neuen Großuhrhemmung

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Taloon
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neuen Großuhrhemmung

Beitrag von Taloon »

Hab ich grade im Kanal von Philclock entdeckt. Erinnert mich persönlich ja stark an eine gewisse Silent-Hemmung der Firma Junghans aber schauts euch selber an...

http://youtu.be/D3sXrmAvdl4

Was Karlo da wohl zu meint :D
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droba
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von droba »

Hallo Taloon,

diese Art von Hemmung kann ich mir nur in sehr großen Uhren vorstellen- zum Beispiel in einer Turmuhr.

Aber für Turmuhren haben unsere Altvorderen wirklich bessere und vor allem exaktere Hemmungen zustande gebracht- und dabei muss man noch gar nicht an eine Hemmung mit freiem Pendel denken.

Ich will damit sagen: Was bringt diese Hemmung- ich kann keinen Vorteil erkennen.

droba
KleineSekunde
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo,

ob diese Art der Hemmung technisch gesehen vorteilhaft ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen, dazu fehlen mir leider die nötigen Kenntnisse...

Da diese Art der Hemmung jedoch wohl von der Schülern einer Uhrmacherschule entwickelt und auch umgesetzt wurde, habe ich großen Respekt vor dieser Leistung! Von der ersten Idee bis zur endgültigen konstruktiven und auch funktionierenden Realisierung ist es immerhin ein sehr weiter Weg!

Ich kenne die Zielvorgabe bei der Entwicklung dieser Hemmung natürlich nicht, eventuell war es auch ein "Gedankenexperiment mit ungewissem Ausgang", welches dann umgesetzt wurde.

Alleine die Umsetzung von einer Idee zur fertigen Lösung erfordert einiges an "Gehirmschmalz" und der Lerneffekt wird vermutlich sehr groß gewesen sein - unabhängig davon, ob sich dann auch technische Vorteile ergeben oder eben auch nicht. Eventuell war es ja auch so gedacht...?

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
winne
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von winne »

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Typ1-2-3
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von Typ1-2-3 »

Ich habe dazu schon was im anderen Forum gesagt. Kann ich nur hier wiederholen:

Mir ist bei dieser Hemmung zu viel Fall vorhanden. Der Fall ist so riesig, dass über Kurz oder Lang die Hemmradzähne leiden, und je größer die Uhr und die Kräfte, um so mehr. Ich halte die Sache eher für einen Rückschritt. Da wurde schon in der Theorie geschlampt. Der Fall ist hier konstruktionsgemäß mehr als die Hälfte der Teilung, und das ist eindeutig viel mehr als bei anderen Hemmungen. Daher geht extrem viel Kraft verloren und wird dazu eingesetzt, die Konstruktion zu zerstören.

Sorry, dass ich so deutlich bin, aber ich halte davon nichts. Und jeder, der sich mit der Mechanik der Hemmungen auskennt, wird mir zustimmen.

Frank
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Gnomus
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von Gnomus »

Die Uhr aus Winnes Beitrag gibt optisch zwar viel her, aber eine Präzisionsuhr (wie im Video behauptet) ist sie sicher nicht. Im Video ist sehr deutlich zu erkennen, daß es sich um eine rückführende Hemmung handelt.
Die Hemmung aus Phils Kanal erinnert mich eher an die Scherenhemmung. Allerdings statt 1 Nagel 2 Zähne und statt 2 Paletten eine Rolle. Die Ruhereibung ist hier aber statt der Gleitreibung eine Rollreibung, die geringe Reibung sollte sich eigentlich positiv auswirken. Der Fall ist aber in der Tat sehr groß, das ließe sich konstruktiv sicher verändern.
Interessant ist auch Taloons Assoziation zum Junghans-Lautloswecker. Allerdings meine ich hier nicht den Stift zwischen den Zähnen zweier konzentrischer Hemmungsräder. Bei vielen Leisegang/-tick-Weckern (z.B. Ruhla Leisegang) ist das Hemmungsrad federnd gelagert. So könnte man bei dieser Schuluhr z.B. zwischen Hemmungsrad und Welle so etwas wie ein Federhaus anbringen, wo mit Hilfe einer schwachen Spiralfeder die Welle und Rad gekuppelt sind. Beim Fall würden dadurch Rolle und Steigzähne geschont. Naja, nur so ne Idee von mir.
Gruß
Micha
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droba
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von droba »

Die Hemmung bringt wirklich keinerlei Fortschritt oder Vorteil, sie birgt aber viele Unsicherheiten und sogar Nachteile. Ich halte sie für äußerst schmutzanfällig und der Fall ist wirklich sehr groß. Das Kugellager dreht zudem nicht durch, sondern wird nur in einem sehr begrenzten Winkel vor- umd zurück gedreht. Das wird auf Dauer nicht ohne Folgen bleiben.

