Taschenuhrwerk

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walter der jüngere

Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

ich würde es erstmal mit Aceton versuchen, dann mit Spiritus, dann mit Verdünnung. Wenn der Deckstein mit Fassung dann nicht abgeht, würde ich es mit Ablöten (zusammen mit etwas Kolophonium) probieren. Ablöten heißt Hitzeeinwirkung auf Metall und "Stein", und die kann den Deckstein springen lassen.
Daher dieses Verfahren mit entsprechendem Risiko zuletzt.
Vielleicht-hoffentlich ist nur geklebt worden...

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Spindeluhren ablaufen zu lassen.
Meine Methode wäre: Einen gefalteten Papierkeil in den Zahnkranz des Kronrades schieben, so daß dieses blockiert ist. Da muss man aber wirklich drauf achten.
Dann die Spindelbrücke abnehmen, die Spirale auf einer Seite entstiften, dann beides entnehmen, den Papierkeil entnehmen und dann das Räderwerk mit dem Finger gebremst ablaufen lassen.
Gebremst ablaufen lassen, weil Kron- und vor allem aber das Gangrad sonst viel zu hohe Drehzahl entwickeln würden, was ungut ausgehen kann...

Tja, und dann das Kronrad wieder (sicher!) blockieren, Aufziehen, gebremst Ablaufen lassen usf. bis Kette und Feder gleichermaßen abgelaufen sind.
Dann kannst Du die Federvorspannung erneut einstellen (aber dann vorher die Spindel u. deren Spirale montieren)...

Zum jetzigen Lagenproblem Deiner Uhr:
Spindelreiffreiheit in Zifferblatt obenliegender Position, Spiralgangfreiheit in allen Lagen, Lagerung in Z O P - und in genau der Reihenfolge überprüfen. Wobei Du Glück hast - am Spindelkloben bzw. in dem Fall an der Spindelbrücke lässt sich so etwas wesentlich leichter klären / beheben, als an der Gegenseite (weil da für jeden Probelauf eine erneute (De-)Montage erforderlich wäre...).
Im günstigsten Fall hilft es hier in dem Fall schon, eine kleine Stahlfolie zwischen Deckstein und Lager zu legen, um dem Problem zumindest zunächst preiswert Abhilfe zu schaffen.

Walter d. J.
Heinrich
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Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von Heinrich »

zur Kette und dem Federhaus:
Nimm die Unruh raus und entspanne das Federhaus mit dem kleinen Vierkant, indem du diesen mit dem Stiftenklöbchen packst, den Sperrkegel wegdrückst und den Vierkant vorsichtig zurücklaufen lässt. Wickle die Kette mit dem Aufzugschlüssel oder einem Stiftenklöbchen so weit auf die Schnecke, bis der Federhaus-Kettenhaken (das ist der mit dem Schwänzchen) auf dem Federhaus zu liegen kommt. Häng diesen Kettenhaken in die dafür vorgesehene Öffnung im Federhaus ein, nimm ein Stiftenklöbchen und wickle damit die Kette über den kleinen Vierkant auf das Federhaus. Das Werk läuft dabei jetzt ohne Unruh mit. Achte aber darauf, daß der Federhaus-Sperrkegel locker in das Sperrad fällt. Wenn die Kette ganz auf dem Federhaus liegt und sie nur noch mit dem schneckenseitigen Haken an der Schnecke gehalten wird dreh den kleinen Vierkant etwa eine dreiviertel Umdrehung weiter, dann hast du die richtige Vorspannung für deine Uhr.
Achte unbedingt darauf, daß die Kette bei der ganzen Prozedur immer etwas Spannung hat, sonst rutscht sie dir vom Federhaus (und das bedeutet viel Arbeit)!
Jetzt schraub noch den Sperrkegel für das Federhaus fest und setz die Unruh wieder ein. Wenn du auch sonst alles richtig gemacht hast kannst du die Uhr jetzt aufziehen und sie sollte laufen. Achte beim Aufziehen aber auch noch darauf, daß der Kettenstop rechtzeitig die Schnecke blockiert (Die Kette sollte dann von der Schnecke aus gesehen och mindestens tangential auf den Federhaus-Umfang zeigen!! Besser ist, wenn noch etwas mehr von der Kette auf dem Federhaus bleibt! Wenn du aber noch weiter drehen kannst besteht die Gefahr, daß der Haken herausgerissen wird!!! Dann ist entweder die Kette zu kurz oder der Stop funktioniert nicht richtig.
Heinrich
Der liebe Gott gab uns die Zeit (von der Eile hat er nichts gesagt!).
walter der jüngere

Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

ich schreibe diesen Post, weil ich von verschiedener Seite gefragt worden bin, welcher Vorschlag (der von Heinrich oder der von mir) zur Entspannung der Aufzugsfeder der fachlich korrekte Weg sei.
Einer fragte sogar, ob ich jetzt gar auch unter die Pfuscher gegangen sei...
Nun, denn:

Prinzipiell ist die von Heinrich beschriebene Vorgehensweise die eigentlich korrekte Methode.
Die Vorgehensweise, die ich zum Synchronisieren der Federspannung / Kette zuvor beschrieb, ist wirklich nur für diese - eigentlich sehr spezielle - Situation von mir vorgeschlagen worden, weil von "Handlanger" angegeben wurde, daß der Vierkant (vermutlich weil zu kurz, zu abgerundet, weil kein passendes Werkzeug zur Verfügung steht oder warum auch immer) für ihn nicht packbar sei. Nachdem aber das Sperrad offenbar noch sicher genug auf dem Vierkant zu sitzen scheint, habe ich mich dazu entschlossen, entsprechend darauf zu antworten.

