Nachtrag zum Paletten schleifen

Funktion, Ratschlaege, Fragen,.....
Forumsregeln
Falls hier theoretische Hilfen angeboten werden, so sollen und können sie keinen Uhrmacher ersetzen. Sie sind ohne jede Garantie oder Gewähr und jeder muss selbst wissen, was er sich zutrauen kann und dass man mit einem Selbstversuch evtl. leichtfertig die Uhr zerstören könnte. Vor allen Dingen wertvolle Uhren gehören in die Hand eines Fachmanns. Vielleicht sogar eines Fachmanns hier aus dem Forum. Laien sollten unbedingt den oben angepinnten Hinweis über Uhrenfedern lesen.
Antworten
Benutzeravatar
wahli76
Beiträge: 399
Registriert: Di 17. Jan 2012, 13:08
Wohnort: bei München

Nachtrag zum Paletten schleifen

Beitrag von wahli76 »

Hallo zusammen,

im Thread "Paletten schleifen - eine Anleitung mit Bildern" wurde das Thema sehr schön und ausführlich am Beispiel von Einzelpaletten behandelt. Was beim Schleifen von Einzelpaletten noch recht einfach geht, ist beim Schleifen eines Massivankers schon etwas aufwändiger. Zu der vorgestellten Vorrichtung aus dem BHI-Journal gibt es noch eine etwas einfachere Alternative.

Beim Nachschleifen eines Ankers für einen Wiener 60-Tage-Läufer habe ich ein paar Fotos vom Vorgang gemacht, die ich hier beifüge.

Aber erst zu den Vorbereitungen, denn die Paletten waren stark verschlissen und überdies verschliffen:
1) Konstruktion des Hebekreises
2) Herstellen eines Messingteils mit passendem Mittelloch für Ankerwelle und Hebekreisradius
3) Zusammenbiegen des Ankers (ca. 0,5mm). Das verändert zwar die Geometrie, z.B. Ruheradius; habe ich aber in Kauf genommen, weil bei einer 60-Tage-Uhr der Ruhewinkel wirklich minimal ist, damit die Uhr überhaupt läuft.

Dann zur Ausrüstung:
1) Diamantfeile zum Vorschleifen
2) Degussit-Feile zum Feinschleifen
3) mit 3M-Polierfolie beklebter Messingstreifen zum Polieren
4) kleiner, rechtwinklig geschliffener Schaubstock (gibts relativ günstig bei http://www.otelo.com oder ähnlichen Firmen)
5) kleiner, genauer Winkel, am Besten ein Haarwinkel

Zum Einspannen dreht man das Messingteil so, daß die Schraubstockbacke die Tangente zum Hebekreis bildet. Korrigieren, bzw. überprüfen mit Haarwinkel. Das geht recht einfach bei der Eingangspalette (Bild: graham_1). Bei der Ausgangspalette lege ich den Winkel an der Seite des (rechtwinklig geschliffenen) Schraubstockes an (Bild: graham_3)

Zum Schleifen, bzw. Polieren nimmt man die im Vergleich zur Palettenfläche großen Flächen des Schraubstockes zur Führung.

Viele Grüße

Kurt
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Nachtrag zum Paletten schleifen

Beitrag von Typ1-2-3 »

Schön gemacht, und zwar mit einfachen Mitteln. Gefällt mir sehr. Muss ich mir merken

Frank
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Nachtrag zum Paletten schleifen

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Kurt,

zunächst vielen Dank für deinen schönen und anschaulichen Bericht!

Ein paar Fragen hätte ich dazu:
wahli76 hat geschrieben:...Aber erst zu den Vorbereitungen, denn die Paletten waren stark verschlissen und überdies verschliffen:
1) Konstruktion des Hebekreises
Der Hebekreis ergibt sich doch aus Tangenten der Hebeflächen der Paletten. Wenn diese nun stark verschlissen sind, könnte man über die verbleibenden und intakten Bereiche ja den Hebekreis ermitteln. Da diese Flächen hier aber bereits verschliffen waren: Wie gehtst du dann vor? Gibt es eine andere Möglichkeit zur Konstruktion ohne die Hebeflächen der Paletten zu nutzen? Wie sieht die praktische Vorgehensweise aus? Entfernst du die Welle und arbeitest dan auch (Millimeter-)Papier?
wahli76 hat geschrieben:3) Zusammenbiegen des Ankers (ca. 0,5mm). Das verändert zwar die Geometrie, z.B. Ruheradius; habe ich aber in Kauf genommen, weil bei einer 60-Tage-Uhr der Ruhewinkel wirklich minimal ist, damit die Uhr überhaupt läuft.
Wenn ich es richtig sehe, erfolgt das Zusammenbiegen des Ankers ja, um den Materialabtrag an den Paletten zu kompensieren. Wenn aber beide Schenkel des Ankers gleichmäßig gebogen werden, so müsste im Idealfall die Geometrie doch wieder stimmen, da die Ruheflächen doch einen Kreis beschreiben und somit sich beim weiteren Biegen irgendwann dann treffen müssten. Ja, die Praxis sieht natürlich anders aus, und Kompromisse sind natürlich nötig.
wahli76 hat geschrieben:Zum Schleifen, bzw. Polieren nimmt man die im Vergleich zur Palettenfläche großen Flächen des Schraubstockes zur Führung.


