Junghans einmal anders

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soaringjoy
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Junghans einmal anders

Beitrag von soaringjoy »

Hallo,

diese Junghans Wanduhr, die vor Kurzem aufgearbeitet wurde,
wollte ich Euch nicht vorenthalten.

Ich kann die Uhr nicht datieren, schätze aber, dass sie nach der
Übernahme von Junghans durch den Diehl Konzern entstanden ist.

Zunächst sieht das Uhrwerk relativ "Junghänsisch normal" aus, wäre da
nicht, ooopps, ein Trieb am Windfang aus Kunststoff.
Ansonsten gibt es keine Plastik- oder Nylonteile am Uhrwerk.

Das böse Erwachen kam dann bei der Gehäusebearbeitung.
Dieses Teil ist aus einer Paste aus geschreddertem Holz zusammen
gepresst und notdürftigst furniert. Spanplattenähnlich, nur schlechter.
Sogar ein Hohlraum in einer Seitenwand wurde einfach überfurniert.
Darauf kam dann außen eine sehr lieblose Hochglanzlackierung.
Lediglich die Rückwand besteht aus Sperrholz.

Ich vermute, dass das Gehäuse, wie bei anderen, billigeren Uhren
und Möbel auch, aus ehemaliger DDR- oder anderer Ostblockproduktion
stammt.

Überlebenskampf einer untergehenden Industriesparte hin oder her,
so kann es nicht gutgehen. Da lachen doch die Hühner.

J.
JH01.jpg
JH01 (3).JPG
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"tempus nostrum"
Berrnd-Klaus
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von Berrnd-Klaus »

Hallo soaringjoy,

datieren kann ich dieses Werk auch nicht,schätze es in die 50er Jahre.habe auch schon diese Werke repariert.Im Begleitbuch zur Ausstellung des Stadtmuseums Schramberg zum 150-jährigen Jubileum der Uhrenfabrik Junghans ist die Werknummer 777 nich aufgeführt.Es ist vermerkt: 1962/63 hat Junghans seine Werknummerierungen geändert:Die Großuhrwerke haben statt der 2 vorne eine 7 erhalten(aus Werk 231 wurde Werk 731).In der Liste ist das Werk 277 ,Fertigungszeitraum 1935 bis 1960,14Tage Rechenschlagwerk,Blechankergang,Wanduhr. Maße 11,2 X 9,4 aufgeführt.
Gruß Bernd-Klaus
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Comtoisekueken
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von Comtoisekueken »

Lies sich der Plastiktrieb bei deinem Windfang auch so einfach frei drehen?
War bei mir bei einem Werk nämlich der Fall.
Berrnd-Klaus
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von Berrnd-Klaus »

Hallo Comtoisekeuken,

ja bei meinem Windfang ließ sich das Trieb auch leicht drehen.Beim ersten Werk ist beim Trocknen das Trieb z.T. angeschmolzen,ich habe nicht achtgegeben mit der Temperatur.Bei Flume bekam ich damals Ersatz.
Gruß Bernd-Klaus
karlo

Re: Junghans einmal anders

Beitrag von karlo »

Zu Junghans mal anders, kann ich seit eben auch was beisteuern.
Die haben 1939 Praezisionspendeluhren gebaut.
Und keine: "Ich hab ein Sekundenpendel, ich bin ne Praezisionsuhr"
Hab nur ein Angebot (Papier) gesehen.

Karlo
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droba
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von droba »

Hallo Jürgen,

diese Uhr würde ich Mitte der 60er Jahren datieren. Das Kunststofftrieb des Windfanges ist nicht der Weisheit letzter Schluss, da es sich gerne löst und dann durchdreht. Da gebe ich Dir recht.

Es wurde aber nicht aus Kostenersprarnis-Gründen als Kunststoffteil eingesetzt, sondern zur Geräusch-Minderung: Durch die hohe Drehzahl des Windfanges entsteht bei Metalltrieben gerne ein störendes Sirren, das bei Nylon -Trieben entfällt.

Das Werk selbst ist eindeutig ein Werk, das schon in den 1920er- oder 30er Jahren von der HAU konstruiert wurde und von Junghans übernommen worden ist.

droba
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Typ1-2-3
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von Typ1-2-3 »

Hallo Jürgen

Diese Art der Gehäuseverarbeitung habe ich schon sehr häufig gesehen! Das ist wirklich kein Einzelfall. Es geht sogar noch schlimmer: Eine Spanplatte, notdürftig furniert, wurde genommen und daraus mit Abrundung die Türe gefräst. Inclusive des Glasausschnitts. Da schaut dann natürlich die Spanplatte raus, also hässlich. Der Gehäusehersteller war kreativ und beizte darum alles schön dunkel. Lack drüber und fertig.

