Jahresuhr aus ca. 1920 mit Kieninger & Obergfell-Werk aus 1912.
Hier habe ich erstmal gestutzt: Ein Gehäusepodest, dass auch gleich als Wandhalter dienen kann, Bauhaus-Ziffernblatt und ein altes Werk. Passt das zusammen?
Eigentlich nicht. Denn auch der Werkstuhl hat einen anderen Lochabstand, als das Werk. Und das Werk war Messing und auch nicht silbern, wie eigentlich bei solchen Uhren üblich.
Da die Uhr in einem fast zerlegten Zustand bei mir ankam, war das nicht gleich erkennbar. Nach öffnen der Wandhalterung dann eine Uhrmachermarke aus 1944! Damit war klar, wann das Werk wahrscheinlich getauscht wurde, da zu dieser Zeit sicher keine Ersatzteile zu erhalten waren. Irgendein Werk aus der Fundus-Kiste und die Uhr lief wieder. Nun, meine Aufgabe war nun, das alles wieder zum Zählen der Zeit zu bewegen und auch etwas ansehnlicher zu machen. Frisch ans Werk!
Der Sockel ist mit Schelllack lackiert. Das kann man auffrischen, indem vorsichtig mit Spiritus abgewischt wird. Damit geht der Staub der Jahrzehnte sicher runter. Aber VORSICHT: Der Schelllack wird angelöst! Macht man es gut, werden auch Risse wieder verschlossen, diese bleiben aber schwach sichtbar. Dann ans Werk. Alles zerlegt, ab ins US-Bad und dann die Polierarie. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Zapfen und Lager geputzt und poliert, Feder aus dem Haus (oh Graus, wie sah die nur aus) und mit Waschbenzin vom Dreck befreit. Gefettet und ins gereinigte Haus wieder eingewunden. Das Werk zusammengesetzt.
Jetzt das Problem: Die Pendelfeder. Da auch das Pendel nicht zum Werk gehörte und die Ansicht ja vernünftig sein sollte, hatte ich keinen Anhaltspunkt, welche Feder ich nehmen muss. Also die grauen Zellen auf trab gebracht und entschieden, es könnte eine NIVAROX 0,008mm tun. Die Feder war wie erwartet noch zu stark. Für 8 Beats 0,52 Sekunden. Also wieder abnehmen und Schleifen war angesagt. 5 Mal diese Prozedur (lieber Vorsichtig! Denn Dranschleifen geht nicht!) und die Zeit war bei 1,0 angekommen. Den Rest kann ich jetzt mit dem Pendel regulieren. Voraussetzung ist aber, dass vor Beginn der Schleiferei beim ersten Messen mit der Stoppuhr das Pendel möglichst genau in der mittleren Position des Durchmessers ist. Sonst kann es bei Feinregulieren eine böse Überraschung geben. Jetzt alle zusammen und noch ein Bild: Gut sieht sie aus, diese alte Dame. Und wenn man ihr nicht hinter die Fassade schaut, sieht man auch nicht den falschen Körper