Grundsätzlich ist das Ablaufenlassen der Feder über den Vierkant nicht nur wesentlich eleganter, sondern fachlich korrekt. Nur: Man muss den Vierkant wirklich sicher packen (können).
Wenn der nämlich aus dem Stiftenklöbchen entwischt, saust die Feder davon, und wird mit einiger Wahrscheinlichkeit Schaden nehmen.
Ganz abgesehen davon, daß das - in der speziellen Situation sogar mehrmalige - teilweise Ablaufenlassen der Feder über das Räderwerk einige Risiken birgt und zudem deutlich zeitintensiver ist. Es ist - aus meiner Sicht - ein sonst nicht anzuwendendes Verfahren, man könnte durchaus auch von Pfuscherei sprechen. Es ist wirklich nur dann eine aus meiner Sicht akzeptable Notlösung, wenn der Vierkant mit wirklich keiner Methode mehr sicher packbar sein sollte, was durchaus der Fall sein kann, aber nicht sein muss - und eigentlich auch nicht sein sollte. Denn wenn der Vierkant mit normalerweise in einer Uhrmacherwerkstatt verfügbarem Werkzeug (Stiftenklöbchen etc.) nicht sicher packbar ist, dann sollte der Vierkant sauber aufgearbeitet werden, damit auch das Sperrad sicher sitzt und es nicht dort zu brutalen, weil nicht gebremsten Federentladungen mit allen damit verbundenen Gefahren früher oder später kommt.
Notfalls - wenn keine Besserung des Sperradsitzes (notfalls auch durch Austausch des Sperrades) mehr erreicht werden kann, muss die Federwelle neu angefertigt werden. Leider, ist halt so.

Bei der von Heinrich beschriebenen Vorgehensweise kann übrigens sehr genau beobachtet werden, ja, es wird fast automatisch erkannt, ob der Federstop am Ende des Aufzugs wirklich wirksam ist oder nicht. Deshalb gerade beim ersten Aufzug darauf sehr genau achten!
Es gibt leider sehr viele Spindeluhren, bei denen diese Sicherheitsmaßnahme entweder verschlissen ist oder eiskalt eliminiert oder aufgrund zu kurzer (meist weil durch Vorschäden gekürzter Kette) umgangen wurde bzw. wird. Daß dies sehr üble Folgen (herausgerissene Haken, danach dann möglicherweise um sich schlagende Ketten etc.) haben kann, steht außer Frage.
Ich beschreibe und bestätige diesen Mißstand aus meinen eigenen Erfahrungen heraus, es muss m.E. aber davon ausgegangen werden, daß dies auch heute noch auf nicht wenige, z.T. "frisch reparierte" Exemplare zutrifft.
Gern wird da dann dazu geraten, (Zitat) "die Uhr nur noch schwach aufzuziehen, weil sonst die Belastung für die Feder und das ja schon sehr alte Werk irgendwann zu groß sein könnte" ...

Walter d. J.
Handlanger
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Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von Handlanger »

Herzlichen Dank das Ihr Euch so große Sorgen macht und sogar in Kauf nehmt als "Pfuscher angeprangert" zu werden.
Ich setze mal voraus das es nur im Spass gemeint war.

Gleich heute früh, als ich zu meinem TU-Werk kam habe ich betrachtet in wie weit ich Eure Vorschläge anwenden könnte.
Das Sperrad sitzt sicher auf dem nicht rundlich abgenoddelten und noch schön eckigen Vierkant.
Der Vierkant ist einfach nur zu kurz. Da kann ich auch nichts nacharbeiten.
Habe auch schon probiert einen der dünnsten Schraubendreher dazwischen zu stecken. Aber der Spalt ist zu eng. Ja wenn das Sperrad runter ist dann ist der Vierkant fassbar. Aber dann ist es auch schon zu spät. Aus meiner Hoffnung dass das Werk in der Zifferblattlage abläuft und durch mehrmaliges stückweises Aufziehen die Kette irgendwann auf dem Federhaus sitzt wird nichts. Es läuft nicht lange genug. Da werde ich wohl (auf die Gefahr hin zu pfuschen) das Kronrad aushängen und die Feder gebremst entspannen lassen.
Wie ich den Deckstein runter bekomme ist mir noch nicht klar. Die Aceton, Spiritus,Verdünnung und Hitze-Methoden werde ich demnächst der Reihe nach anwenden.
Die Kette ist noch 238mm lang. Das würde bedeuten sie ist nicht zu kurz.
petsch hat geschrieben:Naja, Teufelswerk ist ein Spindelwerk zwar nicht, aber trotzdem kann man nicht nach so einem Fern-Selbst-Schnellstudium schon gleich davon ausgehen, dass man nun geprüfter Spindeluhrreparateur ist
... und ich dachte Ihr bastelt schon am meinen Meisterbrief... :oops: :oops:

Gruß Handlanger
Heinrich
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Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von Heinrich »

wenn der Vierkant zu kurz oder vernudelt ist und/oder die Uhr wegen irgendeines Fehlers auch nicht ablaufen kann gibt es noch eine andere Möglichkeit die Uhr abzuspannen, bei der du aber entweder einen Helfer brauchst oder die Uhr irgendwie auf dem Werktisch gegen Verdrehen fixieren kannst: Nimm eine Spitzzange oder Ösenzange, deren Spitzen gut in die Verzahnung des Sperrades passen. Fasse damit das Rad (möglichst ohne die Platine zu verkratzen), dreh es etwas zurück damit der Sperrkegel freikommt und schiebe diesen dann mit einer Pinzette oder einem Schraubendreher aus der Verzahnung. Jetzt führe mit der Zange das Sperrad etwa eine halbe Umdrehung oder eben so weit, wie dein Handgelenk reicht in Richtung Entspannung und rücke den Sperrkegel wieder ins Sperrad. Jetzt setze die Zange um und widerhole das Ganze. Das machst du so lange, bis die Feder abgespannt ist. Du mußt aber sehr aufpassen, daß dir die Zange nicht abrutscht!
Du sagst, daß die Kette noch 238 mm lang ist und damit nicht zu kurz sei. Ich würde mich darauf nicht verlassen! Das einzige Kriterium für die richtige Länge einer Kette ist, wenn das Kettenende, nachdem sie vollständig auf die Schnecke gewickelt ist noch genügend Restlänge hat, um tangential auf dem Federhaus zu enden (siehe mein vorheriges posting!).
Heinrich
Der liebe Gott gab uns die Zeit (von der Eile hat er nichts gesagt!).
Handlanger
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Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von Handlanger »

Hallo Heinrich.
Die Kette endet tangential auf dem Federhaus. Da sehe ich kein Problem.
Wegen dem anderen Problem bin ich dabei ein kleines Werkzeug zu basteln.
Einen Kunststoff Rundstab vorne planen und zwei dünne Tamponstahl-Stifte im richtigen Abstand einsetzen. Mit diesem "Schlüssel" wird das Abspannen dann (fachmännisch?) klappen.
Ich werden berichten!!
Gruß Handlanger.
Handlanger
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Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von Handlanger »

Der Schlüssel wurde noch kurz vor der Mittagspause fertig.
Das Abspannen hat damit prima geklappt.
Gruß Handlanger.
Handlanger
Beiträge: 75
Registriert: Di 7. Sep 2010, 19:52

Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von Handlanger »

Wie schon vor der Mittagspause jubiliert,
das abspannen war erfolgreich dank meinen neuen kleinen Schlüssel.

Links der Schlüssel und rechts in Aktion.
Super Schlüssel-1.jpg
Die Kette vom SR. abgewickelt und aufs Federhaus aufgewickelt.
Kette auf Federrad.jpg
Dann vorsichtig aufgezogen bis zum STOP!
Soweit liegt die Kette dann noch auf dem Federhaus.
Anschlag.jpg
Jetzt kann all das beginnen was W.d.j und Alle so spannend erwarten.
Gruß Handlanger.
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Heinrich
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Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von Heinrich »

das sieht doch schon ganz prima aus! Du kannst bei mir anfangen. ;)
Heinrich
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petsch
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Registriert: So 15. Aug 2010, 18:10

Re: Taschenuhrwerk

Beitrag von petsch »

Heinrich hat geschrieben:das sieht doch schon ganz prima aus! Du kannst bei mir anfangen. ;)
Wobei, da sollte man ja ehrlich bleiben, jetzt doch das "Hexenwerk" anfängt. Bis jetzt war es rein handwerkliches Geschick und eine relativ grobe Reparatur, wenn man es mal gehässig sagen würde.

Für viele fangen in diesem Stadium die eigentliche Probleme an und da hilft eben doch hauptsächlich die Praxis und die Übung. Wie bringe ich die Uhr nun dazu richtig zu laufen, wie bringe ich die Unruhe dazu ausreichend zu schwingen, wie bringe ich die Uhr dazu möglichst genau zu gehen.
Wie tief greift das Steigrad in die Spindel ein, wie stellt man das überhaupt optimal ein ? etc pp

Bei Dir @ Handlanger kommt ja jetzt auch noch das Problem mit dem Lager und dem Stehenbleiben der Uhr.

Allerdings hast Du bis jetzt ja schon guten Erfolg gehabt und hast durch Deine Arbeit wahrscheinlich viel über die Funktion gelernt und wenn Du noch Lust hast, dann kannst Du weitermachen und wenn nicht, dann legst Du das Werk zur Seite. Besser als vorher ist es ja nun allemal. Der alte Dreck ist jedenfalls raus und runter ;-)

Gruß
Peter
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