Hersteller: Hermle! Wahrscheinlich hast Du sonst so "neumodischen Kram" nicht mehr in der Hand, weil Du einen Bogen darum machst. Ich konnte mir in meiner Zeit als "arbeitender Uhrmacher" diese Sachen aber nicht aussuchen. Aber das war wohl in den 60gern Gang und Gäbe, Uhrengehäuse so zu fabrizieren. Ende der 70ger, also während meiner Ausbildungszeit, kamen dann die Werke zu uns, weil sie ihre Lebenszeit massiv überschritten hatte. Da tauchten dann in der Werkstatt solch armselige Gehäuse auf.

Grüße

Frank
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droba
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von droba »

Typ1-2-3 hat geschrieben:Hallo Jürgen

Hersteller: Hermle! Wahrscheinlich hast Du sonst so "neumodischen Kram" nicht mehr in der Hand, weil Du einen Bogen darum machst. Ich konnte mir in meiner Zeit als "arbeitender Uhrmacher" diese Sachen aber nicht aussuchen. Aber das war wohl in den 60gern Gang und Gäbe, Uhrengehäuse so zu fabrizieren. Ende der 70ger, also während meiner Ausbildungszeit, kamen dann die Werke zu uns, weil sie ihre Lebenszeit massiv überschritten hatte. Da tauchten dann in der Werkstatt solch armselige Gehäuse auf.

Grüße Frank
Frank, ich weiß nur vom Hörensagen, dass Kundo oder Kieninger für Junghans mech. Werke gefertigt haben.

Wenn Du Dir mit Hermle als Hersteller sicher bist: Hermle hat sich besonders dadurch hervorgetan, Werke und deren Werkzeuge von anderen Herstellern zu übernehmen und weiter zu fabrizieren (u.a. Hettich, Schatz).
Dann dürfte Hermle diese Werkzeuge von Junghans/HAU übernommen haben- was denkst Du?

droba
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Typ1-2-3
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von Typ1-2-3 »

Na, sicher bin ich mir mit Hermle nicht. Das ist immerhin schon knapp 30 Jahre her. Aber damals kamen die Hermelinchen massenhaft in unsere Werkstatt, daher meine ich das. Aber jedenfalls waren das Uhren in dieser Preisklasse. Aber die Gehäuse waren schon unterirdisch.
Und Urgos war das auch nicht: Bei denen haben wir uns nur immer über die Konstruktion der Werke aufgeregt. Man, was waren das für Mistbeutel! Aber ich will jetzt nicht in Schwafeln kommen (bin ich schon? ;) )

Frank
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soaringjoy
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Re: Junghans einmal anders

Beitrag von soaringjoy »

Na klar, ich kenne manche Hermle oder Schmeckenbecher Uhren
aus den, tja, 1970er Jahren.
Und ja, natürlich, ich mache möglichst einen Bogen drumherum. ;)

Auch kenne ich einige Gehäuse von Majak oder Metron, die schon
ziemlich sehr billig (und schlampig) waren - und in genau diese Kategorie
fällt leider diese Junghans.
Anders ausgedrückt, dagegen ist eine vergleichbare Hermle oder
eine Westerstrand aus der Zeit ein richtig "solides" Ührchen - immer
auf das Gehäuse bezogen, heißt das.

Jedenfalls war ich halbwegs unangenehm überrascht von der schlechten
Quailität dieses Gehäuses und wollte es einfach mit Euch teilen.
Mittlerweile ist der größte Ärger auch schon wieder verraucht... 8-)

Die Leiselaufeigenschaft des Triebes leuchtet ein - ginge es nur um
Kosten, hätte JH noch mehr Teile aus Plastik anbringen können, das ist
wahr. Das Uhrwerk ist ja auch ansonsten von der üblichen Qualität.

In die US-Brühe kam das Teil nicht und auch nicht in den Ofen zum
trocknen. Der Trieb sitzt noch relativ fest auf der Welle, kein Problem.

Die relativ schmale Feder des Gehwerkes, sowie ihre "Kürze"
(Da ist kaum was im Federhaus) ließ mich etwas stutzen und ich dachte
schon, die Feder wäre eingekürzt worden. Aber die Uhr geht nun schon
vier Tage und dürfte die volle Woche schaffen.

J.
"tempus nostrum"
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