoment, was die originale Pendelfeder nicht hat. Dazu besitzen alle Bulle-Clocks die Isochronismusfeder – bis auf die sehr späten Modelle.

Auch hier wurde die Pendelfeder zerlegt und das Zwischenstück durch geeignetes Textilband ersetzt.
Als wenn das noch nicht genug gewesen wäre: Beim Zerlegen des Pendels kam mir eine halb abgewickelte Spule entgegen. Der Widerstand war 650 Ohm, also viel zu wenig. Das erklärt auch den Anbau des Widerstandes von oben.

Untypischerweise war diese Spule nicht auf einen Buchenholzkern gewickelt, außerdem war der Draht dicker als bei den anderen Spulen. Diese haben normalerweise 0,1mm, hier handelte es sich um einen Draht mit 0,12mm Durchmesser. Die Erklärung des geringen Widerstandes ergab sich beim genauen Blick auf die Spule:

Offensichtlich hat jemand bei der Montage des Pendels die Pendelstange so weit nach unten geschraubt, bis etliche Windungen der Spule durchtrennt waren. Da muss jemand ordentlich ins Schwitzen gekommen sein! Um die Uhr wenigstens wieder zum Laufen zu bekommen, hat er dann viele Lagen der Spule abgewickelt, bis er wieder einen Durchgangswiderstand messen konnte. Und ausgerechnet dieser Spulendraht war mit dem Spulenkern und einigen Textilfasern so verklebt, dass man keinesfalls den gesamten Draht abwickeln konnte.
Also musste ich einen Spulenkern aus Buchenholz neu anfertigen. Darauf kamen dann ungefähr 8500 Windungen von 0,12mm Lackdraht. So ergaben sich 1143 Ohm, eine sehr gute Annäherung an den originalen Widerstandswert.

Um den Spulenkern fertigen und die Wicklung aufbringen zu können, musste ich 2 Adapter anfertigen. Auch das Wickeln der Spule hat eine knappe Stunde gedauert, bei der man voll konzentriert arbeiten musste, damit der Draht sauber aufgewickelt wurde.
Der Erfolg gibt mir Recht. Jetzt läuft die Uhr wieder sehr genau und sieht wieder unbeschädigt und schön aus. Auch das Gehäuse ließ sich erwartungsgemäß sehr leicht reinigen, das Zifferblatt machte keinerlei Arbeit.
Frank