Eine echte Rarität:
Jahresuhr aus (ab) 1908 von der Jahresuhrenfabrik in Triberg, später Aug. Schatz & Söhne.
Eine Rarität ist diese Uhr, weil dieses Gehäuse auch von der Jahresuhrenfabrik so hergestellt wurde. Dazu muss man wissen, dass die meisten Gehäuse für Jahresuhren zugekauft wurden. Diese Form aber nicht.
Zum Gehäuse selbst: Vorne und Hintern Türen mit geschliffenen Glasscheiben, an den Seiten ebenfalls geschliffene Scheiben. Das Unterteil und das Oberteil sind Messing Brüniert und dazu passend auch die Türrahmen und die Einfassungen der Seitenscheiben.
Das Oberteil besteht aus zwei Teilen, der Halter für das hängend angebrachte Werk der sich auf die Halterungen der Glasscheiben stützt, und das Dach, das mit 2 Schrauben von unten am Werkhalter verschraubt ist. Weil diese Befestigung nicht gleich gesehen werden kann, werden diese Uhren meist falsch demontiert, was zu Beschädigungen führen kann.
Was war nun mit dieser Uhr?
Der erste Eindruck: Eine Ölsardine mit zerstörter Pendelfeder.
Beim näheren Hinschauen zeigte sich dann auch, dass da mal ein Uhrkaputtmacher zu Werk gegangen ist. Der obere Lagerblock und die Montierungen der Pendelfeder waren verbogen und mit arger Gewalt zugerichtet.
Das war nicht einfach, dieses doch recht dicke Messingteil wieder in die richtige Form zu bringen. Die Pendelfeder war natürlich zerstört, was nicht anders zu erwarten war.
Also erst einmal alles zerlegt und ab ins US-Bad. Das Fett verabschiedete sich und die Platinen und Räder glänzten schon mal etwas freundlicher.
Jetzt das Gehäuse vorsichtig ebenfalls gereinigt. Keine scharfen Mittel, sonst würde die Brünierung gleich mit verschwinden und das musste verhindert werden. Ich glaube, das ist mir ganz gut gelungen!
Das Pendel gehört so nicht zur Uhr, obwohl es auch von der Jahresuhrenfabrik, ca. 1912, stammt. Aber zu diesem Gehäuse wurden immer Scheibenpendel geliefert.
Warum? Nun, Kugelpendel verändern ihren Durchmesser, wenn der Gang reguliert werden muss. Scheibenpendel machen das nicht. Und bei diesem Gehäuse ist der Platz an der hinteren Tür für ein Kugelpendel fast zu gering. Hier kann es, bei nicht richtig angepasster Pendelfeder, passieren, dass die Kugeln ganz leicht gegen die Glasscheibe stoßen und dann pendelt die Uhr unweigerlich aus. Ein nicht geringes Problem bei dieser Uhr.
Aber jetzt wurde erstmal das Werk wieder montiert und geprüft. Alles war in Ordnung. Zapfen und Lager liefen leicht und ohne Probleme, auch die Zugfeder war in Ordnung und schön gereinigt und gefettet wieder im Haus.
Jetzt ging es ans justieren. Da sich das nicht hängend im Gehäuse machen läßt, habe ich den Stuhl einer anderen Jahresuhr als Behelf genommen.
Auch das Richten der oberen Montierung ging ganz gut und der obere Block der Feder ließ sich jetzt wieder leicht von vorn nach hinten bewegen. Seitliches Spiel darf nicht sein, da sonst der Gang nicht zu regulieren wäre.
Jetzt musste Pi mal Daumen eine Pendelfeder mit der richtigen Länge aus dem Fundus gesucht werden (das Pendel bestimmt die Länge!!). Eine NIVAROX-Feder kam ganz gut hin. Die Pendelfeder musste natürlich noch geschwächt werden, da die Uhr viel zu schnell war (mit der Stopp-Uhr 16 Beats in 105 Sekunden). Also Pendelfeder ausbauen, Schleifen, einbauen, Stoppen, bis die Zeit so war, dass der Rest mit dem Pendel reguliert werden konnte. Als ich dann bei 120,5 Sekunden angekommen war, sollte das eigentlich reichen.
Ich musste hier etwas langsamer mit der Uhr werden, damit das Pendel im Durchmesser die hintere Tür nicht berühren konnte. Ganz schöne Fieselei.
Als dann alles passte und der Gang auch gut war, konnte ich an das Einsetzen ins Gehäuse gehen.
Erst die Halterungen für die Scheiben auf die Bodenplatte. In die Schlitze, die die Scheiben aufnehmen, hatte ich vorher ganz dünne Streifen Spiegelklebeband eingesetzt. Nicht ganz original, aber geht und man sieht es nicht. Der Erfolg war, dass die Scheiben nicht mehr klapperten.
Dann das Werk an den Werkhalter geschraubt. 4 Lange Schrauben und Messinghülsen und verbogene Finger waren erforderlich.
Endlich war das Komplette Werk dran und die Halterung konnte nach Einsetzen der Seitenscheiben und Türen auf die Halterung gesetzt werden. Nun kam noch das „Dacherl“ oben drauf und fertig war die Uhr.
Alle Schrauben der Uhr sind übrigen NICHT metrisch! Ein Beweis für das Alter der Uhr.
Pendel eingehangen und die Uhr angeworfen. Meine Justagen waren richtig und erfolgreich: Sie zählt die Zeit!
Der Versand zum Besitzer in einem festen Karton mit Luftpolsterfolie und Aufklebern „Vorsicht Glas“ versehen, sollte eigentlich nur noch Routine sein.
