Jahresuhr H. Samuel / Manchester
Diese Uhr habe ich direkt aus England erstehen können.
Ein wenig enttäuscht war ich dann schon, als das gute, aber völlig geschlachtete Stück hier ankam. Na, was soll’s. Jahresuhren, die schon über 100 Jahre auf der Feder haben, dürfen schon mal so aussehen.
Nun aber zur Uhr:
Was mich so elektrisierte war ein verschwommenes Bild einer Marke auf der hinteren Platine. 2 Elefanten, die eine Uhr halten! Das konnte nur die „Jahresuhrenfabrik“ vom Aug. Schatz sein, also genau mein Jagdgebiet.
Mein Terwilliger bestätigte das dann auch: Platine 1595 aus 1912! Also, die Uhr ist ca. 101 Jahre alt. . Und die Uhr war komplett (ja, auch das Werk, das Federhaus und die Räder!!) Versilbert und nicht, wie viele Andere nur vernickelt oder Glanzverchromt. Schwierig wurde es später beim Reinigen, da die Silberauflage in matt gehalten war. Also kein, oder nur sehr vorsichtiges Polieren war angesagt.
Also, vorweg: Als Rentner habe ich Zeit. Daher hat es dann einige Monate gedauert, bis ich die Engländerin in Angriff genommen habe. Als Erstes musste eine Holzplatte als Füllung für den Sockel her. Pft, das war ein Problem. Eine Drechslerei finden, die so einen kleinen Auftrag machen will. In der Hallertau, da wo der gute Hopfen herkommt, war dann Jemand bereit, die Scheibe zu drehen. Und das hat den Drechslermeister auch noch gefreut, als ich Ihm erzählte, wozu das Stück ist. Er hat es dann auch gleich in den Sockel eingesetzt und die Säulen und den Stuhl drauf montiert. Und sehr günstig war das Ganze auch noch, bis auf meine Fahrerei hin und her. Ca. 180km.
Jetzt ging es also ans Eingemachte: Werk zerlegen, Reinigen (3 x US-Bad und so), Zapfen und Lager Prüfen und Reinigen, Räder Zähne geputzt, etc. etc. Feder aus dem Federhaus (Grrrr. Wie gerne ich das mache – muss mir unbedingt mal einen Federwinder zulegen -), alten Schmodder raus, Feder mit Wolllappen und feinem Fett eingerieben und wieder eingesetzt. Es ging alles gut!
Dann der Zusammenbau. In der Zwischenzeit wurden auch der Sockel und die Säulen samt Stuhl überarbeitet. Der Sockel wurde, da doch blanke Stellen vorhanden waren, mit Zaponlack matt überzogen. Der Rest nur mit Wachs konserviert. Nun, ich glaube, auch der Sockel sieht ganz gut aus.
Die Pendelfeder wurde noch ersetzt und die Gabel (der Mitnehmer) wurde aus dem Fundus ersetzt, da der Originale nicht dabei war.
Und was sagt Ihr jetzt zu dieser Uhr? Eine schöne Lady, die den Weg in ihr Geburtsland wieder gefunden hat und auch noch weiter Leben darf!
Übrigens: Die Firma H. Samuel in Manchester gibt es heute noch. Ein Juwelier mit einigen Niederlassungen und in der gehobenen Preisklasse. Vielleicht schreibe ich ihn mal an und stelle die Uhr per Bild vor!
Eine Englische Lady findet nach 101 Jahren nach Hause
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Eine Englische Lady findet nach 101 Jahren nach Hause
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Re: Eine Englische Lady findet nach 101 Jahren nach Hause
Hallo Rolf-Dieter,
schöne Uhr und sehr schön wieder aufgemöbelt . Danke für den ausführlichen Bericht darüber.
Nach England sind damals viele Uhren aus Deutschland und darunter natürlich auch Jahresuhren exportiert worden. Dies ist die erste Jahresuhr , die ich sehe, die von H. Samuel verkauft, bzw. signiert worden ist.
Ich kenne allerdings fast unzählig viele Taschenuhren mit der Signatur, englische aber auch Uhren schweizer Ursprungs.
Samuel existiert, wie Du auch schreibst, immer noch und ist die Juwelierskette mit den meisten Filialen in England. Ich habe gelesen, dass es über 400 sind.
Gruß
Peter
schöne Uhr und sehr schön wieder aufgemöbelt . Danke für den ausführlichen Bericht darüber.
Nach England sind damals viele Uhren aus Deutschland und darunter natürlich auch Jahresuhren exportiert worden. Dies ist die erste Jahresuhr , die ich sehe, die von H. Samuel verkauft, bzw. signiert worden ist.
Ich kenne allerdings fast unzählig viele Taschenuhren mit der Signatur, englische aber auch Uhren schweizer Ursprungs.
Samuel existiert, wie Du auch schreibst, immer noch und ist die Juwelierskette mit den meisten Filialen in England. Ich habe gelesen, dass es über 400 sind.
Gruß
Peter
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Re: Eine Englische Lady findet nach 101 Jahren nach Hause
Hallo Rolf-Dieter,
vielen Dank für diesen schönen Bericht! Schön zu sehen, dass es der "Englischen Lady" wieder gut geht...
Wie hast du denn die versilberten Teile behandelt / vorsichtig aufpoliert?
