Messing-Oberfläche

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KleineSekunde
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Messing-Oberfläche

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo,

da ich ja kein Uhrmacher bin, erstelle ich vor dem Zerlegen von Uhrwerken recht viele Bilder, um den Zusammenbau anschließend zu vereinfachen...

Nun sieht man in der folgenden Makro-Aufnahme eher unregelmäßige Strukturen in der Oberfläche des Hemmungsrades:
Hemmungsrad Oberfläche.jpg
Es handelt sich hierbei - und bei den folgenden Bildern - um Oberflächen aus einer "Industrie-Uhr", die wohl etwa in den 1930er Jahren enstanden ist.

Ich würde aufgrund der fehlenden Oberflächenstruktur an den bearbeiteten Bereichen der Zähne jedenfalls davon ausgehen, dass diese Struktur bereits bei der Herstellung vorhanden war und nicht später durch "fehlerhafte Reinigungsversuche" enstanden ist. Eventuell ist diese Oberfläche ja auch durchaus gewollt, um eine Art von "Strukturverfestigung" zu erzielen, ähnlich zu den völlig regelmäßigen Strukturen, wie man sie auch hier auf der Platine dieser Uhr sieht (aber natürlich auch auf vielen anderen Platinen):
Oberfläche Platine.jpg
Eine solche, völlig regelmäßige Struktur findet sich auch auf einem Zahnrad im Aufzugsbereich:
Oberfläche Zahnrad Aufzug.jpg
Wie man im Vergleich zu der darunter befindlichen Platine (recht unscharf) eventuell erkennen kann, ist diese Prägestruktur auf dem Zahnrad im Vergleich zu der Platine jedoch deutlich tiefer ausgeführt.

Die Oberflächen von anderen Zahnrädern in der Uhr weisen dagegen eine geschliffene Struktur auf.

Warum also diese doch recht deutlichen Unterschiede in der Oberflächenstruktur der einzelnen Bauteile? Sind diese durch das Herstellverfahren (Gießen / Walzen) bedingt? Gab es unterschiedliche Zulieferer, die mit verschiedenen (gewollten) Prägestrukturen gearbeitet haben? Oder kann durch die Struktur der Oberfläche auch die Festigkeit des Materials in einem gewissen Rahmen beeinflusst werden, um so Anpassungen an die Anforderungen der jeweiligen Bauteile zu ermöglichen?

Eventuell kann hier ja jemand etwas dazu berichten.

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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soaringjoy
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Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von soaringjoy »

Um was für ein Werk handelt es sich denn?
Ist es ein Vedette, würde ich sagen, oui, c'est la vie, pas de problem!
J.
"tempus nostrum"
KleineSekunde
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Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Jürgen,

es handelt sich hier um eine Siemens HU3, also einer recht frühen elektrischen Hauptuhr von Siemens.

Die Platine dieser frühen Uhr zeigt bereits eine eher "industrielle Prägestruktur" auf den Platinen, während bei einer meiner beiden Siemens HU10-Uhren (die ja deutlich später entwickelt wurden) die Platine keinerlei Prägestruktur aufweist (sondern eine geschliffene Oberfläche zeigt), die zweite Siemens HU10-Uhr diese Prägung aber wiederum hat. Diese beiden HU10-Uhren würde ich dabei zeitlich fast gleich einordnen.

Eventuell gab es tatsächlich verschiedene Zulieferer für die Basismaterialien zur Herstellung der einzelnen Bauteile (Platine, Zahnräder,...).

Als Hersteller der entsprechenden Siemens-Werke zumindest für die HU10-Uhren kenne ich jedenfalls nur die Firma Bäuerle, aber eventuell gab es hier auch weitere Hersteller, womit unterschiedliche Herstellverfahren der Bauteile und damit in den Oberflächenstrukturen dieser Bauteile zu erklären wären.

Nun, auch Unterschiede in der Oberflächenstruktur zwischen gegossenen und gewalzten Materialien gibt es sicherlich. Eventuell kamen hier auch unterschiedliche Herstellverfahren zum Einsatz.

