Zwei alte englische Marine Chronometer

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
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Aufzieher
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Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von Aufzieher »

Hallo,

Nachdem ich hier schon ein Weilchen mitgelesen habe und dabei viel Interessantes erfahren habe, möchte ich Euch mal um Hilfe bitten.
Von meinem Vater, der gelernter Uhrmacher mit eigenem Verkaufsgeschäft mit Reparaturatelier war, habe ich zwei alte englische Marine Chronometer. Da ich zwar selber nicht Uhrmacher bin, mich aber seit meiner Jugend für spezielle mechanische Uhren interessiere und auch ein Interesse für die (militärische) Seefahrt hege, habe ich immer mal wieder versucht, mehr über diese beiden Instrumente herauszufinden, vor allem in Büchern und im Internet. So bin ich auch auf Euer Forum gestossen und hoffe, hier Antworten auf die eine oder andere Frage zu Alter und evtl. Geschichte zu finden, oder zumindest Hinweise, wo ich solche Antworten finden könnte.

Zu den beiden Chronometern:
Das erste ist von John Fletcher, London und hat die Seriennummer 2215. Auf dem Zettel, der dabei ist, steht als Herstellungsjahr ca. 1849.
Ich denke, dass dies ungefähr stimmen könnte. Meine eigene Einschätzung stützt sich auf Angaben im Buch "Chronometer Makers of the World" von Tony Mercer, Ausgabe von 2004. Darin sind auf Seite 143 einige bekannte Seriennummern dieses Herstellers inkl. Jahrgang aufgelistet. Auch wenn die Nr. 2215 nicht explizit aufgelistet ist, würde ich das Herstellungsjahr entweder 1849 oder (wahrscheinlicher) 1850 einordnen.
Was denkt Ihr, könnte dies ungefähr stimmen?

Beim zweiten ist es etwas verzwickter. Es stammt von Dobbie, Son & Hutton, 113 Fenchurch Street, London. Er hat die Nr. 5453 auf dem Zifferblatt, und hier wirds interessant: Denn im Gehäuseboden innen und an mehreren Stellen im Werk ist immer die Nr. 1176 eingestanzt. Wo könnte diese Diskrepanz herrühren? Dobbie, Son & Hutton hat selber offenbar nautische optische Geräte (Sextanten usw.) und Kompasse hergestellt, jedoch keine Chronometerwerke. Offenbar haben sie die Werke komplett mit Gehäuse eingekauft, hauptsächlich beim bekannten Hersteller Thomas Mercer, und haben dann ihr eigenes Zifferblatt montiert. Könnten die unterschiedlichen Nummern daher kommen? War dies tatsächlich so, wenn das Werk auswärts eingekauft wurde, dass das Zifferblatt eine eigene Seriennummer hatte, die nicht mit derjenigen des Werkes übereinstimmte? Plausibel wäre es ja, aber wurde dies auch so gemacht?
Oder ist es viel simpler und das Zifferblatt wurde irgendwann bei einer Revision oder Reparatur einfach auf das Werk aufgesetzt, weil vielleicht das originale nicht mehr brauchbar war? Was meint Ihr?
Zum Alter: Auf dem Zettel, der dabei ist, steht ca. 1852. Ich halte dies für falsch, weil zu alt. Aufgrund der Angaben im oben bereits erwähnten Buch auf Seite 131 würde ich zumindest für die Komplettierung, also Montage des Zifferblattes auf das Werk ca. 1899 schätzen. Das Werk könnte ja evtl. auch etwas älter sein. Wer weiss, wie lange es bei Dobbie am Lager war, bevor es verwendet wurde. Was meint ihr dazu?

Ich würde auch gerne mehr über die Geschichte meiner beiden Chronometer erfahren, also z.B. ob und auf welchen Schiffen sie im Einsatz waren. Ich habe aber keine Idee, wie und wo ich sowas erfahren könnte. Alles was ich weiss ist, dass das Fletcher 1980 und das Dobbie 1979 bei der Firma Thomas Mercer in St.Albans revidiert wurden. Soviel ich weiss, gibts die Firma mittlerweile nicht mehr.

Ich hoffe, dass ich mit meinen Fragen eine spannende Diskussion anregen kann in deren Verlauf vielleicht die eine oder andere Antwort auftaucht. Vielleicht kann mir jemand zumindest einen Hinweis geben, wo ich meine Fragen noch stellen könnte. Gibt es z.B. andere Foren zum Thema, die ihr mir empfehlen könnt, z.B. ein englisches Forum? Ich bin für jeden Tipp dankbar.