1 Woche später war die Uhr wieder bei mir. DXX hatte es geschafft, das Paket trotz nachgewiesener sehr guter Verpackung so zu zerstören, dass die Uhr nicht mehr funktionsfähig war. Eine Anzeige zum Transportschaden gipfelte darin, dass der „Kundendienst“ von DXX das Paket, das zur Begutachtung des Schadens zur DXX-Verteilzentrum geschickt wurde, mit dem Vermerk „Lieber Kunde, an ihrem Paket ist ein Schaden festgestellt worden. Der DXX Kundendienst wird sich schnellstens mit ihnen in Verbindung setzen“ wieder zu mir zurück gekommen ist. Ich wartete auf den DXX-Kundendienst, der sich nicht meldete. Nach telefonischer Rückfrage wurde mir dann erklärt, dass jetzt die Frist zur Schadensbearbeitung verstrichen sei, weil ICH mich nicht gemeldet hätte.
Nach Rücksprache mit dem Besitzer der Uhr entschied dieser, dass ich versuchen sollte, die Uhr wieder funktionsfähig zu machen.
Zwei der vier Scheiben sind beschädigt, das Gehäuse so verzogen, dass das Werk vollkommen schief an der Halterung hing.
Nun ja. Bilder sprechen für sich. Aber jetzt läuft sie wieder und der Besitzer wird sie bei mir Abholen.
Aber: DXX ist für mich gestorben. HERMYY, der Götterbote, ist der Transporteur der Zukunft!
Jahresuhrenfabrik 1908 mit Messinggehäuse
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Jahresuhrenfabrik 1908 mit Messinggehäuse
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Grund: KleineSekunde: Nach Absprache Firmennamen unkenntlich gemacht, doppelte Fotos entfernt
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Re: Jahresuhrenfabrik 1908 mit Messinggehäuse
Hallo Rolf-Dieter,
vielen Dank für diesen Bericht! Schön, dass am Ende wohl alles gut funktioniert!
Möglicherweise ist bei deinem Versand nicht nur der eigentliche Transport sondern auch die anschließende Bearbeitung "schief gelaufen". Ich möchte auch keine Lanze für ein spezielles Transportunternehmen brechen, aber ich persönlich hätte immer "Schweißperlen auf der Stirn" beim Versand von empfindlichen Uhren, so dass ich diese - wenn immer es geht - persönlich bringe. Ähnliche Probleme würde ich nämlich grundsätzlich befürchten...
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
vielen Dank für diesen Bericht! Schön, dass am Ende wohl alles gut funktioniert!
Möglicherweise ist bei deinem Versand nicht nur der eigentliche Transport sondern auch die anschließende Bearbeitung "schief gelaufen". Ich möchte auch keine Lanze für ein spezielles Transportunternehmen brechen, aber ich persönlich hätte immer "Schweißperlen auf der Stirn" beim Versand von empfindlichen Uhren, so dass ich diese - wenn immer es geht - persönlich bringe. Ähnliche Probleme würde ich nämlich grundsätzlich befürchten...
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
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Re: Jahresuhrenfabrik 1908 mit Messinggehäuse
@ Guido:
Nun, die Sendungsverfolgung bei dieser Uhr ergab, dass das gute Stück geschlagene 5 Tage im Verteilzentrum herum gefallen (im wahrsten Sinn des Wortes) ist. Schon da hatte ich einen Verlust gemeldet. Und oh Wunder: Auf einmal bewegte sich das Paket wieder und ein paar Tage später kam die Antwort: Wir haben Ihre Sendung weitergeleitet.
Ich will das nicht weiter zerpflücken. Aber in den letzten 9 Monaten habe ich genau 5 Transportschäden von ca. 20 Sendungen bei DXX gehabt. Und eine Beobachtung bei der Aufgabe eines anderen Paketes: Der Mensch hinter dem Tresen nimmt das Paket, stellt es auf die Waage und wirft es um. Guckt mich an, stellt es wieder hin und sagt: Der Adressaufkleber kommt immer auf die Breitseite und wirft es wieder um. Dann nimmt er das Paket und wirft es ca. 2,5 Meter zum Paketwagen.
Auf meine Frage, ob er sich sicher sein, dass der Inhalt jetzt noch in Ordnung ist, kam die lappidare Antwort "Wenn der das nicht aushält, geht er auf dem restlichen Transport sowieso kaputt. Dann hat die Verpackung nichts getaugt"!
Nun, die Sendungsverfolgung bei dieser Uhr ergab, dass das gute Stück geschlagene 5 Tage im Verteilzentrum herum gefallen (im wahrsten Sinn des Wortes) ist. Schon da hatte ich einen Verlust gemeldet. Und oh Wunder: Auf einmal bewegte sich das Paket wieder und ein paar Tage später kam die Antwort: Wir haben Ihre Sendung weitergeleitet.
Ich will das nicht weiter zerpflücken. Aber in den letzten 9 Monaten habe ich genau 5 Transportschäden von ca. 20 Sendungen bei DXX gehabt. Und eine Beobachtung bei der Aufgabe eines anderen Paketes: Der Mensch hinter dem Tresen nimmt das Paket, stellt es auf die Waage und wirft es um. Guckt mich an, stellt es wieder hin und sagt: Der Adressaufkleber kommt immer auf die Breitseite und wirft es wieder um. Dann nimmt er das Paket und wirft es ca. 2,5 Meter zum Paketwagen.
Auf meine Frage, ob er sich sicher sein, dass der Inhalt jetzt noch in Ordnung ist, kam die lappidare Antwort "Wenn der das nicht aushält, geht er auf dem restlichen Transport sowieso kaputt. Dann hat die Verpackung nichts getaugt"!