Verschleißt durch das Feilen nicht die Oberfläche des Schraubstockes? Behutsames Vorgehen verbessert die Sache natürlich. Legst du plane Bleche zur Schonung der Oberfläche unter? Zur Befestigung könnte man sie ja eventuell plan auflacken.

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Benutzeravatar
wahli76
Beiträge: 399
Registriert: Di 17. Jan 2012, 13:08
Wohnort: bei München

Re: Nachtrag zum Paletten schleifen

Beitrag von wahli76 »

Hallo Guido,

ein paar der Fragen hatte ich schon befürchtet. Hier die Antworten:

Schraubstockverschleiß:
Durch das Schleifen (gelegentlich nehme ich den Schraubstock auch als Feilhilfe) ist Abtrag wirklich sehr gering. Ich nehme einfach in Kauf, daß ich den Schraubstock nach einer Weile nicht mehr für so präzise Arbeiten verwenden kann. Aber der hat mich vor 8 Jahren 25€ gekostet und wird wohl noch 4 Jahre halten. Die ersten Schrammen auf den geschliffenen Oberflächen haben mir schon weh getan, aber dann habe ich ihn zu Verbrauchsmaterial erklärt.

Hebekreiskonstruktion:
Bei verschlissenen Hebeflächen ermittle ich den Hebekreis konstruktiv mit einem CAD-Programm. Die wichtigsten Größen sind ja leicht meßbar: Hemmraddurchmesser, Anzahl Hemmradzähne, Übergriff, Abstand Hemmrad-Ankerwelle, Ruheradius und Palettendicke. Wenn sich der Anker leicht von der Welle lösen läßt, scanne ich den Anker und schaue mir im CAD-Programm an, auf welchen Hebekreis die Tangenten hinlaufen. Hin und wieder komme ich erst bei der Nachkonstruktion der Hemmung darauf, daß z.B. ein falscher Anker eingebaut ist.

Zusammenbiegen des Ankers:
Beim Zusammenbiegen spanne ich den Anker in denselben kleinen Schraubstock, den ich fürs Feilen verwende, und drücke ihn an den äußersten Spitzen zusammen. Dadurch bewegen sich die Aktionsflächen des Ankers zur Ankerwelle hin, der Ruheradius wird also kleiner. Danach könnte man die Enden der Paletten wieder von der Ankerwelle wegdrücken um den Ruheradius wieder zu vergrößern. Traue ich mich aber nicht, weil der Anker ziemlich hart ist und leicht bricht.

Viele Grüße

Kurt
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Nachtrag zum Paletten schleifen

Beitrag von Typ1-2-3 »

Wenn man Bedenken hat, den harten Anker zu biegen, sollte man vielleicht an der Stelle, wo Ankerkörper und die beiden Ankerarme zusammen kommen, den Anker etwas anlassen. Dann lässt es sich leichter und gefahrloser biegen, ohne dass die Paletten deswegen weicher werden.
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Nachtrag zum Paletten schleifen

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Kurt,

vielen Dank für deine Erklärungen!

Gut, bei einem Anschaffungspreis von 25 € für den Schraubstock kann man mit ein wenig Verschleiß sicherlich gut leben. Ich hatte mit deutlich höheren Kosten gerechnet...

Interessant zu sehen, dass auch hier der "Kollege Computer" unterstützen kann.

Wenn der von Frank beschriebene Bereich angelassen und somit weicher wird, sollte das Biegen dann doch auch bevorzugt in diesem weichen Bereich stattfinden. Es würde sich also eine Art "Scharnier" um den grün markierten Punkt ergeben und sich der Ruheradius im Idealfall somit nicht ändern, da sich die Außenseiten der Paletten dann doch auf dem benötigten Kreis bewegen:
Anker.jpg
Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Antworten