Die Fertigung
Man muss bei solchen Uhren natürlich bedenken, dass die Fertigung nicht von routinierten Fabrikarbeitern oder Maschinen erfolgt ist, sondern von Schülern, die mehr oder weniger gut sind. Ein Freund elektrischer Uhren hat eine sehr hochwertige Uhr mit Steinlagern, er sprach aber auch von einer Uhr, die wohl niemals laufen konnte, weil die Fertigung den Mindestanforderungen einfach nicht entsprach. Meine Uhr ist eher dem mittleren Segment zuzuschreiben: Es sind mehrere Ungenauigkeiten zu sehen, aber das Räderwerk läuft gut. Die Uhr lief nach wenigen Eingriffen längere Zeit durch, der Prüfling „hat also bestanden“, vielleicht mit einem „Befriedigend“. Das möchte ich hier mal im Detail betrachten:
Bei der Benotung von Schülern zählt man ja häufig auch die Fehler. Da Fehler natürlich mehr auffallen als alles, was richtig gemacht wurde, werden wir uns gezwungenermaßen auch damit beschäftigen müssen. Dabei habe ich nichts nachgemessen – Sollmaße stehen mir auch nicht zur Verfügung. Aber manche Ungenauigkeiten des Schülers sind einfach so schon sichtbar.
-----Die Messinghülse der Pendellinse muss offensichtlich beim Drehen einmal aus dem Dreibackenfutter gefallen sein. Denn die Macken, die so etwas hinterlässt, sind unverkennbar. Besonders, wenn so etwas einem selbst schon passiert ist. Ebenso ist die Stempelung „69“ einmal nicht so recht gelungen, sodass sie ein 2. Mal ausgeführt werden musste. Insgesamt sind die Fehler aber von außen nicht zu sehen, erst, wenn man die Pendellinse zerlegt.
-----Beim Räderwerk sind am meisten Fehler aufzufinden, denn diese Teile sind die kleinsten, die an dieser Uhr zu finden sind. Hier macht sich mangelnde Präzision am ehesten bemerkbar. So sind einige Zapfen einfach nicht schön in der Herstellung: Oben sind sie nicht arrondiert, sondern sehen eher so aus, als wären sie abgebrochen. Man hätte das im Rahmen der Reparatur ändern können. Das wäre aber nicht im Sinne der Originalität gewesen. Auch die Riefen im Zapfen kommen nicht durch Verschleiß, denn bei diesen Uhren gibt es kaum Kraftübertragung. Daher bleiben auch sie.
-----Die Schenkelung des Räderwerks wurde offensichtlich ausgeschnitten, wie das auch bei Rädern in der Fabrik gemacht würde. Das geht schnell und präzise, wenn denn auch der Grat gebrochen worden wäre. Da sind offensichtlich lässliche Fehler gemacht worden.
-----Beim Sekundenrad ist ein Verzahnungsfehler gemacht worden. Bild und Foto erläutern das, was bei der Herstellung wohl passiert ist: Wenn der Zahnformfräser genau zum Mittelpunkt der Ronde eingestellt ist, ergibt sich ganz zwangsläufig die richtige Zahnform, denn der Fräser gibt dies vor. Bei dem Sekundenrad ist der Fräser etwas hoch eingestellt gewesen.
Dadurch sind alle Zähne schief geworden – ganz gleichmäßig und alle identisch, aber halt schief. Trotzdem läuft das Räderwerk gut durch, daher ist dieser Fehler für eine elektrische Uhr nicht schlimm. Denn da werden keine großen Kräfte übertragen. Bei einer mechanischen Uhr sähe das schon ganz anders aus.
-----Das Klinkenrad hat auch einen Zahnungsfehler. Das Bild zeigt, dass beim 2. Durchgang des Fräsers (diese Räder werden häufig in 2 Durchgängen gefräst) die Schnitttiefe nicht richtig eingestellt war. Außerdem scheint das Rad beim 2. Durchgang nicht genau mittig eingestellt worden zu sein, denn der Fehler ist nicht bei allen Zähnen gleich.
Trotzdem ist die Funktionalität dieses Teiles voll gegeben. Natürlich bleibt auch hier dieser Fehler.
Die Reparatur
Bei der Reparatur konnte ich mich auf wenige Dinge beschränken. Die Pendelfeder fehlte und wurde ersetzt. Da konnte ein Fertigteil verwendet werden, denn die Passmaße stimmten im Großen und Ganzen. Nur die Befestigung der Pendelfeder musste an die Pendelstange der Uhr und den Haltebock angepasst werden.
Leider hat der letzte Reparateur – oder war es vielleicht auch der Schüler – die Uhr mit ungeschützten Fingern angefasst. Bei der Räderwerk fiel das besonders auf. Ich habe mal die ungereinigte Grundplatine zusammen mit der gereinigten Räderwerkbrücke aufgenommen, um den Kontrast deutlich zu machen.
Der Handschweiß hat tiefe Oxidationen hinterlassen, die sehr schwer wegzubekommen waren. Aus diesem Grunde wird die Uhr nach der Reinigung auch mit mikrokristallinem Wachs behandelt. Es verhindert neue Oxidationen und macht das sonst ungeschützte Messing resistenter gegenüber Lufteinflüssen.
Die Räder waren auch sehr oxidiert und mussten gereinigt werden. Gereinigte gegenüber ungereinigten Rädern zeigen den Unterschied.
Ansonsten war an der Uhr nicht besonders viel zu tun, sodass sie jetzt wieder im neuen Glanz strahlt.
Ende
Frank