Die Entwicklung der Räderuhren

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droba
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Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von droba »

Ich bin der Frage nach der ersten Erwähnung einer Räderuhr in der Literatur nachgegangen und dabei auf einige sehr interessante Hinweise gestoßen, die mir bisher in der Fachliteratur aber noch nicht begegnet sind.

Den frühesten Hinweis auf eine Räderuhr habe ich in einer Enzyklopädie des 18. Jahrhunderts gefunden („Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirthschaft“ von Johann Georg Krünitz, begonnen 1773).

Dort heißt es zur ersten Räderuhr (Zitat):

„Die erste Räderuhr übersandte Amiras, König in Persien, bekannter unter dem Namen Aaron al Raschid, (der 5. Kalife aus dem Geschlechte der Abassiden) durch seine Gesandten im Jahre 809 Karl dem Großen. Diese Uhr enthielt 12 Stunden und der metallene Zeiger war mit so vielen Kugeln eingerichtet, dass die Stunden darnach angezeigt wurden, indem nach der Anzahl der Stunden auch so viele Kugeln statt dem Stundenschlage in ein Becken fielen.
Die angebrachten Räder bewegten zugleich Figuren. Es sprangen nämlich nach geendigtem Stundenschlage 12 Reiter aus einer besondern Pforte hervor, welche mit ihren Spießen 12 andere offen stehende Thüren zustießen.“


Auch auf deutschem Boden wird in dieser Enzyklopädie eine sehr frühe Räderuhr erwähnt:

„Im Jahre 995 oder 96 verfertigte Gerbert zu Magdeburg eine große Uhr mit Rädern, Federn und Gewichten, woran sich zugleich die Bewegungen der Planeten, der Sonne und des Mondes im Jahre zeigten- sie wurde für eine Zauberuhr angesehen.“

Mein persönlicher Kommentar zu diesen frühen Textstellen:

Schon die Uhr, die an Karl den Großen im Jahr 809 als Geschenk ging, war mit einem Schlagwerk und sogar mit einem Automaten ausgestattet. Daraus lässt sich schließen, dass die eigentliche Entwicklung der Räderuhr schon deutlich vor dem Jahr 800 anzusetzen ist.. Und möglicherweise wurden weltweit die ersten Räderuhren auch in Persien entwickelt.

Kennt jemand andere oder sogar noch frühere Textstellen zur Entwicklung der Räderuhren?


droba
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wahli76
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von wahli76 »

Hallo Droba,

da lohnt sihcer der Kontakt mit Dr. Huber, dem Bibliothekar der DGC. Er ist telefonisch am Dienstag und Donnerstag erreichbar, ansonsten per e-mail. Kontaktdaten auf der DGC-Seite.

Viele Grüße

Kurt
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Ursus
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Ursus »

Das Geschenk an Karl den Großen soll eine Wasseruhr gewesen sein. Mit mechanischer Zeitanzeige, Automaten, etc.:
"Harun empfing auch eine Gesandtschaft Karls des Großen und schenkte dem Frankenherrscher einen indischen Elefanten namens Abul Abbas sowie eine kunstvolle Wasseruhr mit Stundenschlag und Automatenwerk.[2]" (Wikipedia)

Bei den Räderuhren müssen wir unterscheiden zwischen denen mit mechanischer Hemmung und Wasseruhren. Automaten gab es schon wesentlich früher: Heron von Alexandria baute solche bereist im 1. Jahrhundert AD.

Ursus
walter der jüngere

Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

für alle, die sich mit dieser Thematik vielleicht nicht ganz so intensiv beschäftigen bzw. schon beschäftigt haben:
Ich denke, hier muss vielleicht die Definition "Räderuhr" etwas weiter gefasst gesehen bzw. verstanden werden.
Denn: Nicht alle frühen "Räderuhren" enthielten ein Räderwerk nach heutigen Vorstellungen.
Und schon gleich gar nicht eine "Hemmung" im Sinne einer Räderwerkhemmung in heutigen Sinne.

In Zinner: "Aus der Frühzeit der Räderuhr" wird auf diesen Aspekt wie ich finde, sehr gut verständlich eingegangen.
Ebenso natürlich auch auf die Entwicklung der Räderuhr an sich.

Zu der hier aber gestellten Frage:
...Kennt jemand andere oder sogar noch frühere Textstellen zur Entwicklung der Räderuhren?


droba
Zunächst, da der islamische Bereich und die dortigen Uhren bereits angesprochen wurden:
Es gibt für bzw. im islamischen Bereich durchaus einige Erwähnungen sehr früher Uhren.
Auch finden sich dort Erwähnungen solcher Uhren, die ein Räderwerk enthalten.

