Gehäuseteile - selber herstellen?

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steffl62
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Gehäuseteile - selber herstellen?

Beitrag von steffl62 »

Hallo Taschenuhrfreunde!
ich hätte da mal eine prinzipielle Frage von einem völlig unwissenden zum Thema Taschenuhren.
Ist es möglich soche fehlenden Deckel/Gehäuseteile selbst nachzubauen? Auch ohne spezielle oder übergroße Maschinen?
Und wie wurden früher die originalen Teile hergestellt?

lg Christian
.
Fragen, Korrekturen und Ergänzungen zu meinen Beiträgen sind ausdrücklich erbeten und gewünscht!
Edelweiss

Re: Gehäuseteile - selber herstellen?

Beitrag von Edelweiss »

Hallo Christian, prinzipiell geht alles!
Ich kenne Dein handwerkliches Geschick nicht. Selbst wenn Du es Dir zutraust und handwerklich geschickt bist, ich würde die Finger davon lassen. Diverses Werkzeug, wohl auch spezielles Werkzeug, musst Du sicherlich haben. Oder darauf zugreifen können.
Bitte nicht falsch verstehen. Wenn Du möchtest, dann versuch Dich ruhig.

Tipp: Rede mal mit einem alten Uhrmacher über Dein eventuellen Wunsch.
Philclock

Re: Gehäuseteile - selber herstellen?

Beitrag von Philclock »

steffl62 hat geschrieben:Hallo Taschenuhrfreunde!
ich hätte da mal eine prinzipielle Frage von einem völlig unwissenden zum Thema Taschenuhren.
Ist es möglich soche fehlenden Deckel/Gehäuseteile selbst nachzubauen? Auch ohne spezielle oder übergroße Maschinen?
Und wie wurden früher die originalen Teile hergestellt?

lg Christian
Prizipiell ist es möglich .

Blos dann hast Du nur einen einfachen Deckel ,
die meisten Deckel sind dann noch mit einem Muster versehen usw.

Dann ist auch noch die Frage des materials ,ist es z.B. Gold muss man einen Gussrohling
herstellen (lassen) und dann weiter bearbeiten .

Die Löterei mit dem Schanier ist auch nicht ohne .

Es gibt in Deutschland noch wenige Gehäusebauer z.B. den Emil Petrov in Berlin .

Ein Komplettes Gehäuse zu bauen ist da schon einfacher. :mrgreen:
walter der jüngere

Re: Gehäuseteile - selber herstellen?

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

ich möchte noch kurz auf den Teil der Frage eingehen: Wie wurde das früher gemacht...

Wann früher müsste da noch konkretisiert werden, aber mal so grob umrissen:

Spindeluhrgehäuse (also von x - etwa 1830) wurden i.d.R. aus dem flachen (entsprechend dicken) Material getrieben. Manuell.
Also warm machen, treiben, warm machen, treiben.
Dann ggf. ziselieren, hämmern, gravieren, polieren, dann z.B. vergolden in verschiedenen Tönen usw.
Derlei Gehäuse waren fast ausschließlich Einzelanfertigungen, es gab von manchen Gehäusemachern auch kleinere Serien, die Teile (Lünetten, Deckel etc.) waren untereinander nicht kompatibel.

Taschenuhrgehäuse für Zylinderuhren (und alles was später folgte) waren hingegen Serienprodukte. Also wurden Rohlinge hergestellt - Guß oder mehrteilige Gehäuse.
Guß wurde dann manuell weiterbearbeitet - graviert, ziseliert, poliert ...
Mehrteilige Gehäuse bestanden aus einem rohen Reif, einem Pendant, Scharnieren - und Lünette und Deckelreif sowie Deckelplatte, Staubdeckel.
Reif, Lünetten konnten aus Guß in Serie hergestellt und abgedreht werden.
Die Deckel bzw. Deckelplatten wurden maschinell in Form und Wölbung gebracht und anschließend speziell für das jeweilige Gehäuse, genauso wie die Lünetten fein angepasst und montiert.
Vergoldung, Ornamentik usw. wurden in Arbeitsschritte aufgeteilt und meist von verschiedenen Personen arbeitsteilig in meist kleineren Serien erstellt.
Die Gehäuse entstanden also in Serien, die Passgenauigkeit hinsichtlich der ebenfalls in Serie gefertigen Werke war sehr, eine grundsätzliche Kompatibilität der einzelnen Gehäusebauteile war unter Inkaufnahme von gewissen Nacharbeiten grundsätzlich gegeben.