Ein letztes noch: Ich beabsichtige nicht, die Chronometer zu verkaufen. Meine Fragen stelle ich aus Interesse für diese Instrumente, die ich auch als Erinnerungsstücke behalten möchte.
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Ursus
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Re: Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von Ursus »

"Beim zweiten wird es etwas verzwickter"

Das ist schön ausgedrückt. Dobbie & Son (Glasgow, 1842 - 1901) kauften Werke von Crisp, Dodds und Mercer. DS&H (London, 1877 - 1905) wohl nur Werke von Mercer. Wenn das keine getrennte Firmen waren, wird es undurchsichtig, denn die Nummernkreise sind vor allem bei D&S etwas undurchsichtig in meiner Ausgabe von Chronometer Makers of the World (1991). Wenn es ein Chronometer von Mercer ist, dann ist für die Nummer 1176 das Jahr 1866 angegeben. Da gab es die Firma DS&H aber noch nicht, wohl aber D&S.

Poste doch mal Bilder der Werke.

Ursus

P.S. Gratulation zu den beiden sehr schönen Chronometern
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Mahlekolben
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Re: Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von Mahlekolben »

Das sind mal zwei wirklich schöne Stücke - Glückwunsch!

Auch ich würde mich über ein paar Detailbilder freuen. Wenn Du da noch ein wenig Zeit investieren könntest...

(1849 und in DEM Zustand... TOLL!)
Viele Grüße

Michael
petsch
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Re: Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von petsch »

Hallo "Aufzieher" ,
und herzlich willkommen bei uns im Forum.
Und vielen Dank, dass Du uns gleich zwei so schöne Uhren mitgebracht hast.
Leider kann ich Dir nicht weiterhelfen. Im Bertele "Marine und Taschenchronometer" wird leider über beide Namen nicht viel geschrieben. Fletcher kommt, wenn ich nichts übersehen habe, nur im Bericht über Mercer vor. Und da wird geschrieben, dass Mercer eigentlich wegen vermeintlicher Aussichtslosigkeit in seinem Beruf in Lancashire nach Amerika auswandern wollte, aber irgendwie in London am Schaufenster von J. Fletcher vorbeikam und dass ihn die Chronometer faszinierten. Sie faszinierten ihn so, dass es zu einer Anstellung bei Fletcher kam und dass Mercer sich dann 4 Jahre später selbstständig machte. Mercer hat sozusagen bei Fletcher dazugelernt bevor er einen eigenen Betrieb gründete, der wohl zum größten Chronometermacherbetrieb weltweit wurde.

Zu Dobbie kann ich leider auch nicht mehr sagen, als das was Ursus geschrieben hast, bzw. was Du auch selbst herausgefunden hast.

Aber vielleicht kommen ja noch andere Kommentare.

Und wenn Du Erfahrung im Umgang mit Chronometern hast und das Werk selbst ohne Schaden ausbauen kannst, wäre ich auch für Fotos vom Werk dankbar. Dann kann man vielleicht in Bezug auf die Herkunft des Werkes etwas mehr sagen.

Gruß
Peter
Aufzieher
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Registriert: Mo 17. Aug 2015, 17:34

Re: Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von Aufzieher »

Zunächst mal vielen Dank für Eure Antworten. Die Werke hatte ich schon mal fotografiert. Die Bilder werde ich in einem nächsten Beitrag gerne posten.

Zum Beitrag von Ursus:
Die Firmen Alexander Dobbie & Son in Glasgow und Dobbie, Son & Hutton in London waren tatsächlich keine getrennten Firmen, sondern waren miteinander verbunden.
Einen Hinweis auf diese Verbundenheit liefert ja schon mein Chronometer 5453: Im Sekundenkreis steht in roter Schrift "Glasgow House, A. Dobbie & Son, 45 Clyde Place".
Auch im Buch "Mercer Chronometers" von Tony Mercer von 1978 finden sich Hinweise darauf. Wie es scheint hat sich der alte Hutton ("Old Hutton") beteiligt als Dobbie & Son nach London expandieren, bzw. dort ein Geschäft aufbauen wollten. (Damals war es wohl vorteilhaft und verkaufsfördernd, wenn man auf seinen Instrumenten eine Adresse in London aufdrucken konnte.) Das Stammhaus in Glasgow scheint von der Beteiligung aber nicht berührt worden zu sein, da es seinen ursprünglichen Namen behielt.
Interessante Anekdote aus dem Buch, in dem die Firmengeschichte von Mercer beschrieben wird, vor allem auch die Biographie des Gründers Thomas Mercer: Offenbar fuhr Thomas Mercer jede Woche freitags nach London in die Stadt, wo er sich mit Old Hutton in der London Tavern zum Lunch traf. Dies weist doch auf eine enge Geschäftsbeziehung hin und und darauf, dass Mercer wohl mehr oder weniger exklusiver Lieferant von DS&H war.