Gute Literatur zu diesem Thema:
Eilhard Wiedemann: Über die Uhren in der islamischen Kultur (Halle, 1915).

Aber zum Beispiel auch in: Ian White: "English Clocks for the Eastern Markets" sind einige sehr gute Hinweise auf äußerst frühe (Räder-)Uhren zu finden.

Natürlich finden sich auch in zahlreichen anderen Büchern Hinweise auf frühe (Räder-)Uhren:

Zum Beispiel in Saunier: Geschichte der Zeitmesskunst (Verlag Hübner in Bautzen, 1903).
Darin wird im Zusammenhang mit der Geschichte der Entwicklung von Zeitmessinstrumenten davon berichtet, daß man Rollen und Räder schon 384 - 332 v. Chr. kannte. Und dies wird sicher deshalb von Saunier erwähnt, da er davon ausgeht, daß diese dann auch für die Anzeige der gemessenen Zeit verwendet wurden.
Siehe oben - der Begriff "Räderuhren" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht unbedingt, daß es sich hier um Uhren mit Räderwerken im heutigen Sinne handelt.

Oder zum Beispiel in Geißler: Der Uhrmacher - oder Lehrbegriff der Uhrmacherkunst -
werden ebenfalls Hinweise auf sehr frühe Räderuhren gegeben.
Hallo Droba,

da lohnt sihcer der Kontakt mit Dr. Huber, dem Bibliothekar der DGC. Er ist telefonisch am Dienstag und Donnerstag erreichbar, ansonsten per e-mail. Kontaktdaten auf der DGC-Seite.

Viele Grüße

Kurt
@ wahli76: Ich denke, da wird selbst Herr Dr. Huber einiges an Zeit benötigen, um all die diesbezüglichen Bücher auch nur auf den Tisch zu legen :D
Es gibt wirklich sehr viele Bücher, in denen man einzelne Hinweise zur Erwähnung früher Räderuhren finden kann. Und findet.


Walter d. J.

Nachtrag zu dem Posting von Ursus:
...Bei den Räderuhren müssen wir unterscheiden zwischen denen mit mechanischer Hemmung und Wasseruhren. Automaten gab es schon wesentlich früher...

Ursus
Genau diese Unterscheidung ist in der Bearbeitung dieses Themas m.E. sehr wichtig - sonst kann es zu bedauerlichen Mißverständnissen kommen.
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droba
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von droba »

Ursus hat geschrieben:Das Geschenk an Karl den Großen soll eine Wasseruhr gewesen sein. Mit mechanischer Zeitanzeige, Automaten, etc.:
"Harun empfing auch eine Gesandtschaft Karls des Großen und schenkte dem Frankenherrscher einen indischen Elefanten namens Abul Abbas sowie eine kunstvolle Wasseruhr mit Stundenschlag und Automatenwerk.[2]" (Wikipedia)

Ursus
Hallo Ursus, danke für diese Klarstellung !

Demnach ist die Angabe von J.G.Krünitz in seiner "Oekonomischen Encyklopaedie" für diese Uhr nicht präzise genug, sondern irreführend.

Aber bei der von ihm erwähnten Magdeburger Uhr scheint es sich eindeutig um eine mechanische Räderuhr mit Hemmung zu handeln. Und sogar mit einer Anzeige der Planetenstellungen! Ich habe von dieser Uhr bisher noch nie etwas gehört oder gelesen.

Gibt es in der Literatur über die Magdeburger Uhr weitere Hinweise ?

droba
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Ursus
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Ursus »

Informationen über die Wasseruhr Harun-al-Raschids:

http://klio.histinst.rwth-aachen.de/ext ... /index.htm

Frühe Wissenschaftler im Bereich Zeitmessung und Automaten:

Ktesibios aus Alexandria (Ägypten), altgriechisch Κτησίβιος ὁ Ἀλεξανδρεύς, war ein griechischer Techniker, Erfinder und Mathematiker, der in der ersten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. lebte (bl. 285 bis 222 v. Chr.).

