ATO-Uhr

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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KleineSekunde
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ATO-Uhr

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo,

nach der abgeschlossenen Aufarbeitung meiner Brillié-Uhr, hat nun eine kleine ATO-Uhr mein Interesse geweckt. Hier ein Foto vom Ausgangszustand (der Farbeindruck täuscht, das Gehäuse ist deutlich heller, wie man auf den anderen Fotos sehen kann):
Ato Gesamt 11.jpg
Das Gehäuse war insgesamt in einem recht ordentlichen Zustand, auch wenn ich den Eindruck hatte, dass es schon einmal vorsichtig angeschliffen wurde, zumindest machte es einen recht stumpfen und matten Eindruck:
Gehäuse Fundzustand 1.jpg
Ich habe mich dazu entschlossen, das Gehäuse lediglich zu reinigen und mit einer speziellen Politur für Schellack (die aber auch für andere Oberflächen gut geeignet ist) zu behandeln. Eine neue Lackierung des Gehäuses wäre in dem Fall meiner Einschätzung nach etwas zuviel des Guten gewesen, da ich die Gebrauchsspuren und damit den Charakter der Uhr so weit wie möglich erhalten wollte. Die Messingteile wurden gereinigt und poliert.

Das Werk wurde natürlich zerlegt und gereinigt. Hier ein Foto der Zifferblattseite des Werkes im Fundzustand:
Werk Vorderseite 1.jpg
Oben sieht man die Sperreinrichtung, die verhindert, dass sich das Werk zurück dreht. Links sieht man das Klinkenrad mit dem die Uhr durch die am Pendel befestigte Klinke weiter bewegt wird. Das Klinkenrad wird dabei von der Schaltklinke bei jeder Schwingung des Pendels um einen Zahn weiter bewegt.

Hier eine Detailansicht des oberen Pendelbereichs mit der Aufhängung:
Werk Vorderseite 1.jpg

Der goldene Kontaktstift des Kontaktblocks, der auf den Platinkontakt auf dem Kontaktträger wirkt, war recht verschlissen (auf dem Foto erkennt man auf dem oberen Kontaktstift deutlich den Abrieb und Schmutz):
Kontaktstift Abrieb 1.jpg
Kontaktstift 21.jpg
Hier eine Ansicht des Kontaktträgers. Außen wippen dabei die Kontaktstifte im Takt der Pendelbewegung.
Kontaktträger 1.jpg
Der Kontaktstift wurde also aus dem Träger heraus gedrückt, bzw. geschlagen (mangels anderer Möglichkeiten mit einer an der Spitze etwas abgestumpften Stecknadel) und um 180° gedreht. Die neue Kontaktseite wurde dann mit einem glatten Metallstück „poliert“ (geschadet hat es sicher nicht, aber ob es auch etwas genützt hat?).

Details zu der Kontaktierung finden sich auch in dem Beitrag von Frank:

http://www.dg-chrono.info/dg-chrono.de/ ... &hilit=ATO

Auch die Pendelaufhängung war recht stark verschlissen. Von einem freundlichen Klavierhändler habe ich passende Klavier-Saiten bekommen, die sich als Ersatzmaterial aufgrund ihrer großen Härte sehr gut eignen. Die verfügbaren Stärken passten auch gut zu den vorhandenen Stärken der Pendelaufhängung (Klaviersaiten werden nach einem besonderen System bestimmt und deren Dicke nicht in Millimetern angegeben, wir haben die vorhandenen Saiten also ausgemessen und einen möglichst passenden Ersatz gewählt).

Hier ein Foto von den ersten, wenig geglückten Bemühungen, die Drähte passend zu biegen (die Originale liegen jeweils links):
Pendeldraht 1.jpg
Mit einer guten Rundzange und einiger Übung anhand von vielen Probeexemplaren gelang es dann aber schließlich doch die sehr harten Drähte passend zu biegen.

Das erste Muster habe ich noch mit einem Seitenschneider abgeschnitten, dies empfiehlt sich aufgrund der extremen Härte der Drähte jedoch nicht. Bei weiteren Versuchen habe ich die Drähte dann mit einer Diamant-Trennscheibe für den Dremel gekürzt.

Das Goldplättchen, welches unter der Feder befestigt ist, die mittig auf dem Pendel angebracht ist (auf dem folgenden Foto sichtbar unterhalb der Schraube für die Befestigung des Drahtes für die Pendelaufhängung), wird bei dieser Uhr von oben auf den goldenen Zapfen der Kontaktwippe gedrückt.
Kontakt Pendel 1.jpg
Die Anordnung wird eventuell bei der seitlichen Ansicht etwas deutlicher:
Kontaktfeder seitlich 1.jpg
Im Gegensatz zu der von Frank hier vorgestellten ATO-Uhr erfolgt die Kontaktierung der Kontaktwippe also nicht seitlich auf den (dann etwas längeren) Zapfen, sondern von oben.