Detailinformationen würden mich also doch interessieren.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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praezis
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Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von praezis »

Die regelmässigen Strukturen der 2 letzten Beispiele gehören zu einem patentierten Verfahren zum Flach- und Geraderichten von Blechen. Hatte mal vor langer Zeit darüber gelesen. M.W. in Pforzheim entwickelt in den 30-40er Jahren.
Gruß,
Frank
Fliegeruhren - Hanhart Vintage Service
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droba
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Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von droba »

Hallo Guido,

das Verfahren heißt heute "Waffelprägung" (siehe hier; http://de.wikipedia.org/wiki/Waffelpr%C3%A4gung). Es dient dazu, die Stanzteile geradezurichten und steifer zu machen. Bei Uhren wurde es besonders für die Prägung bei Platinen verwendet, um deren Ebenheit nach dem Stanzvorgang zu erhöhen. Denn wenn sich das Stanzwerkzeug etwas abnützt, kann es zu Verformungen kommen, die man schlecht wieder beseitigen kann.

Es wurde von den Herstellern selber angewendet. Nach meinem Eindruck kam es Ende der 1920er, Jahre auf, aber genaues ist mir nicht bekannt.

droba
KleineSekunde
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!

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo,

zunächst vielen Dank für die Rückmeldungen / Informationen zu der "Waffelstruktur" und den damit verbundenen Verbesserungen der Eigenschaften des Materials!

Interessant, dass dieses Verfahren schon recht früh (also bei der HU3-Uhr) eingesetzt wurde, bei den späteren HU10-Uhren aber wohl nicht mehr durchgängig zum Einsatz kam (siehe oben).

Eventuell gibt es ja auch noch Hinweise zu der unregelmäßigen Struktur des Hemmungsrades:
Hemmungsrad Oberfläche.jpg
Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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karlo

Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von karlo »

Die Waffelpraegung zum Richten ist ja hinreichend erklaert.
Aber dieses Hemmungsrad sieht gegossen aus, was aber ueberhaupt nicht mehr in die angegebene Zeit passt. Vielleicht alte Lagerware die verbaut wurde...

Karlo
KleineSekunde
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Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von KleineSekunde »

karlo hat geschrieben:Aber dieses Hemmungsrad sieht gegossen aus, was aber ueberhaupt nicht mehr in die angegebene Zeit passt. Vielleicht alte Lagerware die verbaut wurde...

Karlo
Hallo,

zunächst vielen Dank für die bisherigen Antworten!

Sicherlich könnte alte Lagerware verbaut worden sein. Falls es sich aber beim Hemmungsrad um gegossenes Material handeln sollte: Hätte gegossenes Material ein spezielles Gefüge, welches für die Verwendung bei bestimmten Zahnrädern (hier Hemmungsrad) vorteilhaft erschienen haben könnte? Ich habe hier ein Ersatzwerk, bei dem das Hemmungsrad genau die gleiche Struktur zeigt, aber eine deutlich höhere Seriennummer aufweist (allerdings weiß ich nicht, ob diese Nummern fortlaufend gestaltet sind).

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido
karlo

Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von karlo »

Nein, eher Nachteile. Es ist weich. Aber beim Gangrad ist das eher nebensaechlich.

Karlo
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Leisegang
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Registriert: Mi 1. Sep 2010, 23:10

Re: Messing-Oberfläche

Beitrag von Leisegang »

Hallo Uhrenfreunde,

zum Thema Waffelmuster möchte ich auch eine Information dazu beitragen,
die ich im Uhrenindustriemuseum bekommen habe.

Die Platinen wurden in der Uhrenindustrie rauplaniert,
durch Einprägen eines Rastermusters (Fachausdruck Rauplanieren) werden Spannungen abgebaut
und die Teile können plan gerichtet werden.

Zuweilen führte man das Richten auch zwischen planparallelen Platten durch. Später gab es auch Richtmaschinen.


Durch das Ausstanzen der Platinen wurden Spannungen in das Material eingebracht, das zum Verzug führen konnte,
durch das Rauplanieren wurden die Bleche entspannt.

Gruß Leisegang
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