Ktesibios wirkte unter Ptolemaios I. und Ptolemaios II. in der Bibliothek von Alexandria. Er gilt als einer der ersten Techniker überhaupt. Sein Schüler war vermutlich Philon von Byzanz. Seine Konstruktionen sind Heron von Alexandria sowie Vitruv bekannt. Im Barbiergeschäft seines Vaters soll Ktesibios einen höhenverstellbaren Spiegel installiert haben und dabei die Körperlichkeit und Arbeitsfähigkeit der Luft entdeckt haben. Sein Werk „Περὶ τῶν πνευματικῶν“ (Pneumatik) war wegweisend.

Als wichtigste Erfindungen gelten:

... Wasseruhr mit Zahnradgetriebe: Durch Wasserzulauf in ein geschlossenes Gefäß wurde mittels eines auf einem Korkschwimmer befestigten Zeigers (senkrechte Stundenskala) die Zeit gemessen. Durch Zahnräder an Zahnstangen wurden gleichfalls Figuren gedreht. Eine andere Version bewegte über Zahnräder auf einem drehbaren Zylinder die für jede Tageszeit berechnete Stundenanzeige. Ein Nachbau befindet sich heute im Deutschen Museum in München.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ktesibios

Heron von Alexạndria,

griechischer Mechaniker und Mathematiker des 1. Jahrhunderts n. Chr.; Heron wurde im Altertum in erster Linie als Mechaniker berühmt, so z. B. mit seinem mechanischen Theater und mit sich automatisch öffnenden Tempeltüren.

http://universal_lexikon.deacademic.com/249381/Heron_von_Alexandria

Ursus
steffl62
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von steffl62 »

Ich finde das eine sehr interessante Diskussion und möchte auch noch den Mechanismus von Antikythera hier erwähnen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Mechanism ... ntikythera
Wohl keine klassische Uhr, passt aber perfekt in das Zeitfenster von Ktesibios.

lg Christian
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!
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droba
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von droba »

Zugegeben, das ist alles auch sehr interessant, aber in diesem Fred möchte ich die Diskussion auf Räderuhren beschränken.

droba
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Ursus
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Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von Ursus »

droba hat geschrieben:... aber in diesem Fred möchte ich die Diskussion auf Räderuhren beschränken. droba
Alles über Antikythera bitte in diesen Thread:

http://www.dg-chrono.de/dg-chrono.de/fo ... 808#p26850

Ursus
walter der jüngere

Re: Die Entwicklung der Räderuhren

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

es gibt ja einige Bücher, in denen es mehr oder minder hilfreiche Hinweise zur Existenz, zum Aufbau usw. solch früher Räderuhren gibt.
Neben der Definition - was soll dazu gezählt werden*, was nicht, ist auch die Frage zu überlegen, ob sich die Suche auf ein spezielles Gebiet, oder wirklich weiterhin auf ganz allgemein die frühest datierte Nennung einer Räderuhr beziehen soll.
*Soll diese Uhr eine Räderwerkhemmung haben, oder ist es nur wichtig, daß sie Räder enthält?

Sobald eine Definition zur weiteren Suche vorgegeben wird, kann man versuchen, mehr dazu zu finden / zusammenzutragen.
Wobei die dazu findbaren Angaben dazu oftmals - für heutige Verhältnisse zumindest - etwas unklar bzw. mehrdeutig sind. Was auch daran liegen mag, daß diejenigen, die davon berichten, oftmals dies auch nur aus weiter Ferne bzw. aus großem zeitlichen Abstand heraus taten. Jedenfalls ist dem so, soweit es den deutschsprachigen Literaturbereich betrifft. Ob in einzelnen Schriftwechseln (die vielleicht primär gar nicht so viel mit Uhren zu tun haben) auch Hinweise auf solche Stück enthalten sind - ich würde es fast vermuten. Vielleicht sind solche Textstellen sogar zeitlich und räumlich näher am Geschehen, als jene, die in der eigentlichen, aber eben viel später erst dazu entstandenen Uhrenliteratur zu finden sind.
Es wäre also sicher sehr interessant, Bibliotheken aus den jeweiligen Ländern (in denen solche Uhren vermutlich entstanden) dazu zu kontaktieren bzw. sogar dort vor Ort dazu zu recherchieren.
Vielleicht kann sogar die DGC als Verein dieses Projekt in dieser Hinsicht (Hilfe bei der jeweiligen Kontaktaufnahme) etwas zu unterstützen versuchen. Recherchierende Privatpersonen haben es da oftmals nicht so leicht, wie Institute bzw. Institutionen.

Jedenfalls würde ich auch mich sehr freuen, wenn die Diskussion zu diesem Thema hier weitergeführt würde.

Walter d. J.
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