Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
- Der_Stromer
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Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Und jetzt zur Zweiten:
Ebenfalls eine KERN & Söhne, Kaliber P I (Piccolo), Herstellungsjahr 1958.
Auch hier dieses komische Schmiermittel. Klebte richtig und das überall. Sogar das Werk war auf dem Stuhl regelrecht festgeklebt.
Hier natürlich auch die Pendelfeder. Zwar stimmte die Dicke, aber sie war zu Breit. Eben NIVAROX.
Dann war natürlich durch die (erfolglosen) Versuche die Feder im oberen Bereich total verknickt und der Mitnehmer war abenteuerlich tief eingestellt.
Die Uhr komplett in die Einzelteile zerlegt. Lager und Zapfen überprüft, hier war nichts verbogen, dann die Teile alle im bewährten US-Bad gereinigt, nochmals Lager und Zapfen geprüft und Poliert.
Die Zugfeder war in Ordnung, nur ein wenig MoS2-Öl (aber wirklich nur so viel wie unbedingt nötig) und schon flutscht sie wieder, die Feder. Die Federn kommen bei mir NIE ins Ultraschallbad. Nicht, weil sie eventuell Schaden nehmen könnten durch den Ultraschall (dazu haben diese Bäder viel zu wenig Leistung), sondern weil die Feder im Federhaus ja fest am äußeren Rand anliegt und durch die Schwingungen Wasser (auch wenn es nur zu 90% in der Lösung vorkommt, es ist und bleibt Wasser) zwischen die Lagen der Feder kommt. Das anschließende Spülen mit Waschbenzin (sonst vollkommen richtig und hilfreich) nutzt hier nichts, da ohne die Schwingungen eben dieses Waschbenzin NICHT zwischen die Lagen der Feder kommt. Erfolg: ROST!!! Und nach geraumer Zeit der Bruch der Feder. Einzige Möglichkeit für die Federn ist ein großes US-Bad und die Feder aus dem Haus heraus. Dann wird sie schön sauber und kann auch wieder leicht mit dem richtigen Fett gefettet werden. Von Graphithaltigem Fetten möchte ich allerdings abraten. Graphit ist ein Kohlenstoff und damit hart und leitend. Hart schmirgelt am Material und Leitend bringt Materialabtragung durch galvanische Ströme. Zwar nur im minimalsten Ausmaß, aber immer hin.
Bei dieser Uhr handelt es sich um einen Stiftengang und durch Erfahrung klug geworden, habe ich gleich die Hebeflächen etwas nachbearbeitet.
Auch hier keinen Zaponlack, sonder den bewährten „Renaissance Wax“ drauf und sauber nach Poliert. Auch die Lager mit Putzholz von Resten des Wachses befreit.
Das Setzen der Wellen war dann nur noch Routine (und viel einfacher als Westminster-Schlagwerke). Alles wieder zusammen gebaut und auf den Stuhl. Nun die neue Pendelfeder (.0023“ = 0,058mm) HOROLOVAR angepasst und die Montierungen angebracht. Bei diesen Uhren übrigens eine Millimeter-Arbeit, da zulang auf der Transportsicherung aufsitzen kann und zu kurz die Montage des Sicherungsbügles verhindert. Feder eingebaut und Pendel um 180° ausgelenkt, denn Abfall eingerichtet, auf dem PC die Stoppuhr gestartet und die Schläge gezählt.
Noch ein wenig Nachregulierung und ab zum Testen ins Regal. Nach 24 Stunden ein Vorgang von 10 Minuten – kein Problem.
Brüderlein und Schwesterlein Jetzt steht auch sie bei mir im Regal und freut sich, dass sie wieder eine eigene Arbeit hat. Eine Schöne Uhr, die der Herr KERN da gebaut hat.
Ebenfalls eine KERN & Söhne, Kaliber P I (Piccolo), Herstellungsjahr 1958.
Auch hier dieses komische Schmiermittel. Klebte richtig und das überall. Sogar das Werk war auf dem Stuhl regelrecht festgeklebt.
Hier natürlich auch die Pendelfeder. Zwar stimmte die Dicke, aber sie war zu Breit. Eben NIVAROX.
Dann war natürlich durch die (erfolglosen) Versuche die Feder im oberen Bereich total verknickt und der Mitnehmer war abenteuerlich tief eingestellt.
Die Uhr komplett in die Einzelteile zerlegt. Lager und Zapfen überprüft, hier war nichts verbogen, dann die Teile alle im bewährten US-Bad gereinigt, nochmals Lager und Zapfen geprüft und Poliert.
Die Zugfeder war in Ordnung, nur ein wenig MoS2-Öl (aber wirklich nur so viel wie unbedingt nötig) und schon flutscht sie wieder, die Feder. Die Federn kommen bei mir NIE ins Ultraschallbad. Nicht, weil sie eventuell Schaden nehmen könnten durch den Ultraschall (dazu haben diese Bäder viel zu wenig Leistung), sondern weil die Feder im Federhaus ja fest am äußeren Rand anliegt und durch die Schwingungen Wasser (auch wenn es nur zu 90% in der Lösung vorkommt, es ist und bleibt Wasser) zwischen die Lagen der Feder kommt. Das anschließende Spülen mit Waschbenzin (sonst vollkommen richtig und hilfreich) nutzt hier nichts, da ohne die Schwingungen eben dieses Waschbenzin NICHT zwischen die Lagen der Feder kommt. Erfolg: ROST!!! Und nach geraumer Zeit der Bruch der Feder. Einzige Möglichkeit für die Federn ist ein großes US-Bad und die Feder aus dem Haus heraus. Dann wird sie schön sauber und kann auch wieder leicht mit dem richtigen Fett gefettet werden. Von Graphithaltigem Fetten möchte ich allerdings abraten. Graphit ist ein Kohlenstoff und damit hart und leitend. Hart schmirgelt am Material und Leitend bringt Materialabtragung durch galvanische Ströme. Zwar nur im minimalsten Ausmaß, aber immer hin.
Bei dieser Uhr handelt es sich um einen Stiftengang und durch Erfahrung klug geworden, habe ich gleich die Hebeflächen etwas nachbearbeitet.