Vielen Dank!
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
vielen Dank für diesen schönen Bericht! Schön zu sehen, dass es der "Englischen Lady" wieder gut geht...
Waren solche Füllungen des Sockels bei diesen Uhren üblich und fehlte diese hier? Oder sollte durch die Füllung für zusätzliche Stabilität / Standfestigkeit der Uhr gesorgt werden?Der_Stromer hat geschrieben:Als Erstes musste eine Holzplatte als Füllung für den Sockel her.
Wie hast du denn die versilberten Teile behandelt / vorsichtig aufpoliert?
Vielen Dank!
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
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Re: Eine Englische Lady findet nach 101 Jahren nach Hause
@ Peter: Ja, freue mich auch darüber, dass es so gut geklappt hat. So wie die Uhr bei mir ankam
Aber jetzt passt sie wunderbar in meine Sammlung und ist wirklich ein seltenes Stück
!
@ Guido: Bei diesen alten Uhren war der Sockel meist mit einer Holzplatte wie der Neue verstärkt. Es kam auch vor, dass nur der obere Teil des Sockels mit einer kleineren Holzplatte (Höhe ca. 10mm) verstärkt war, da hier ja auch die Schrauben der Säulen (bei meiner Uhr 6mm Eisenstab mit entsprechendem Gewinde - nicht metrisch -) etwas brauchten, was sie stabilisierte. Später wurde das doch recht dünne Blech mit einer Zinkeinlage stabilisiert und noch später (nach dem WKII) wurden Kunststoffplatten und Füllungen bei diesen großen Uhren verwendet. Zum Beispiel beim Kaliber 49 von Schatz wurde der Kunststoffsockel mit Messingblech überzogen. Auch um den Schwerpunkt möglichst weit nach unten zu bringen, wurden diese Platten eingebaut.
Zum Silber: Das hat mir richtiges Kopfzerbrechen bereitet. Der Sockel war so geschwärzt und zerkratzt, dass eigentlich nur Polieren in Frage kam. Das habe ich dann auch gemacht, mit dem Erfolg, dass viele Stellen spiegelblank wurden
. Da half dann wirklich nur noch der Zaponlack matt, denn ein Schleifen zum Aufrauhen kam wegen der Dicke der Silberauflage nicht in Frage. Alternative wäre neu Versilbern
. Die anderen Teile der Uhr waren zum Glück nicht so empfindlich und Abgegriffen. Ein Reinigen hat da geholfen und ausgereicht. Diese Teile (Säulen, Stuhl und Werkteile) wurden dann auch "nur" mit Wachs konserviert.


@ Guido: Bei diesen alten Uhren war der Sockel meist mit einer Holzplatte wie der Neue verstärkt. Es kam auch vor, dass nur der obere Teil des Sockels mit einer kleineren Holzplatte (Höhe ca. 10mm) verstärkt war, da hier ja auch die Schrauben der Säulen (bei meiner Uhr 6mm Eisenstab mit entsprechendem Gewinde - nicht metrisch -) etwas brauchten, was sie stabilisierte. Später wurde das doch recht dünne Blech mit einer Zinkeinlage stabilisiert und noch später (nach dem WKII) wurden Kunststoffplatten und Füllungen bei diesen großen Uhren verwendet. Zum Beispiel beim Kaliber 49 von Schatz wurde der Kunststoffsockel mit Messingblech überzogen. Auch um den Schwerpunkt möglichst weit nach unten zu bringen, wurden diese Platten eingebaut.
Zum Silber: Das hat mir richtiges Kopfzerbrechen bereitet. Der Sockel war so geschwärzt und zerkratzt, dass eigentlich nur Polieren in Frage kam. Das habe ich dann auch gemacht, mit dem Erfolg, dass viele Stellen spiegelblank wurden


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Re: Eine Englische Lady findet nach 101 Jahren nach Hause
Hallo Rolf-Dieter,
vielen Dank!
Was mir jetzt erst auffällt: Die Pfeiler als auch die Kugeln sind jeweils in der Mitte deutlich dunkler. Vermutlich wurden diese Bereiche ab Werk "geschwärzt", also irgendwie oxidiert, brüniert, gebeizt, was auch immer. Oder handelt es sich hier ganz simpel um einen Lackauftrag? Interessant, dass diese Farbunterschiede auch heute noch so schön sichtbar sind. Oder hast du die irgendwie "nachbehandelt"?
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
vielen Dank!
Was mir jetzt erst auffällt: Die Pfeiler als auch die Kugeln sind jeweils in der Mitte deutlich dunkler. Vermutlich wurden diese Bereiche ab Werk "geschwärzt", also irgendwie oxidiert, brüniert, gebeizt, was auch immer. Oder handelt es sich hier ganz simpel um einen Lackauftrag? Interessant, dass diese Farbunterschiede auch heute noch so schön sichtbar sind. Oder hast du die irgendwie "nachbehandelt"?
Schöne Grüße
Guido / KleineSekunde
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Re: Eine Englische Lady findet nach 101 Jahren nach Hause
@ Guido, ja, das ist gebeizt. Schwefelleber, glaube ich, wurde dazu verwendet. Das wurde nur gereinigt. Ging auch, da keine groben Kratzer oder so vorhanden waren. Polieren ist hier kontraproduktiv!