KOMA Jahresuhr ca. 1954 wieder aufgebaut.

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Der_Stromer
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KOMA Jahresuhr ca. 1954 wieder aufgebaut.

Beitrag von Der_Stromer »

Zur Abwechselung mal wieder eine Jahresuhr.

Hersteller: Konrad Mauch (KOMA), Gegründet 1920 als „Mauch & Frick“ in Schwenningen, noch tätig 1976. Jahresuhren wurden ab 1928 hergestellt.

Die hier vorgestellte ist nicht so alt. Platine 1392 nach Terwilliger, ab 1954 gebaut. Es handelt sich um das Uhrwerk „Miniatur“. Wobei ich mich frage, was an dieser Uhr eigentlich „Miniatur“ ist.
3644-Marke.JPG
Die Uhr hat ein rechteckiges Gehäuse, Geschliffenes Glas vorn und an den Seiten, hinten eine Tür. Das alles sah eigentlich recht schön und sauber aus, wenig Arbeit????
3686-Fertig.JPG
Nun zu den Besonderheiten der Uhr: Durch die Bauart des Gehäuses (es ist fest mit der Bodenplatte verschraubt und kann nicht abgenommen werden) kann die Zeit nicht wie bei anderen Jahresuhren über das Ziffernblatt gestellt werden, sonder hier von hinten durch einen Steller. Auf die Unterschiede zwischen den Modellen (early) & (late) habe ich ja schon hingewiesen, brauche ich also nicht wiederholen.

Das Problem trat erst richtig zu Tage, als die Reparaturen losgingen.

Als erstes wird immer die Gangfeder abgelassen. War hier nicht nötig, da keinerlei Kräfte am Schlüssel zu spüren waren.
Nur, beim drehen des Aufzugsschlüssel drehten sich die Räder im Werk, ohne das sich auch die Zeiger bewegten. Was war denn das? Wo ist die Hemmung? Und ein ungutes Geräusch obendrein. Ein Blick und das Problem wurde sichtbar: Jemand hatte das Werk falsch zusammengesetzt.
3647-Verkehrt-herum.JPG
3648-Falsch-montiert.JPG
Zweites Problem beim vorsichtigen Weiterdrehen: Karies am Federhaus und eine verbogene Welle des ersten Rades.
3649-Karies-am-Federhaus.JPG
3650-Feder.JPG
Na, das kann ja heiter werden.

Also das Werk aus dem Gehäuse genommen. Dazu erst den Deckel oben abnehmen, dann die Scheiben und die Tür abgenommen und erst dann das Werk vom Stuhl geschraubt. Sonst wird das nichts.
Das Werk zerlegen war dann nur noch Routine. Große Augen gab es dann aber nach öffnen des Federhauses: Ein Salat aus kleinen Federteilen und ein zerstörter Federkern. Dazu der Karies und die verbogene Welle…. Da hat es ganz schön gekracht, als der Verursacher das Werk ohne Abspannen der Feder geöffnet hat. Hoffentlich hat er sich dabei nicht schwere Blessuren zugezogen!

Also die Ersatzteile in USA bestellt. Beruhigende Nachricht: Alles lieferbar. Natürlich hätte man das Federhaus auch reparieren können. Aber ich nehme bei Jahresuhren lieber Abstand davon, da hier doch um einiges mehr an Kraft drauf einwirkt, als bei „normalen“ Uhren. Auch die Welle des zweiten Rades hätte man richten können. Aber ebenso Problematisch, denn hier ein durch Biegen geschwächte Welle wieder einbauen ist ein großes Risiko. Und die Zugfeder bekomme ich sowieso nur in den USA. Die hier in Deutschland von einigen Geschäften angebotenen „spezielle Jahresuhrenfedern“ sind nach meiner Erfahrung alle - mit Verlaub gesagt - großer Mist, weil die Verkäufer keine Ahnung haben und hoffen, die Käufer hat auch keine.

Weiter waren bei dieser Uhr noch die Pendelfeder natürlich falsch, und dazu hat der Jemand noch versucht, diese Pendelfeder durch zusammenlöten zu reparieren! Ist mir auch noch nicht untergekommen, aber alles ist bekanntlich mal das erste Mal :mrgreen: .
3645-Cool-Geloetet.JPG
Und hier die Anpassung der Pendelfeder. Meistens klappt es nicht, die Gelieferte Pendelfeder einfach nur Einbauen. Ich nehme immer eine Strärke mehr. Denn Abschleifen, bis die Pendelfeder passt, geht immer. Ist sie aber zu dünn, ist das Ärgerlich, dann ist das "Verschnitt" und wird entsogt.
3668-Anpassung-Pendelfeder.JPG
Und die Graham-Hemmung mit verstellbaren Paletten hemmungslos verstellt. Sonst war aber alles in Ordnung und ich wunderte mich, warum denn die Uhr nicht die Zeit gezählt hat.