Auch hier keinen Zaponlack, sonder den bewährten „Renaissance Wax“ drauf und sauber nach Poliert. Auch die Lager mit Putzholz von Resten des Wachses befreit.
Das Setzen der Wellen war dann nur noch Routine (und viel einfacher als Westminster-Schlagwerke). Alles wieder zusammen gebaut und auf den Stuhl. Nun die neue Pendelfeder (.0023“ = 0,058mm) HOROLOVAR angepasst und die Montierungen angebracht. Bei diesen Uhren übrigens eine Millimeter-Arbeit, da zulang auf der Transportsicherung aufsitzen kann und zu kurz die Montage des Sicherungsbügles verhindert. Feder eingebaut und Pendel um 180° ausgelenkt, denn Abfall eingerichtet, auf dem PC die Stoppuhr gestartet und die Schläge gezählt.
Noch ein wenig Nachregulierung und ab zum Testen ins Regal. Nach 24 Stunden ein Vorgang von 10 Minuten – kein Problem.
Brüderlein und Schwesterlein Jetzt steht auch sie bei mir im Regal und freut sich, dass sie wieder eine eigene Arbeit hat. Eine Schöne Uhr, die der Herr KERN da gebaut hat.
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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Hallo,
zu der hier vorgestellten Praxis, Aufzugfedern mit MoS2-Öl wieder "flutschend" zu machen, möchte ich meine eigenen Erfahrungen kurz gegenüber stellen:
Es ist ziemich treffend beschrieben worden, die Federn "flutschen" nach dem Einsatz von diesen (und ähnlichen) Ölen - zunächst. Der "Klebeeffekt" verschwindet.
Doch auf längere Sicht scheint die notwendige Schmierung der Feder aufgrund der m.E. offenbar fettverdrängenden, bzw. mit dem Fett reagierenden Wirkung dieser Schmiermittel nicht mehr im erforderlichen Maß gegeben zu sein. Die Feder erzeugt dann wieder Reibung. Oft in sehr erheblichem Maß. Ganz abgesehen von der längerfristigen chemischen Reaktion solcher Schmiermittelgemische untereinander und mit dem übrigen Material.
Deshalb: Nur eine Entnahme der Feder aus dem Federhaus, das gründliche Reinigen der Feder und des Federhauses und eine anschließende, fachgerechte Fettung verspricht m.E. langfristig gute Ergebnisse.
Harsch formuliert: Alles andere ist aus meiner Sicht Murks und kann zu irreversiblen Schäden an Feder und Federhaus führen.
Walter d. J.
zu der hier vorgestellten Praxis, Aufzugfedern mit MoS2-Öl wieder "flutschend" zu machen, möchte ich meine eigenen Erfahrungen kurz gegenüber stellen:
Es ist ziemich treffend beschrieben worden, die Federn "flutschen" nach dem Einsatz von diesen (und ähnlichen) Ölen - zunächst. Der "Klebeeffekt" verschwindet.
Doch auf längere Sicht scheint die notwendige Schmierung der Feder aufgrund der m.E. offenbar fettverdrängenden, bzw. mit dem Fett reagierenden Wirkung dieser Schmiermittel nicht mehr im erforderlichen Maß gegeben zu sein. Die Feder erzeugt dann wieder Reibung. Oft in sehr erheblichem Maß. Ganz abgesehen von der längerfristigen chemischen Reaktion solcher Schmiermittelgemische untereinander und mit dem übrigen Material.
Deshalb: Nur eine Entnahme der Feder aus dem Federhaus, das gründliche Reinigen der Feder und des Federhauses und eine anschließende, fachgerechte Fettung verspricht m.E. langfristig gute Ergebnisse.
Harsch formuliert: Alles andere ist aus meiner Sicht Murks und kann zu irreversiblen Schäden an Feder und Federhaus führen.
Walter d. J.
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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
walter der jüngere hat geschrieben:Hallo,
zu der hier vorgestellten Praxis, Aufzugfedern mit MoS2-Öl wieder "flutschend" zu machen, möchte ich meine eigenen Erfahrungen kurz gegenüber stellen:
Es ist ziemich treffend beschrieben worden, die Federn "flutschen" nach dem Einsatz von diesen (und ähnlichen) Ölen - zunächst. Der "Klebeeffekt" verschwindet.
Doch auf längere Sicht scheint die notwendige Schmierung der Feder aufgrund der m.E. offenbar fettverdrängenden, bzw. mit dem Fett reagierenden Wirkung dieser Schmiermittel nicht mehr im erforderlichen Maß gegeben zu sein. Die Feder erzeugt dann wieder Reibung. Oft in sehr erheblichem Maß. Ganz abgesehen von der längerfristigen chemischen Reaktion solcher Schmiermittelgemische untereinander und mit dem übrigen Material.
Deshalb: Nur eine Entnahme der Feder aus dem Federhaus, das gründliche Reinigen der Feder und des Federhauses und eine anschließende, fachgerechte Fettung verspricht m.E. langfristig gute Ergebnisse.
Harsch formuliert: Alles andere ist aus meiner Sicht Murks und kann zu irreversiblen Schäden an Feder und Federhaus führen.
Walter d. J.

Von wie vielen Jahrzehnten Erfahrung im Umgang mit MoS2-Ölen sprichst Du den hier? 20 Jahre? 30 Jahr?

Und MoS2 ist auf jeden Fall besser, als das Federhaus komplett mit Feder ins US-Bad zu werfen und zu hoffen, dass sie (die Feder) das die nächsten 6 Monate überlebt.

Und MURKS, Walter, lasse ich mir auch von einem Moderator nicht sagen.
Ps.: Jetzt mal meine Kritik hier: Genau dieser Ton einiger Moderatoren war es, der mich für einige Jahre dieses Forum hat meiden lassen. Ich hoffe, das wird nicht wieder so.
ich bin offen für jede Art der Anregungen, Fehlervermeidungen, Belehrungen, da ich gerne und viel lerne und lernen möchte. Aber MURKS brauche ich mir nicht nachsagen zu lassen.

Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Hallo,
@Der_Stromer:
Tut mir leid für den Ausdruck "Murks". Ich bitte dafür um Entschuldigung.