Zum Beitrag von petsch:
Das Buch von Bertele "Marine- und Taschenchronometer" von 1981 habe ich auch. Du hast nichts übersehen. ;)
Im bereits von mir erwähnten Buch "Mercer Chronometers" steht neben der ausführlichen Biographie von Thomas Mercer auch eine kurze Biographie von John Fletcher. Thomas Mercer war von 1854 bis 1858 bei Fletcher angestellt. Mein Chronometer 2215 wurde also noch vorher gebaut.
Im Abschnitt über Fletcher wird auch mit ein paar Sätzen auf einige technische Unterschiede zwichen den Werken von Fletcher und von Mercer eingegangen. Dazu kann ich vielleicht in einem nächsten Beitrag kurz was schreiben.
Aufzieher
Beiträge: 5
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Re: Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von Aufzieher »

Wie versprochen, will ich Euch auch ein paar Bilder der Werke zeigen.

Zunächst mal die beiden Werke in der Draufsicht zum Vergleich:
Oben das Werk von John Fletcher, unten das Werk aus dem Dobbie, Son & Hutton. Bei beiden seht Ihr unten rechts die eingestanzte Seriennummer.
Als erstes fällt natürlich der Grössenunterschied der Werke ins Auge: Während der Durchmesser der Zifferblätter bei beiden fast gleich ist (ca. 98 mm zu ca. 106 mm), ist das Werk von Fletcher erheblich kleiner. Es hat einen Durchmesser von gut 63 mm, dasjenige aus der D,S&H hat rund 82 mm.
Bezüglich Fletcher deckt sich dies mit den Angaben im Buch "Mercer Chronometers", das ich oben schon erwähnt hatte. In der darin enthaltenen Kurzbiographie über John Fletcher steht, dass seine frühen Werke mit 63.5 mm recht klein waren und er erst später grössere Werke produzierte, wie sie auch bei anderen Herstellern üblich waren.
Uebrigens waren auch die frühen Werke von Thomas Mercer mit 68 mm Durchmesser relativ klein, bevor er dazu überging die üblichen, etwas grösseren Werke zu produzieren.
In dem Buch werden noch weitere Merkmale erwähnt, die auch auf meinen Fotos gut zu sehen sind: Fletcher verwendete für die Federhaussperre Sperrrad, Sperrkegel und -feder aus Stahl.
Mercer verwendete dafür Sperrrad und -kegel aus Messing und verzichtete auf die Feder für den Sperrkegel.
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Aufzieher
Beiträge: 5
Registriert: Mo 17. Aug 2015, 17:34

Re: Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von Aufzieher »

Noch ein paar Ansichten des Werkes aus dem Dobbie, Son & Hutton Chronometer:

In dem Buch steht auch, dass Mercer bei der Bestigung des Chronometerfederfusses ("Detent foot") zusätzlich zur Schraube einen Pin verwendete. Fletcher verwendete keinen solchen Pin.
Meine beiden Chronometer weisen auch diese beiden unterschiedlichen Merkmale auf.

Aufgrund dieser und der im letzten Beitrag erwähnten Merkmale und der Tatsache, dass Thomas Mercer der Hauptlieferant für die Werke der von Dobbie, Son & Hutton verkauften Chronometer war, denke ich, dass dieses Werk mit grösster Wahrscheinlichkeit tatsächlich von Mercer stammt.
Was meint Ihr? Seht Ihr noch weitere Merkmale, die dafür, oder auch dagegen, sprechen?
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Aufzieher
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Re: Zwei alte englische Marine Chronometer

Beitrag von Aufzieher »

Die einzigen schriftlichen Dokumente, die ich zu den beiden Chronometern habe, sind diese beiden Ganggenauigkeitszertifikate. Sie enthalten leider auch keine weiteren Hinweise auf Alter oder Herkunft.

R. Matthews, der Mann, der die beiden Zertifikate unterschrieben hat, wird übrigens auch im Buch "Chronometer Makers of the World" erwähnt. (In der Ausgabe von 2004: Foto auf Seite 29 und Werdegang bei Mercer auf Seite 200)
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