Die später auf den Markt gekommenen mechanischen Billigtaschenuhren hatten oft Gehäuse aus Stahl oder Messing. Diese wurden meist gezogen, gestanzt und geprägt. Anschließend vernickelt, verchromt oder vergoldet.
Die Einzelteile der Gehäuse waren i.d.R. austauschbar, allerdings passte nicht jedes Teil auf jedes Teil, aber innerhalb der Serien war eine Austauschbarkeit gewährleistet. Entsprechende Nacharbeiten beim Zusammensetzen der Gehäuse waren minimal bzw. konnten entfallen.

Tja, und dann kamen irgendwann auch noch Kunststoffgehäuse auf den Markt - die wurden dann gegossen, gestanzt, geschliffen, nachpoliert und geklebt...
Hier treten größere Probleme vor allem durch unterschiedliche Alterungen der Ausgangsmaterialien, bzw. einzelner Komponenten zunehmend in Erscheinung - Risse, Schrumpfungen, irreversibles Verziehen, Verbiegen zum Beispiel.

Dadurch war dem jeweiligen Hersteller klar, wie er aus welchem Material (Legierung = entscheidend für Farbe und Gestaltbarkeit), mit welchen Schritten und Maßen welches Teil zu welchem anderen Teil anfertigen konnte.
Heute zu einem alten Gehäuse ein neues Teil völlig passend anfertigen zu wollen bedeutet also, möglichst nahe an die ursprünglich verwendeten Materialien (Legierungen) herankommen zu müssen, und auch in Technik und Stil sich sehr an das Original anzunähern.
Da zur Verzierung von TU-Gehäusen verschiedene Technologien (und Details -wie z.B. Sticheltiefe, Gravurschattierung, Gravurwinkel) erst individuell herausgefunden und erprobt werden müssten, wird der Aufwand, um ein wirklich gut dazupassendes Teil ersetzen zu können sehr. Und steht allzu oft in keinem Verhältnis zum materiellen und historischen Wert des Objekts.
Will damit sagen, machbar wäre eine Nachfertigung theoretisch schon, allerdings steht dem Ganzen ein sehr hoher Aufwand gegenüber.

Walter d. J. (Moderator)
Edelweiss

Re: Gehäuseteile - selber herstellen?

Beitrag von Edelweiss »

Hallo die Herren,
Philipp deutete es schon an! Walter (d.J.) führt es noch weiter aus. Einen Gehäusedeckel zu erstellen, dass ist mit Sicherheit eine Herausforderung.

Um mal auf die Ausgangsfrage des Kollegen „detlef“ zurückzukommen, ich würde, wie schon vorgeschlagen, mir eine Ersatzgehäuse (mit oder ohne defektem Uhrwerk) ersteigern / kaufen.
Dabei wäre es mir egal ob Savonnette oder offen.

Aber,
egal wie ich im Internet suche / egal ob ebay Deutschland oder ebay USA, egal bei welchem mir bekannten deutschen oder US-Händler, keiner bietet aktuell eine 14 size Taschenuhr / Taschenuhrgehäuse an.

Verstehe ich Detlef richtig, dann möchte er gerne in Deutschland kaufen.

Unterbreiten wir doch mal folgenden Vorschlag:
Seine heutige, aber kranke Taschenuhr, legt Detlef auf die Seite und vergisst sie solange, bis mal eine deutsche Verkaufsquelle ein 14 size Gehäuse (auch mit defektem Werk) anbietet.
Zwischenzeitlich sucht sich Detlef eine andere, funktionstüchtige, alte Taschenuhr aus und kauft sich diese.

Haben wir nicht alle die eine oder andere kranke Uhr geparkt? Ich meine schon.
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