Mit Murks meinte ich: Aus meiner fachlichen Sicht keine nachahmenswerte Vorgehensweise.
Du fragst nach meinen Langzeiterfahrungen im Umgang mit MoS2 Ölen:
Gut 20 Jahre würde ich sagen, umspannt meine intensive Erfahrung damit.
Daher auch meine Anmerkungen dazu.
Ja, es ist völlig richtig, eine im Federhaus belassene Feder im Ultraschallbad reinigen zu wollen, bringt nicht das, was man als Ergebnis gern haben möchte: Eine saubere Feder, ein sauberes Federhaus - und dann auch noch alles gut trockenbar...
Um beides - Federhaus und Feder optimal reinigen zu können, ist also die Entnahme der Feder vor dem Einlegen in das Reinigungsbad erforderlich.
Es tut mir leid, wenn meine Kritik über das hinausging, was einer sachlichen Diskussion dienlich ist.
Nochmals meine Bitte um Entschuldigung dafür.
Walter d. J.
@Der_Stromer:
Tut mir leid für den Ausdruck "Murks". Ich bitte dafür um Entschuldigung.
Mit Murks meinte ich: Aus meiner fachlichen Sicht keine nachahmenswerte Vorgehensweise.
Du fragst nach meinen Langzeiterfahrungen im Umgang mit MoS2 Ölen:
Gut 20 Jahre würde ich sagen, umspannt meine intensive Erfahrung damit.
Daher auch meine Anmerkungen dazu.
Ja, es ist völlig richtig, eine im Federhaus belassene Feder im Ultraschallbad reinigen zu wollen, bringt nicht das, was man als Ergebnis gern haben möchte: Eine saubere Feder, ein sauberes Federhaus - und dann auch noch alles gut trockenbar...
Um beides - Federhaus und Feder optimal reinigen zu können, ist also die Entnahme der Feder vor dem Einlegen in das Reinigungsbad erforderlich.
Es tut mir leid, wenn meine Kritik über das hinausging, was einer sachlichen Diskussion dienlich ist.
Nochmals meine Bitte um Entschuldigung dafür.
Walter d. J.
Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Hallo Rolf-Dieter,
vielen Dank für den reich bebilderten Bericht. Wenn ich das richtig sehe und verstanden habe, hast Du Dich auf Jahresuhren spezialisiert ?
Ich kenne viele Uhrmacher, die bei dem Wort Jahresuhr die Nase rümpfen. Aber auch einige, die da keine Probleme haben oder draus machen. Wahrscheinlich liegt es hauptsächlich an der oft falschen Aufhängefeder, an der Einstellung, wo die an der Feder befestigte "Ankergabel" an den langen Ankerarm (wenn ich das mal so nennen darf) greift und daran, dass die Uhren, wie Du im anderen Bericht schon geschrieben hast, nach einer gewissen Zeit um einiges falsch gehen, weil sich der Vor- oder Nachgang eben über die Wochen/Monate summiert und die Kunden dann unzufrieden werden.
Zu der Schmierung der Feder würde ich als Laie sagen, dass es wohl immer besser ist, die Feder aus dem Gehäuse zu nehmen. Was aber viele nicht machen, weil es mühsam ist und das wohl besonders bei einer starken Feder, wie der einer Jahresuhr.
Zum Material des MoS2 kann ich nicht viel sagen, ausser , dass man es nicht (weil Walter von ähnlichen Ölen gesprochen hat) mit dem WD-40 verwechseln soll, dass hier im Forum wohl zu recht als Allheilmittel verpönt ist.
Wir wollen natürlich hier fachliche Diskussionen, aber aus diesen Diskussionen soll kein persönlicher Streit mit Beleidigungen werden. Zumal bei Reparaturen immer subjektive Meinungen eine Rolle spielen. Und ich bin sicher Walter wollte das auch nicht und hat das auch durch seine Ergänzung jetzt gezeigt. Ich hoffe, der Streit ist damit beigelegt
Gruß
Peter
vielen Dank für den reich bebilderten Bericht. Wenn ich das richtig sehe und verstanden habe, hast Du Dich auf Jahresuhren spezialisiert ?
Ich kenne viele Uhrmacher, die bei dem Wort Jahresuhr die Nase rümpfen. Aber auch einige, die da keine Probleme haben oder draus machen. Wahrscheinlich liegt es hauptsächlich an der oft falschen Aufhängefeder, an der Einstellung, wo die an der Feder befestigte "Ankergabel" an den langen Ankerarm (wenn ich das mal so nennen darf) greift und daran, dass die Uhren, wie Du im anderen Bericht schon geschrieben hast, nach einer gewissen Zeit um einiges falsch gehen, weil sich der Vor- oder Nachgang eben über die Wochen/Monate summiert und die Kunden dann unzufrieden werden.
Zu der Schmierung der Feder würde ich als Laie sagen, dass es wohl immer besser ist, die Feder aus dem Gehäuse zu nehmen. Was aber viele nicht machen, weil es mühsam ist und das wohl besonders bei einer starken Feder, wie der einer Jahresuhr.
Zum Material des MoS2 kann ich nicht viel sagen, ausser , dass man es nicht (weil Walter von ähnlichen Ölen gesprochen hat) mit dem WD-40 verwechseln soll, dass hier im Forum wohl zu recht als Allheilmittel verpönt ist.
Wir wollen natürlich hier fachliche Diskussionen, aber aus diesen Diskussionen soll kein persönlicher Streit mit Beleidigungen werden. Zumal bei Reparaturen immer subjektive Meinungen eine Rolle spielen. Und ich bin sicher Walter wollte das auch nicht und hat das auch durch seine Ergänzung jetzt gezeigt. Ich hoffe, der Streit ist damit beigelegt

Gruß
Peter
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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Hallo Walter.walter der jüngere hat geschrieben:Hallo,
@Der_Stromer:
Tut mir leid für den Ausdruck "Murks". Ich bitte dafür um Entschuldigung.
Mit Murks meinte ich: Aus meiner fachlichen Sicht keine nachahmenswerte Vorgehensweise.
