Diskussion Lenzkirch-Werk

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Felix18
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von Felix18 »

Hallo droba,

aus meiner (laienhaften) Sicht sagt mir mein technisches Verständnis, das entweder die Bohrungen vor der Stanzung erfolgten - somit
wären auch die Bezugskanten vorhanden gewesen, oder die gestanzte Platine wurde in einer Form verwindungsfrei befestigt und dann erst gebohrt.
So könnte man exakte Ergebnisse erzielen.
Die von Dir angesprochene Werkzeugreparatur das Stanzwerkzeugs oder der Bohrvorrichtung - inwieweit die technischen Möglichkeiten einer Feinjustierung
zu dieser Zeit möglich waren, weiß ich nicht. Vielleicht findet sich hier noch ein kompetentes Mitglied im Forum, der zu diesen speziellen Fall der Metallverarbeitung
historisch gut bewandert ist. Was ich aber definitiv dazu sagen kann - man soll sich nicht durch die heutige Technologie dazu verleiten lassen, das es damals nicht möglich
gewesen wäre, im Feinmessbereich gute Leistungen zu erzielen, zumindest im 1/10tel mm Bereich.
Das jetzt aber alles aus meiner Sicht genau zu erläutern, warum ich diese Aussage behaupte, würde den Rahmen hier sprengen und wer plaudert gern in einem öffentlichen
Forum aus seinem Privatbereich, woher er dieses Wissen bezieht. Das möchte ich definitiv nicht tun.
C.


*Sapere aude*
walter der jüngere

Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

ich kann Felix 18 nur zustimmen, es ist möglich, daß man auch damals mit diesen Formen sehr hohe Wiederholgenauigkeit - auch bei eneuerter Führung - erzielen konnte.

Daran lagen bzw. liegen m.E. die vermuteten Probleme an dem Werktyp also ganz gewiss nicht.

In der Tat gibt es an diesem Werktyp konstruktive Details, die man hätte anders und damit vielleicht auch besser hätte lösen können.
Jedoch: Nicht alle heute nur noch in kleinen Stückzahlen zu findenden Werke, und nicht alles, was nur wenig gebaut wurde, war auch konstruktiv fehlerbehaftet. Dies würde aus meiner Sicht einer einseitigen Spekulation zu sehr nahe kommen.

Walter d. J.
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Felix18
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von Felix18 »

walter der jüngere hat geschrieben: Nicht alle heute nur noch in kleinen Stückzahlen zu findenden Werke, und nicht alles, was nur wenig gebaut wurde, war auch konstruktiv fehlerbehaftet. Dies würde aus meiner Sicht einer einseitigen Spekulation zu sehr nahe kommen.
Walter d. J.
Anders herum gesehen habe ich ein Lenzkirch Werk, welches in hohen Stückzahlen produziert wurde und evtl. eine Fehlkonstruktion war. Vielleicht betrifft es nur mein Lenzkirch Uhrwerk oder
nur wenige davon, das etwas bei der Produktion schief gelaufen ist. Das würde aber nur ein Abgleich mit Besitzern dieses Werkes ans Tageslicht bringen können.
Zumindest in meinen Fall hat der Mythos "Lenzkirch", der in der heutigen Zeit vorherrscht, ein paar Plus - Sternchen fallen gelassen. ;)
Auf der anderen Seite kann man das auch als normal betrachten bei solchen Produktionszahlen.
C.


*Sapere aude*
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droba
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von droba »

Felix, ich sehe die Firma Lenzkirch Ende der 1870er Jahre eher noch auf der Stufe einer Manufaktur mit vergleichsweise geringen Fertigungsziffern. Um 1880 kamen Messwerkzeuge erst auf, ein Messen im heutigen Sinn können wir deshalb nicht voraussetzen. Genau wie bei Junghans müssen wir davon ausgehen, dass bei Lenzkirch zu diesem Zeitpunkt fast ausschließlich mit Schablonen und Lehren gefertigt worden ist.

Der wichtigste Grund, warum ich Euch dieses Werk zeige, wurde bisher noch gar nicht angesprochen: Die rechte Rückplatine des Gehwerkes. Was sagt Ihr zu der ausgefallenen Form?

droba
walter der jüngere

Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

ja, der technische Fortschritt brachte und brauchte auch genauere Messwerkzeuge. Die dann stark einsetzende Normung begünstigte dies ungemein.

Allerdings: Auch ohne stetiges Nachmessen konnte damals - wie mittlerweile von droba erwähnt - auch schon mithilfe von Lehren und Schablonen eine sehr hohe Wiederholgenauigkeit erreicht werden. Genaues Anlegen usw. vorausgesetzt.

@droba: Was meinst Du mit "rechte Gehwerksplatine"??
Das Geh- und Schlagwerk hat m.E. jeweils eine eigene Rückplatine. Lediglich der Federantrieb sitzt auf einer - gemeinsamen - separaten Rückplatine.
Ich sehe auf der rechten Bildhälfte immer eine Schlagwerkplatine.
Oder meinst Du die Gehwerkplatine - die sehe ich immer auf der linken Bildhälfte.