Als Bastelei im Rahmen einer Berufsausbildung kann ich so eine Konstruktion wertschätzen- eine Uhrmacherschule muss sich dagegen die Frage gefallen lassen, ob sie die Theorie und Praxis der Konstruktion einer Großuhren-Hemmung noch beherrscht.

droba
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Gnomus
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von Gnomus »

droba hat geschrieben:Das Kugellager dreht zudem nicht durch, sondern wird nur in einem sehr begrenzten Winkel vor- umd zurück gedreht.
droba
Da hast Du recht, das hab ich nicht bedacht. Aber ich seh das auch einfach mal als Experiment an. Viele Experimente führen in eine Sackgasse, manche bringen einen auch weiter.
Gruß
Micha
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droba
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von droba »

Gnomus hat geschrieben:Da hast Du recht, das hab ich nicht bedacht. Aber ich seh das auch einfach mal als Experiment an. Viele Experimente führen in eine Sackgasse, manche bringen einen auch weiter.
Gnomus, ich habe auch nichts dagegen, wenn Dinge experimentell entwickelt werden.

Aber was mich immer wieder in Erstaunen versetzt: Es gibt in der Geschichte der Menschheit kein anderes technisches Bauteil oder eine mechanische Baugruppe , in die soviel "Hirnschmalz" hineingearbeitet worden ist, wie in eine mechanische Uhr oder speziell in eine Hemmung. Die Uhrmacherschulen haben früher richtige "Hemmungsatlase" erstellt, in denen die Hemmungen mit ihren verschiedenen Vor- und Nachteilen aufgeführt und besprochen worden sind. Es ist wirklich verdammt schwer, da noch etwas zu konstruieren, was mechanisch besser geeignet wäre. Selbst Riefler erreichte mit seinen Präzisionpendeluhren bereits um das Jahr 1900 eine Genauigkeit von +/- 0,008 Sekunden am Tag! (Und Sattler in München kann heute von solchen Werten nur träumen, wird diese Werte aber nie erreichen!)

Das Kugellager ist eine mechanische Baugruppe und schon recht alt. Und den Unterschied zwischen rollender Reibung und gleitender Reibung hat man schon im 19 Jh. sehr gut gekannt- und hat trotzdem keine "Kugellager-Hemmungen" gebaut. Die wussten bestimmt sehr gut, warum!

Die Kugellagerhemmung der Uhrmacherschule ist noch aus einem anderen Grund konstruktiv sehr fragwürdig. Ein Kugellager ist überhaupt nicht für Stöße konstruiert- und bei diesem Lager kommt der Stoß zudem immer auf dieselbe Stelle, da das Lager ja nicht durchdreht.

Dazu gibt es eine Geschichte, die sich wirklich so ereignet hat:

BMW hat aus diesem Grund in Canada eine fest geplante Autofabrik abgesagt. Die Autos hätten lange Strecken auf Eisenbahnwaggons transportiert werden müssen. Man hat das dann erst in Versuchen ausprobiert, aber die Schienenstöße bewirkten, dass am Ziel alle Autos mit defekten Radlagern abgeladen wurden: Das ständige Stoßen der Schienen hatte auf der langen Fahrt alle Radlager zerstört.

Und so wird es auch mit dieser Hemmung sein: Ein Kugellager ist für Stöße immer an derselben Stelle überhaupt nicht geeignet. Und den Schmutz wird auch kein Mensch aus solch einem Lager herausbekommen. (Auf einer Graham-Hemmung kann er einfach zur Seite geschoben werden- und das wars dann schon!)

droba
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Gnomus
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Re: neuen Großuhrhemmung

Beitrag von Gnomus »

droba hat geschrieben: Und so wird es auch mit dieser Hemmung sein: Ein Kugellager ist für Stöße immer an derselben Stelle überhaupt nicht geeignet. Und den Schmutz wird auch kein Mensch aus solch einem Lager herausbekommen. (Auf einer Graham-Hemmung kann er einfach zur Seite geschoben werden- und das wars dann schon!)

droba
Hallo Droba,
genau darüber habe ich mir heute während einer entspannenden Eisenbahnfahrt auch meine Gedanken gemacht. Hab ein bißchen rumgesponnen, daß man z.B. anläßlich der Wartung der Uhr die Kugellager ein bißchen verdrehen könnte. Oder man könnte ja auch die Kugellager während des Ganges der Uhr automatisch langsam verdrehen. Vielleicht wie bei einem Tourbillon? Dann hat sich zum Glück eine Stimme in meinem Kopf gemeldet und die frug mich, "geht es vielleicht noch ein bißchen aufwendiger und umständlicher?"
Ne, ich glaube Du hast recht, begraben wir diese Idee lieber. Als Kuriosum mag sie noch taugen, und da würde sie sicher auch ihre Abnehmer finden. Aber ein Fortschritt ist sie wohl eher nicht.
Aber als nette Spielerei durchaus geeignet.
Gruß
Micha
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