Du fragst nach meinen Langzeiterfahrungen im Umgang mit MoS2 Ölen:
Gut 20 Jahre würde ich sagen, umspannt meine intensive Erfahrung damit.
Daher auch meine Anmerkungen dazu.
Ja, es ist völlig richtig, eine im Federhaus belassene Feder im Ultraschallbad reinigen zu wollen, bringt nicht das, was man als Ergebnis gern haben möchte: Eine saubere Feder, ein sauberes Federhaus - und dann auch noch alles gut trockenbar...
Um beides - Federhaus und Feder optimal reinigen zu können, ist also die Entnahme der Feder vor dem Einlegen in das Reinigungsbad erforderlich.
Es tut mir leid, wenn meine Kritik über das hinausging, was einer sachlichen Diskussion dienlich ist.
Nochmals meine Bitte um Entschuldigung dafür.
Walter d. J.
Nun, im Prinzip meinen wir ja Beide das Richtige: Feder aus dem Haus und beides separat reinigen ist der richtige und saubere Weg.
Aber es gibt doch auch Grenzfälle, z.B. ist die Feder und das Federhaus sehr sauber und kein altes Fett oder Öl zu sehen, kann man (ich) doch sicher etwas MoS2-Öl zwischen die Windungen geben, ohne die Feder aus dem Haus nehmen zu müssen. Eine Jahresuhrfeder ist ja nicht so oft mit dem Aufziehen beansprucht und auch das Entspannen geht ja sehr langsam voran.
Gibt es denn direkte, praktische negative Erfahrungen mit diesem Öl???

Na ja, meine erste "Jahresuhrfederbehandlung" damit liegt ja auch erst 9 Jahre zurück, also erst 9 x Aufgezogen

Und nun auf einen neuen Anfang mit Diskussion und Erfahrungsaustausch, bei dem alle etwas mitnehmen können.

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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Güßle, Peter und @All:petsch hat geschrieben:Hallo Rolf-Dieter,
vielen Dank für den reich bebilderten Bericht. Wenn ich das richtig sehe und verstanden habe, hast Du Dich auf Jahresuhren spezialisiert ?
Ich kenne viele Uhrmacher, die bei dem Wort Jahresuhr die Nase rümpfen. Aber auch einige, die da keine Probleme haben oder draus machen. Wahrscheinlich liegt es hauptsächlich an der oft falschen Aufhängefeder, an der Einstellung, wo die an der Feder befestigte "Ankergabel" an den langen Ankerarm (wenn ich das mal so nennen darf) greift und daran, dass die Uhren, wie Du im anderen Bericht schon geschrieben hast, nach einer gewissen Zeit um einiges falsch gehen, weil sich der Vor- oder Nachgang eben über die Wochen/Monate summiert und die Kunden dann unzufrieden werden.
Zu der Schmierung der Feder würde ich als Laie sagen, dass es wohl immer besser ist, die Feder aus dem Gehäuse zu nehmen. Was aber viele nicht machen, weil es mühsam ist und das wohl besonders bei einer starken Feder, wie der einer Jahresuhr.
Zum Material des MoS2 kann ich nicht viel sagen, ausser , dass man es nicht (weil Walter von ähnlichen Ölen gesprochen hat) mit dem WD-40 verwechseln soll, dass hier im Forum wohl zu recht als Allheilmittel verpönt ist.
Wir wollen natürlich hier fachliche Diskussionen, aber aus diesen Diskussionen soll kein persönlicher Streit mit Beleidigungen werden. Zumal bei Reparaturen immer subjektive Meinungen eine Rolle spielen. Und ich bin sicher Walter wollte das auch nicht und hat das auch durch seine Ergänzung jetzt gezeigt. Ich hoffe, der Streit ist damit beigelegt
Gruß
Peter
Ja, die Jahresuhren und besonders die von SCHATZ haben es mir angetan. Auch die Geschichte der Jahresuhren gehört etwas dazu und macht richtig Spaß!
Zu den Uhrmachern und Jahresuhren: Nun, eine Jahresuhr ist halt keine "Normale". Zum Beispiel eine Pendeluhr mit Grahamhemmung hat 3 Einstellungen, die gemacht werden sollen. Bei einer Jahresuhr sind das 7! Und dann kommt noch dazu, dass Jahresuhren in der Ausbildung zum Uhrmacher in den meisten Fällen nur in einigen Nebensätzen erwähnt wird oder worden ist. Und wenn jetzt ein guter Uhrmacher eine Hemmung bei einer Jahresuhr einstellen soll??? Die Lehrsätze der "normalen" Hemmungen gelten hier nicht. Und das ist dann der Grund, warum die Arbeiten an diesen Uhren viel Zeit in Anspruch nehmen und fast nie zu einem auskömmlichen Einkommen beim Rechnungsbetrag führen. Leider.
Und dann noch die Pendelfeder..... Ein Pendel kennt ja jeder und weiß, wie es den Gang beeinflusst. Aber ein Drehpendel? Nur soviel: Die Federkraft der Pendelfeder bestimmt hier den Gang der Uhr, kaum die Länge und eben so wenig das Gewicht des Drehpendels. Ansonsten hier wie dort die gleichen Abläufe: Ruhe - Hebung - Fall und ganz wichtig: der Abfall. Leider kann man ja eine Jahresuhr nicht einfach schief an die Wand hängen, um den Abfall zu richten

Ich bin Rentner und habe daher (entgegen der üblichen Meinung, dass Rentner nie Zeit haben) keine Probleme, auch mal länger über einem Problem zu Brüten.
Zum Öl. Natürlich kommt kein Ölwechsel mit WD-40 in Frage

Hier was aus dem Chemieunterricht zu Molybdändisulfid:
Die Schmiereigenschaften sind durch die Schichtstruktur von MoS2 bedingt, in der die Molybdän- und Schwefelatome jeweils in eigenen Lagen angeordnet sind. Benachbarte Schwefellagen werden nur durch schwache van der Waals-Kräfte gebunden, so dass diese Schichten leicht gegeneinander gleiten können und dadurch einen niedrigen Reibungswiderstand aufweisen.
Zitat Ende.