Bevor nun die bestellten Teile den Deutschen Zoll passieren, hatte ich genügend Zeit (ca. wie gewohnt, 6 Wochen) erst mal alles ab ins US-Bad, Lager überprüft und die Platinen, Gehäuseteile, Räder, Lager und Zapfen Reinigen und Polieren.

Dann kam ein Brief vom Hauptzollamt, da wäre eine Sendung, die ich abholen könnte, gegen Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer. Also ins Auto und die Sendung abgeholt. Na ja. Habe ich ja schon Übung drin.
3301-Gelieferte-Teile.JPG
Nun ohne Hemmung an die Hemmung. Bei diesem Werk (Uhrmacherfreundlichst) wird das Ankerlager durch einen Extender hinter dem Ziffernblatt eingestellt. Auf der hinteren Platine hat das Ankerlager eine feste Position durch eine Brücke, aber die Brücke ist abnehmbar, damit man den Anker ausbauen kann.

Zuerst mal die Ankerweite und die Weite der Paletten gemessen und grob neu eingerichtet (alle 2 Paletten waren um ca. 1,5mm zu tief und damit stimmte die Weite schon mal nicht mehr mit den Hemmradzähnen überein. Es klemmte und die Hebefläche fiel nicht hinter den Zahn, sonder drauf). Zum Glück waren die Zähne des Ankerrades nicht beschädigt.

Nach dieser „Vermessung“ dann über den Daumen die Eingrifftiefe eingestellt und – oh Wunder – die Hemmung hemmte (fast) richtig.
3669-Probelauf.JPG
Nach Ölung und Testlauf über 7 Tage habe ich sie (die Uhr) dann vorsichtig (vorher Feder entspannt) verpackt und zurück zum Besitzer.
3686-Fertig.JPG
Ich L I E B E solche Uhren!
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Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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wahli76
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Re: KOMA Jahresuhr ca. 1954 wieder aufgebaut.

Beitrag von wahli76 »

Hallo Rolf-Dieter,

bewundernswert, wie du diese Uhren immer wieder "revitalisierst". Gratuliere, und viel Freude damit.

Viele Grüße

Kurt
besra
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Re: KOMA Jahresuhr ca. 1954 wieder aufgebaut.

Beitrag von besra »

Hallo Rolf-Dieter,

auch auf die Gefahr hin, dass ich mich bei den Antworten auf Deine Beiträge wiederhole:
Ein schöner, interessanter Bericht, ein schöne Uhr und eine ganz tolle Arbeit von Dir!
Eigentlich muss es Dir doch jedes Mal weh tun, so ein Schätzchen wieder aus der Hand zu geben. Auf der anderen Seite: Auch Dein Platz wird irgendwo begrenzt sein und so viele Uhren, wie Du schon repariert hast, wirst Du vielleicht gar nicht aufstellen können. Und außerdem: Einen Erfahrungsschatz, wie Du ihn Dir durch die Reparaturen angeeignet hast, kann Dir weder jemand nehmen noch könnte man ihn sich für alles Geld der Welt kaufen. Also, Hut ab!

In diesem Sinne hoffe ich, dass Du auch im Neuen Jahr so weiter machst und uns an Deiner Arbeit teilhaben lässt! Alles Gute!

Viele Grüße
Bernd
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Der_Stromer
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Re: KOMA Jahresuhr ca. 1954 wieder aufgebaut.

Beitrag von Der_Stromer »

:? Ja, tut mir auch immer Leid. Zumal man (ich) ja nicht weiß, was dann mit der Uhr geschiet.

Aber ein wenig stolz bin ich schon, wenn so eine malträtierte Uhr wieder bereit ist, die Zeit zu Zählen und auch ansehnlich geworden ist. Ich hege dann immer die Hoffnung, das auch der Besitzer meine Arbeit zu schätzen weiß :roll: .

Und jetzt wünsche ich allen einen guten Rutsch ins Jahr 2015 und bleibt gesund!
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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