Fräsen eines Großuhrentriebes

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teslak
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Registriert: Sa 21. Aug 2010, 12:25
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Fräsen eines Großuhrentriebes

Beitrag von teslak »

Fräsen eines Triebes

Anfertigung des Minutenradtriebes:
Der Wellenrohling wurde gemäß Zeichnung vorgedreht. Damit der Rundlauf gewährleistet ist sind als erstes die Zentrierkörner (90°) an beiden Seiten angedreht worden. So konnte bei der Bearbeitung das relativ lang auskragende Wellenende durch den Reitstock sicher abgestützt werden. Die Welle erhält in allen Durchmessern ein Aufmass (außer der Bereich des zu fräsenden Triebes), so dass die Welle möglichst stabil zum Fräsen ist. Das Übermaß wird dann nach dem Härten und Anlassen entsprechend der Zeichnungsvorgabe gedreht.
Minut1.jpg
Die Welle wurde auf der Optimum-Drehmaschine grob vorgedreht und an der kleinen Lorch-Drehmaschine auf Zeichnungsmaß gebracht. Besonderes Augenmerk wurde auf Rundlauf der Wellenbäume als auch des Triebkörpers gelegt.
3838.jpg
Auf der rechten Seite des Bildes sieht man die Abstützung der Welle mittels Kugellager. So kann eine leichte Vorspannung zum Drehen angebracht werden um die Vibrationsneigung der langen dünnen Wellenabschnitte zu vermeiden.
3842.jpg
Die fertigen Rohlinge warten auf die weitere Bearbeitung.

Weiter geht es mit dem Aufrüsten der Fräsmaschine. Es wird dazu eine relativ einfache Fräsmaschine von Optimum (BF20) verwendet. Diese ist in den Achsen (X und Y) des Tisches auf Kugelumlaufspindeln umgerüstet, was sich in einem wahrnehmbaren besseren Fräsbild zeigt.
Recht am Maschinentisch wird der Teilapparat montiert. Es ist ein Schaublin-Teilapparat, welchen ich von meinen Uhrenmitbauer Bernd leihweise zur Verfügung gestellt bekommen habe.
3844.jpg
Zum Zerspanen wird ein Thornton-Fräser eingesetzt, welcher einen Modul von 0,5mm hat und für Triebe mit 16 Zähnen vorgesehen ist.
3847.jpg
Die Qualität und das Preis/Leistungsverhältnis sind bei den Thornton-Fräsern sehr gut. Auch die Beschaffung gestaltet sich sehr einfach. Bestellung per Mail, Lieferung innerhalb von maximal 2 Wochen. Bezahlung einfach mittels internationaler Überweisung.

Der in der Pinole eingesetzte Fräser wird mit Hilfe des Triebrohlings auf Mitte eingestellt. Die Zentrierspitze eignet sich vorzüglich dafür den Fräser sauber auf Höhe auszurichten.
3850.jpg
Der Triebrohling wird mit dem Teilapparatseitigen Wellenende mittels Ø5mm Spannzange befestigt, die gegenüberliegende Seite mittels Reitstock und Körnerspitze (female).

Bevor mit dem eigentlichen fräsen begonnen wird, sollte unbedingt noch einmal der Rundlauf der gespannten Welle überprüft werden. Der Einfachheit halber verwendete ich ein Messstativ mit einer Messuhr. Der gemessene Rundheitsfehler war unter 1/100mm, was absolut in Ordnung ist.
3854.jpg
Um nicht an der Fräsmaschine mit beengten Platzverhältnissen der eingespannten Welle experimentieren zu müssen, wurde die räumliche Situation bereits am CAD grob überprüft.
Einrichtblatt1.jpg
Ende des ersten Teils. Fortsetzung folgt.
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teslak
Beiträge: 141
Registriert: Sa 21. Aug 2010, 12:25
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Re: Fräsen eines Großuhrentriebes

Beitrag von teslak »

Teil 2
In der Zeichnung sind die wichtigsten Verhältnisse angegeben, ebenso alle notwendigen Maße zum Fräsen.
Da der Außendurchmesser des Triebes um 0,1mm größer als vorgegeben gedreht wurde, muss das Aufmass bei der Tiefenzustellung mit berücksichtigt werden. Nach der Vorabrechnung wäre die komplette Zahnhöhe 1,46mm, bedingt durch das Aufmass beträgt die Tiefenzustellung dann 1,46mm + 0,05mm -0,02mm (Ankratztiefe des Fräsers beim Anfahren an das Werkstück) = 1,49mm.