Oder aber hast Du bei Deiner Fragestellung das Werk von vorn betrachtet?
Dann natürlich ist von Dir die auf den Bildern links befindliche Gehwerksplatine gemeint.
Eine zwar komplizierte, aber korrekte Beschreibung. O.K. Sollest Du dies so beabsichtigt haben, dann entschuldige meine diesbezügliche Nachfrage. Die hat sich dann nämlich erledigt.

Aber ganz gleich, welche der insgesamt drei Räderwerkplatinen auf der Werkrückseite Du meinst:
Was bitte soll daran so ungewöhnlich sein?
Die Form der Platinen?
Die Bohrungen für die Lager?
Die etwas funktionslos wirkende Einbuchtung in der - m.E. Schlagwerkplatine?
Eine nicht existente Herstellersignatur?
Welches andere Detail meinst Du?

Walter d. J.
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Felix18
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von Felix18 »

droba hat geschrieben: ein Messen im heutigen Sinn können wir deshalb nicht voraussetzen.
droba
Hallo droba,

das ist ganz klar. Nur welchen Ansatz ich bei der Sache einbringen möchte ist, durch die heutige Technik ist das alte Wissen nicht mehr,
oder nur teilweise vonnöten. Damals gab es noch Leute, wo man sagen würde, die verstehen ihr Handwerk. Je nach Gutdünken dieser Leute
vermittelten sie ihr spezielles Wissen auch an den Nachwuchs. Das nahmen sie sich als Privileg heraus zu entscheiden, wer von ihren meist
lebenslangen Wissen in Zukunft profitieren durfte. Angesehen waren sie in den Firmen selbst aus den höchsten Etagen, da man auf sie im
Fertigungsbereich oder wo auch sonst, einfach angewiesen war. Und das wußten sie.
Kleines Beispiel aus dem Metallbereich: Wie richtet man eine Stahlblechplatte von 2 x 3 Meter plan? Der eine verbringt den ganzen Arbeitstag daran
und die Platte wird immer krummer, der andere setzt ein paar gezielte Hammerschläge und die Platte liegt plan. ;)
Man sollte sich bei dieser Diskussion nicht so sehr an Messwerkzeuge und Verfahren halten. Sicher ging es ohne diese Mittel nicht, aber den
letzten "Schliff" macht die jahrelange Erfahrung aus und da genügte dann ein genauer Blick bei solchen Leuten aus.
C.


*Sapere aude*
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droba
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von droba »

Felix, wir reden hier nicht von (Kunst)-Handwerk, sondern von einem Fertigungsprozess. Da werden für die Montage keine Fachkräfte, sondern billige, möglichst flinke Hände gebraucht. Spezialisten waren die End-Kontrolleure oder Regleure. Wenn aber die Teile nicht zusammengesetzt werden können, weil Abstände nicht stimmen, wird es schwierig. Dann können auch Spezialisten nicht mehr viel ausrichten.

Auf was ich hinweisen will ist die rechte Rückplatine. Ihre ausgefallene Form lässt überlegen, ob dieses Stanzteil mehrfach verwendet wurde und vielleicht in einem anderen Werk eine weitere Funtion übernehmen sollte. Um Kosten zu sparen.

droba
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wahli76
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von wahli76 »

Diese Art Fertigungsprozeß kann man sehr gut im Uhren-Industriemuseum Villingen-Schwenningen erleben. Dort ist eine komplette Fertigungslinie für Wecker aufgebaut. Diese wird öfters auch betrieben und das Publikum kann u.a. live miterleben, wie schwierig das Einrichten der einzelnen Vorrichtungen sein kann.

Ich habe das Museum vor einigen Jahren besucht und das langwierige Einrichten einer Maschine zum Zeigerstanzen mitbekommen. Das hat gedauert, bis der Zeiger eine mittige Ausnehmung hatte für die Leutchtmasse.

Viele Grüße

Kurt
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droba
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von droba »

Ja, das Uhrenindustriemuseum ist in seiner Konzeption beeindruckend und eine gute Gelegenheit, um das Einstellen von Maschinen nachzuvollziehen!

droba
petsch
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Re: Diskussion Lenzkirch-Werk

Beitrag von petsch »

petsch hat geschrieben:....Ein ähnliches Werk, also auch mit geteilten, versetzten Platinen hab ich auch ohne Schlag gehabt. Auch eine Wanduhr. Das Werk war am Zifferblattrand mit einem Scharnier ausklappbar an der Gehäuseseite befestigt.

Hier hab ich so ein Werk zufällig heute bei ebay wiedergefunden. Findet man eher selten, ich habe zwischen meinem (vor mindestens 10 Jahren) und diesem, keins mehr gesehen.

http://www.ebay.de/itm/LENZKIRCH-UHRENW ... 4ac8e3caff

Gruß
Peter
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