Hier ein Vergleich zu der Lösung bei der von Frank vorgestellten Uhr mit seitlicher Kontaktierung:
Kontakt seitlich, Frank.jpg
Die direkte Kontaktierung des Zapfens der Kontaktwippe mittels des Goldplättchens und der Feder ist erforderlich, da die Zapfen der Kontaktwippe im Pendelblock geölt werden und somit eine zuverlässige Kontaktierung über die Lagerstellen in dem Pendel nicht möglich wäre.

Alle Lagerstellen werden sparsam geölt, auch die Pendeldrähte. Die Spitze der Schaltklinke bleibt trocken. Alle Kontakte müssen natürlich absolut sauber und fettfrei sein.

Hier eine Übersicht der gereinigten Teile (das Pendel habe ich bei dem Gruppenfoto vergessen, es wurde aber natürlich auch gereinigt):
Teile Übersicht 1.jpg
Die Grobregulierung erfolgt zunächst an der Mutter unten am Pendel:
Reguliermutter.jpg
Wie man auf dem Foto sieht, trägt die Uhr die Nummer 9127, es handelt sich also wohl um eine eher frühe Uhr.

Die Feinregulierung erfolgt dann hinten am Gehäuse über den metallischen „Zeiger“, der offensichtlich das Magnetfeld in der Uhr ausreichend beeinflussen kann:
ATO Feinregulierung.jpg
Die vertikale Position des Pendels lässt sich oben durch Verschieben der dicken Drähte justieren, eine Feineinstellung der horizontalen Position des bogenförmigen Magneten lässt sich mit den beiden Schrauben unten am Pendel realisieren.

Im Fundzustand wurden die Kabel eines modernen Batterieträgers direkt an die Kontaktzungen gelötet. Dies wurde natürlich rückgängig gemacht und ein passender Batterieadapter aus Pertinax und Pappe angefertigt. Betrieben wird die Uhr mit einer 1,5 Volt Babyzelle. Der mittlere Kontaktstift ist dabei der Pluspol. Das Etikett wurde frei nach verfügbaren Vorlagen gestaltet:
Batterieadapter 2.jpg
Ich habe anschließend versucht, die Vergußmasse der originalen Batterien mit Weißleim zu imitieren. Auf dem oberen Foto sieht man noch den Zustand ohne die „Vergußmasse“. Man erkennt auch schemenhaft, dass die Kontaktstifte normale Messingschrauben sind, bei denen der nach oben nicht benötigte Gewindeteil abgefeilt wurde.
Batterie ATO Verguss.jpg
Da der Weißleim beim Trocknen schwindet und die Pappe des Gehäuses somit nach innen zieht, wurde er in mehreren dünnen Schichten aufgetragen und erst zum Schluss mit einem Edding geschwärzt.

Abschließend noch drei Fotos der nun fertigen ATO-Uhr:
ATO fertig vorne 1.jpg
ATO fertig hinten 1.jpg
ATO Innen.jpg
Momentan läuft die Uhr noch im Probebetrieb, die Regulierung muss also noch erfolgen. Zur besseren Zugänglichkeit der Reguliermutter ist das Zifferblatt noch nicht montiert (von hinten wäre die Mutter natürlich auch zugänglich aber ich wollte mir das häufige Drehen und das Ausbauen der Batterie sparen), das Zifferblatt wurde lediglich für das Foto eingelegt, daher ist es nicht zentriert. Weiterhin fehlen noch die beiden Haltelaschen links und rechts zur Befestigung des Werks im Gehäuse.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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karlo

Re: ATO-Uhr

Beitrag von karlo »

Toll hin gekriegt.

Karlo
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soaringjoy
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Re: ATO-Uhr

Beitrag von soaringjoy »

Da schließe ich mich ohne wenn und aber an;
Eine kleine Augenweide! ;)
Ganz offensichtlich kniest Du Dich in Lernprozesse rein... gut.
J.
"tempus nostrum"
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Typ1-2-3
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Re: ATO-Uhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Schöne Uhr. Die Uhren sind wirklich etwas knibbelich zu reparieren, wegen der Kleinteile an den Kontakten und beim Klinkenrad. Schön hinbekommen, ist ein nettes Ührchen geworden, was sich im Wohnzimmer bestimmt ganz toll macht.

Frank
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