Es hat wirklich nichts mit dem Motoröl zu tun, ist aber meiner Meinung nach für Lager und Zapfen absolut NICHT geeignet und da auch nichts zu suchen!
...und mit Walter d.J. bin ich, glaube ich, auch wieder im Reinen

Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Ich will noch mal auf die Feder und deren "Schmierung" zurückkommen. Mich halt einmischen.
Ich kann Walter nur vollkommen zustimmen! Gerade Jahresuhren sind sehr knibbelig in der Behandlung, und denen sollte man wirklich nur das Beste zukommen lassen, was es gibt. Denn die werden sonst echt zickig. Und da muss man wirklich hingehen, die Feder ausbauen und dann alles mit schönem, feinem Fett wieder einbauen. Alles andere ist wirklich Murks, denn das hält nicht lange. Hier muss man daran denken, dass die Feder fast ein Jahr aufgezogen bleibt, und dünnflüssiges Öl, auch mit dem Festschmierstoff MOS, ist da der falsche Ansatz. Festschmierstoffe bei Armbanduhren sind da ganz andere Dinge, und da wird ja auch damit gearbeitet. Aber da gibt man den Festschmierstoff direkt vom Hersteller zu, die Federn braucht man gar nicht mehr zu fetten.
Bei Jahresuhren muss man ganz bestimmt die alte Pampe herausholen, dann die Feder leicht einfetten, alles wieder eindrehen und dann noch etwas Fett in das Federhaus eingeben. Alles andere nehmen gerade diese Uhren äußerst übel, laufen nach dem Mond und ähnliches, denn die Kraftabgabe wird dann unregelmäßig. Gerade diese Uhren reagieren da empfindlich.
Frank
Ich kann Walter nur vollkommen zustimmen! Gerade Jahresuhren sind sehr knibbelig in der Behandlung, und denen sollte man wirklich nur das Beste zukommen lassen, was es gibt. Denn die werden sonst echt zickig. Und da muss man wirklich hingehen, die Feder ausbauen und dann alles mit schönem, feinem Fett wieder einbauen. Alles andere ist wirklich Murks, denn das hält nicht lange. Hier muss man daran denken, dass die Feder fast ein Jahr aufgezogen bleibt, und dünnflüssiges Öl, auch mit dem Festschmierstoff MOS, ist da der falsche Ansatz. Festschmierstoffe bei Armbanduhren sind da ganz andere Dinge, und da wird ja auch damit gearbeitet. Aber da gibt man den Festschmierstoff direkt vom Hersteller zu, die Federn braucht man gar nicht mehr zu fetten.
Bei Jahresuhren muss man ganz bestimmt die alte Pampe herausholen, dann die Feder leicht einfetten, alles wieder eindrehen und dann noch etwas Fett in das Federhaus eingeben. Alles andere nehmen gerade diese Uhren äußerst übel, laufen nach dem Mond und ähnliches, denn die Kraftabgabe wird dann unregelmäßig. Gerade diese Uhren reagieren da empfindlich.
Frank
Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Hallo,
Der_Stromer (Rolf-Dieter) hat hier ein m.E. eigentlich sehr schönes Kapitel der Wohnraumuhren angetippt - das der Jahresuhren. Bei einigen UhrmacherInnen unbeliebt, von anderen kaum eines Blickes gewürdigt, bei Anderen, vor allem bei Besitzern eines funktionsfähigen Exemplars, aber dennoch sehr beliebt.
Auf ein paar der schon dargestellten Details möchte ich genauer eingehen:
Bevor der Gang einer Jahresuhr überhaupt eingestellt - oder daran justiert - werden sollte, ist die Uhr an sich einzujustieren. Und zwar so, daß sie völlig eben und ruhig steht. An manchen Modellen gibt es "Wasseraugen". Diese sollten zunächst auf Funktionsfähigkeit und korrekten Sitz und eine unverbogene Halterung hin überprüft werden...
Bei manchen Modellen hilft hingegen beim Einrichten des Standes nur die Verwendung einer Wasserwaage. Und zwar nicht, um den Tisch, das Regal oder den Schrank, auf dem sie stehen soll, auszurichten, sondern die Uhr! Meist haben diese Uhren kleine Stellfüße, aber nicht alle (mehr). Ja, an diesen Uhren wurde da und dort auch schon mal etwas "herummontiert". Die Füße mussten ab und zu dabei auch "ab"...
Wenn die Uhr also wirklich eben und ruhig (!) steht - ruhig im Sinne von erschütterungsfrei, denn bestimmte Arten von Erschütterungen, insbesondere Kippeln oder Vibrieren können hier zum spontanen Stehenbleiben (aber durchaus zeitversetzt zum dafür ursächlichen Ereignis) führen, dann kann mit der Feinjustierung der Hemmung begonnen werden.
Wo ich Der_Stromer (Rolf Dieter) nicht zustimmen kann:
Dann jedoch beginnt die technische Andersartigkeit zur "normalen" Pendeluhr:
Die Aufnahme für die Drehpendelfeder, die Drehpendelfeder an sich, und das Drehpendel verdienen ebenfalls große Aufmerksamkeit:
Die Pendelfeder muß an ihrem oberen Ende fest eingeklemmt sein. Jedes Spiel wirkt hier mehr als kontraproduktiv. Und man sollte ja nicht auf die Idee kommen, hier Spiel herzustellen, um die Uhr zu einem langsameren Gang zu bewegen. Das funktioniert, aber nur in einem bestimmten Bereich der Federkraft. Davor und danach werden die Ergebnisse abstrus bzw. die Uhr kann dadurch auch spontan stehenbleiben!
Die Aufnahme muß auf Ihren korrekten Sitz (Sitzhöhe!) ihr Spiel, aber auch auf Abnutzung hin gründlich überprüft werden.
Ein Zuviel an Spiel, oder Klemmungen, und seien sie auch nur ganz leicht, müssen beseitigt werden.
Grat, ungleichmäßige Spielfreiheit bringen hier garantiert Probleme.
Oft wird an der Drehpendelaufnahme geölt - oft sogar: Immer mal wieder.
Ähnlich wie bei Schwarzwalduhren mit ihrer Drahtwippe - ich würde hier kein Öl verwenden.