Die verwendete Fräserdrehzahl betrug wie von Thornton vorgegeben bzw. empfohlen 320 Umdrehungen/min. Die Tiefenzustellung des Fräsers wurde in 0,3mm Schritte ausgeführt. Beim letzten Durchgang wurde darauf geachtet, die Zustellung auf 0,05 zu begrenzen.
3855.jpg
Als Triebstahl wurde ein ETG100, ein so genannter Vergütungsstahl mit 0,45% Kohlenstoffanteil verwendet. Besser wäre natürlich ein Sandvik 20AP ein kohlenstoffhaltiger Automatendrehstahl. Den habe ich aber bisher noch nicht aufgetrieben.
3857.jpg
Das obige Bild zeigt den fertig gefrästen Trieb. Es wurde wie man deutlich sieht regelmäßig mit Schneidöl geschmiert, was sich ein einer sehr sauberen Oberflächenqualität zeigt.
3862.jpg
3863.jpg
3864.jpg
Viele Grüße,
Dieter
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Typ1-2-3
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Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Fräsen eines Großuhrentriebes

Beitrag von Typ1-2-3 »

Toller Bericht, schöne Bilder. So kann man mit entsprechendem Werkzeug alles nachbauen.

Das Fräsbild finde ich phantastisch. Das spricht dafür, dass Du alles richtig gemacht hast. Und das erleichtert das Polieren erheblich. Bin auf die Fortsetzung gespannt.

Frank
karlo

Re: Fräsen eines Großuhrentriebes

Beitrag von karlo »

Schoen geworden.
Bestellst Du bei Thornton direkt?
Das war vor nem Jahr oder 2 kaum bezahlbar wegen Frachtkosten.
Wie willst Du ETG100 haerten? Einsatz?
Zum 20AP sollten wir vielleicht mal ueber eine Sammelbestellung nachdenken, ich wuerde den auch gerne mal testen. Das Datenblatt, besonders die Haertekurve, ist vielversprechend, und mit nichtindustriellen Mitteln realisierbar.

Karlo
teslak
Beiträge: 141
Registriert: Sa 21. Aug 2010, 12:25
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Re: Fräsen eines Großuhrentriebes

Beitrag von teslak »

Hallo Karlo,

ja ich habe die Fräser direkt bei Thornton bestellt. Das ging absolut problemlos. Ich habe für alles um die 80€ für den Fräser mit Versand bezahlt. Das ganze mit "internationaler Überweisung".
Da ich zwei Minutenwellen angefertigt habe werde ich eine Welle Einsatzhärten lassen, die andere auf Grund des Kohlenstoffgehaltes im Ofen härten und anlassen. So kann ich dann vergleichen was mit dem Vergütungsstahl passiert, der ja eigentlich nur für das Einsatzhärten und die verschiedenen Nitrierverfahren vorgesehen ist.

Jedoch habe ich bereits auch schon Schneidwerkzeige aus dem ETG100 gefertigt, mit Flamme gehärtet und angelassen und mit Erfolg den gleichen Werkstoff zerspant (ETG100), bei sehr sauberer erzielter Oberfläche.

Viele Grüße aus Mittelfranken,
Dieter
winne
Beiträge: 365
Registriert: Mo 30. Aug 2010, 10:19

Re: Fräsen eines Großuhrentriebes

Beitrag von winne »

Hallo Dieter

Mit Freude habe ich deinen Bericht gelesen, schön das sich mal wieder einer traut eine
Sekundenpendeluhr zu bauen! Wenn man so ein Werk betrachtet sieht man vier Räder
Und manch einer denkt gleich ach wie einfach das doch ist.
Aber erst bei der Konstruktion und erst recht bei der Ausführung bekommt man zu spüren
Wie Komplex so ein Sekundenpendeluhrwerk doch ist.
Glückwunsch Dieter super Arbeit!
Zum härten verzogene Triebe lassen sich auch wieder Rundsetzen!



Gruß Winne
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