Kein noch so dünnes Öl, und erst recht kein - noch so feines - Fett. Was ich gern getan habe:
Mit feinem, ganz reinen Petroleum leicht und weich mit einem Tupfer darüber gewischt.
Man mag meinen, das schmiert nicht. Tut es auch nicht wirklich. Dennoch bewirkt es manchmal Wunder, obwohl das (Lampen-)Petroleum doch weitestgehend verfliegt - verflogen sein muss, bis es zum Ingangsetzen kommt.
Die Pendelfeder muss insbesondere im Bereich der Aufnahme schön glatt und knickfrei sein.
Der Abfall selbst kann natürlich nach "Gehör" eingestellt werden. Dazu möchte ich anmerken, daß Einstellungen nach Gehör im Ergebnis sehr daneben liegen können, denn das menschliche Gehör lässt sich täuschen und es altert. Und damit kann es zu erheblichen Fehljustierungen kommen.
Man kann den Abfall der Hemmung aber ihn auch mithilfe von Markierungen einstellen, dabei kann man sich sicher sein, daß er - sorgfältig ausgeführt - wirklich gleichmäßig erfolgt:
Dazu markiert man sich im Stillstand der Uhr am Pendel einen Punkt nahe dem Sockel (möglichst im Bereich der Rückseite der Uhr).
Solange sich das Pendel noch in Ruhelage befindet, markiert man sich nun auf einem Blatt, welches unter der Uhr liegt, genau diese Position. Nun das Pendel in Drehbewegungen versetzt, die Uhr ein wenig laufen lassen, den Ausschwung des markierten Pendelpunktes nach rechts und links auf dem Blatt markiert - und nun ist beim Vergleich der einzelnen Markierungen eigentlich gut zu erkennen, ob der Gang gleichmäßig ist, oder nicht. Notfalls muß am Sattel nachjustiert werden.
Dann musste man sich behelfen. Oft wurde an den Federn das passende Verhältnis von Breite/Stärke/Härte manuell durch Abschleifen, Abziehen usw. hergestellt. Deshalb, weil eine alte Pendelfeder also nicht die Maße hat, die eine neue, zum Modell passende Drehpendelfeder aufweist, ist nicht lange kein Grund, weshalb die Uhr mit der alten Drehpendelfeder nicht genauso gut laufen könnte.
Ich würde also zunächst erst mit der alten Drehpendelfeder probieren, und nur wenn dies überhaupt nicht zum Erfolg führt, eine neue Feder einsetzen.
Allerdings - an diesen Uhren wurde auch oft herumgebastelt. Herumgebastelt im Sinne von - Basteln ohne konkretes Wissen um diese, hier angewandte Technologie.
Die grob richtige Länge der Pendelfeder ergibt sich daraus, daß das Pendel oben und unten nicht anstoßen darf.
Das Pendel selbst muß original sein! Ansonsten wird die Justage zum Großprojekt, da der Pendelkörper nun mal genau für ein spezielles Modell konzipiert und berechnet wurde.
Ausgehend davon, daß das Pendel original ist, muß zunächst darauf geachtet werden, daß nichts daran lose ist, was sonst nämlich zu einer (durchaus spontanen, bzw. unregelmäßigen) Verlagerung des dynamischen Schwerpunkts bzw. zu einer Gangveränderung bzw. sogar zum Stehenbleiben führen könnte/würde.
Bei nicht originalen Pendeln wird die Justierung ungleich schwieriger - aber nicht unbedingt unmöglich, so bedacht wird, daß das Gewicht und der Umfang, sowie die Pendellänge in gewissem Maß variiert werden müssen, um zu besseren Ergebnissen zu kommen.
Wenn, dann nur jeweils etwas an einem Detail in kleinen Schritten verändern, die Ergebnisse über eine gute, lieber etwas lange als zu kurze Distanz gemessen, die Ergebnisse immer wieder sorgfältig notiert, kommt man dem Wunschergebnis nach und nach näher. Natürlich kommt im letzten Notfall auch eine etwas stärkere/breitere Feder als Korrekturhilfe in solch einem Fall in Betracht, wenn die Uhr mit den üblichen Möglichkeiten unregulierbar nachgeht, oder es kommt eine dünnere/schmälere Feder infrage, wenn die Uhr unregulierbar weit vorgehen sollte.
Es gibt Pendelkörper, an denen ist unglaublich viel an Variations- und Manipulationsmöglichkeiten gegeben, und es gibt Pendelkörper, an denen ist ohne substanzielle Veränderung nicht wirklich viel veränderbar.
Es lohnt sich, wenn Gangergebnisse - trotz korrekter Hemmungsjustierung, und trotz korrekter und korrekt eingesetzter Pendelfeder - absolut nicht dem Ziel einer einigermaßen geringen und damit tolerierbaren Gangabweichung zusammen zu bringen sind, zu schauen, ob an dem Pendelkörper manipuliert wurde (Veränderung der Kugeln, des Abstand der Kugeln zum Mittelpunkt bzw., ob die Kugeln tiefer als ursprünglich vorgesehen hängern usw. ...
Es gibt unglaubliche Möglichkeiten, was alles schon probiert wurde, um eine möglichst hohe Genauigkeit zu erreichen. Die Einstellung der Hemmung, die Pendelfeder, die Führung und Aufhängung derselben, der Pendelkörper...
Bei der Justierung der Ganggenauigkeit wäre es von Vorteil, dies nicht bei fast abgelaufender Feder, aber auch nicht bei Vollaufzug zu beginnen, sondern in etwa bei der Hälfe der Federlänge. Da verlauft deren Kraftkonstante wenigstens einigermaßen linear und es kommt danach nicht zu großen Überraschungen, wenn die Uhr dann das erste Mal wieder ein ganzes Jahr durchläuft...
Walter d. J.
Der_Stromer (Rolf-Dieter) hat hier ein m.E. eigentlich sehr schönes Kapitel der Wohnraumuhren angetippt - das der Jahresuhren. Bei einigen UhrmacherInnen unbeliebt, von anderen kaum eines Blickes gewürdigt, bei Anderen, vor allem bei Besitzern eines funktionsfähigen Exemplars, aber dennoch sehr beliebt.
Auf ein paar der schon dargestellten Details möchte ich genauer eingehen:
Ja, das Einstellen bei Jahresuhren ist nicht mit dem "Geradehängen" einer Wanduhr zu vergleichen.Der_Stromer hat geschrieben: ....
Zu den Uhrmachern und Jahresuhren: Nun, eine Jahresuhr ist halt keine "Normale". Zum Beispiel eine Pendeluhr mit Grahamhemmung hat 3 Einstellungen, die gemacht werden sollen. Bei einer Jahresuhr sind das 7! Und dann kommt noch dazu, dass Jahresuhren in der Ausbildung zum Uhrmacher in den meisten Fällen nur in einigen Nebensätzen erwähnt wird oder worden ist. Und wenn jetzt ein guter Uhrmacher eine Hemmung bei einer Jahresuhr einstellen soll??? Die Lehrsätze der "normalen" Hemmungen gelten hier nicht. Und das ist dann der Grund, warum die Arbeiten an diesen Uhren viel Zeit in Anspruch nehmen und fast nie zu einem auskömmlichen Einkommen beim Rechnungsbetrag führen. Leider.
....
Bevor der Gang einer Jahresuhr überhaupt eingestellt - oder daran justiert - werden sollte, ist die Uhr an sich einzujustieren. Und zwar so, daß sie völlig eben und ruhig steht. An manchen Modellen gibt es "Wasseraugen". Diese sollten zunächst auf Funktionsfähigkeit und korrekten Sitz und eine unverbogene Halterung hin überprüft werden...
Bei manchen Modellen hilft hingegen beim Einrichten des Standes nur die Verwendung einer Wasserwaage. Und zwar nicht, um den Tisch, das Regal oder den Schrank, auf dem sie stehen soll, auszurichten, sondern die Uhr! Meist haben diese Uhren kleine Stellfüße, aber nicht alle (mehr). Ja, an diesen Uhren wurde da und dort auch schon mal etwas "herummontiert". Die Füße mussten ab und zu dabei auch "ab"...
Wenn die Uhr also wirklich eben und ruhig (!) steht - ruhig im Sinne von erschütterungsfrei, denn bestimmte Arten von Erschütterungen, insbesondere Kippeln oder Vibrieren können hier zum spontanen Stehenbleiben (aber durchaus zeitversetzt zum dafür ursächlichen Ereignis) führen, dann kann mit der Feinjustierung der Hemmung begonnen werden.
Wo ich Der_Stromer (Rolf Dieter) nicht zustimmen kann:
Beim Justieren/Überprüfen von Anker, Ankerlager usw. läuft aus meiner Erfahrung heraus zunächst alles nach dem klassischen Wissen um eine Stiftanker- bzw. Grahamankerhemmung.Der_Stromer hat geschrieben: ....
Die Lehrsätze der "normalen" Hemmungen gelten hier nicht. Und das ist dann der Grund, warum die Arbeiten an diesen Uhren viel Zeit in Anspruch nehmen...
....
Dann jedoch beginnt die technische Andersartigkeit zur "normalen" Pendeluhr:
Die Aufnahme für die Drehpendelfeder, die Drehpendelfeder an sich, und das Drehpendel verdienen ebenfalls große Aufmerksamkeit:
Die Pendelfeder muß an ihrem oberen Ende fest eingeklemmt sein. Jedes Spiel wirkt hier mehr als kontraproduktiv. Und man sollte ja nicht auf die Idee kommen, hier Spiel herzustellen, um die Uhr zu einem langsameren Gang zu bewegen. Das funktioniert, aber nur in einem bestimmten Bereich der Federkraft. Davor und danach werden die Ergebnisse abstrus bzw. die Uhr kann dadurch auch spontan stehenbleiben!
Die Aufnahme muß auf Ihren korrekten Sitz (Sitzhöhe!) ihr Spiel, aber auch auf Abnutzung hin gründlich überprüft werden.
Ein Zuviel an Spiel, oder Klemmungen, und seien sie auch nur ganz leicht, müssen beseitigt werden.
Grat, ungleichmäßige Spielfreiheit bringen hier garantiert Probleme.
Oft wird an der Drehpendelaufnahme geölt - oft sogar: Immer mal wieder.
Ähnlich wie bei Schwarzwalduhren mit ihrer Drahtwippe - ich würde hier kein Öl verwenden.
Kein noch so dünnes Öl, und erst recht kein - noch so feines - Fett. Was ich gern getan habe:
Mit feinem, ganz reinen Petroleum leicht und weich mit einem Tupfer darüber gewischt.
Man mag meinen, das schmiert nicht. Tut es auch nicht wirklich. Dennoch bewirkt es manchmal Wunder, obwohl das (Lampen-)Petroleum doch weitestgehend verfliegt - verflogen sein muss, bis es zum Ingangsetzen kommt.
Die Pendelfeder muss insbesondere im Bereich der Aufnahme schön glatt und knickfrei sein.
Der Abfall selbst kann natürlich nach "Gehör" eingestellt werden. Dazu möchte ich anmerken, daß Einstellungen nach Gehör im Ergebnis sehr daneben liegen können, denn das menschliche Gehör lässt sich täuschen und es altert. Und damit kann es zu erheblichen Fehljustierungen kommen.
Man kann den Abfall der Hemmung aber ihn auch mithilfe von Markierungen einstellen, dabei kann man sich sicher sein, daß er - sorgfältig ausgeführt - wirklich gleichmäßig erfolgt:
Dazu markiert man sich im Stillstand der Uhr am Pendel einen Punkt nahe dem Sockel (möglichst im Bereich der Rückseite der Uhr).
Solange sich das Pendel noch in Ruhelage befindet, markiert man sich nun auf einem Blatt, welches unter der Uhr liegt, genau diese Position. Nun das Pendel in Drehbewegungen versetzt, die Uhr ein wenig laufen lassen, den Ausschwung des markierten Pendelpunktes nach rechts und links auf dem Blatt markiert - und nun ist beim Vergleich der einzelnen Markierungen eigentlich gut zu erkennen, ob der Gang gleichmäßig ist, oder nicht. Notfalls muß am Sattel nachjustiert werden.
Die Kraft, die zum Schwingen (Drehen) des Pendels erforderlich ist, hängt vor allem von der Breite und Stärke der Drehpendelfeder ab. Heute gibt es für fast alle (gängigen) Modelle die passende Feder zu kaufen. Dies war nicht immer so einfach möglich wie heute.Der_Stromer hat geschrieben: ....
Und dann noch die Pendelfeder..... Ein Pendel kennt ja jeder und weiß, wie es den Gang beeinflusst. Aber ein Drehpendel? Nur soviel: Die Federkraft der Pendelfeder bestimmt hier den Gang der Uhr, kaum die Länge und eben so wenig das Gewicht des Drehpendels. Ansonsten hier wie dort die gleichen Abläufe: Ruhe - Hebung - Fall und ganz wichtig: der Abfall. Leider kann man ja eine Jahresuhr nicht einfach schief an die Wand hängen, um den Abfall zu richten![]()
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Dann musste man sich behelfen. Oft wurde an den Federn das passende Verhältnis von Breite/Stärke/Härte manuell durch Abschleifen, Abziehen usw. hergestellt. Deshalb, weil eine alte Pendelfeder also nicht die Maße hat, die eine neue, zum Modell passende Drehpendelfeder aufweist, ist nicht lange kein Grund, weshalb die Uhr mit der alten Drehpendelfeder nicht genauso gut laufen könnte.
Ich würde also zunächst erst mit der alten Drehpendelfeder probieren, und nur wenn dies überhaupt nicht zum Erfolg führt, eine neue Feder einsetzen.
Allerdings - an diesen Uhren wurde auch oft herumgebastelt. Herumgebastelt im Sinne von - Basteln ohne konkretes Wissen um diese, hier angewandte Technologie.
Die grob richtige Länge der Pendelfeder ergibt sich daraus, daß das Pendel oben und unten nicht anstoßen darf.
Das Pendel selbst muß original sein! Ansonsten wird die Justage zum Großprojekt, da der Pendelkörper nun mal genau für ein spezielles Modell konzipiert und berechnet wurde.
Ausgehend davon, daß das Pendel original ist, muß zunächst darauf geachtet werden, daß nichts daran lose ist, was sonst nämlich zu einer (durchaus spontanen, bzw. unregelmäßigen) Verlagerung des dynamischen Schwerpunkts bzw. zu einer Gangveränderung bzw. sogar zum Stehenbleiben führen könnte/würde.
Bei nicht originalen Pendeln wird die Justierung ungleich schwieriger - aber nicht unbedingt unmöglich, so bedacht wird, daß das Gewicht und der Umfang, sowie die Pendellänge in gewissem Maß variiert werden müssen, um zu besseren Ergebnissen zu kommen.
Wenn, dann nur jeweils etwas an einem Detail in kleinen Schritten verändern, die Ergebnisse über eine gute, lieber etwas lange als zu kurze Distanz gemessen, die Ergebnisse immer wieder sorgfältig notiert, kommt man dem Wunschergebnis nach und nach näher. Natürlich kommt im letzten Notfall auch eine etwas stärkere/breitere Feder als Korrekturhilfe in solch einem Fall in Betracht, wenn die Uhr mit den üblichen Möglichkeiten unregulierbar nachgeht, oder es kommt eine dünnere/schmälere Feder infrage, wenn die Uhr unregulierbar weit vorgehen sollte.
Es gibt Pendelkörper, an denen ist unglaublich viel an Variations- und Manipulationsmöglichkeiten gegeben, und es gibt Pendelkörper, an denen ist ohne substanzielle Veränderung nicht wirklich viel veränderbar.
Es lohnt sich, wenn Gangergebnisse - trotz korrekter Hemmungsjustierung, und trotz korrekter und korrekt eingesetzter Pendelfeder - absolut nicht dem Ziel einer einigermaßen geringen und damit tolerierbaren Gangabweichung zusammen zu bringen sind, zu schauen, ob an dem Pendelkörper manipuliert wurde (Veränderung der Kugeln, des Abstand der Kugeln zum Mittelpunkt bzw., ob die Kugeln tiefer als ursprünglich vorgesehen hängern usw. ...
Es gibt unglaubliche Möglichkeiten, was alles schon probiert wurde, um eine möglichst hohe Genauigkeit zu erreichen. Die Einstellung der Hemmung, die Pendelfeder, die Führung und Aufhängung derselben, der Pendelkörper...
Bei der Justierung der Ganggenauigkeit wäre es von Vorteil, dies nicht bei fast abgelaufender Feder, aber auch nicht bei Vollaufzug zu beginnen, sondern in etwa bei der Hälfe der Federlänge. Da verlauft deren Kraftkonstante wenigstens einigermaßen linear und es kommt danach nicht zu großen Überraschungen, wenn die Uhr dann das erste Mal wieder ein ganzes Jahr durchläuft...
Walter d. J.
Zuletzt geändert von walter der jüngere am Do 7. Feb 2013, 10:10, insgesamt 1-mal geändert.
Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958
Keine Frage, der alte Schmodder sollte aus der Feder einer Drehpendeluhr raus.
Insgesamt finde ich aber die Idee, diese Feder mit MOS2 zu schmieren sehr interessant: Denn bei der Schmierung kommt es darauf an, welcher Schmierfilm früher reißt: Ein Ölfilm, oder ein MOS2-Film.
Und da würde ich vermuten, dass MOS2 hier Vorteile bietet.
Ich verfüge hier zwar nicht "über langjährige Erfahrungen", aber ich würde es bedenkenlos probieren. Die Drehpendeluhr wird es schon nach kurzer Zeit zeigen..
droba
Insgesamt finde ich aber die Idee, diese Feder mit MOS2 zu schmieren sehr interessant: Denn bei der Schmierung kommt es darauf an, welcher Schmierfilm früher reißt: Ein Ölfilm, oder ein MOS2-Film.
Und da würde ich vermuten, dass MOS2 hier Vorteile bietet.
Ich verfüge hier zwar nicht "über langjährige Erfahrungen", aber ich würde es bedenkenlos probieren. Die Drehpendeluhr wird es schon nach kurzer Zeit zeigen..
droba