Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
walter der jüngere

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

mal ohne lange wissenschaftliche Ausführungen und ohne viele Fachbegriffe - also leichte Kost für alle:

Ja, die Betrachtungsweise "der Holzwurm ist eigentlich ein Insekt" hat schon ihre Richtigkeit.
Der sog. Holzwurm ist nur die Larve des Insekts. Die frisst sich satt, wird groß, fliegt, sucht sich altes, wohlschmeckendes weiches Holz, legt dort ihre Eier ab, die werden zu Larven, die fressen sich satt...
Immer mehr Holzmehl entsteht, immer fragiler wird der Altholzbestand.

Weshalb jedes Frühjahr auch Flugsaison für 'Holzwürmer' und bedeutet - und sich für alle BesitzerInnen von alten Sachen aus Holz die Zeit des großen Jammerns, Fürchtens und Zitterns vor dem Unheil bringenden Holzwürmern wiederholt...
Im meist erst im Herbst oder Winter wird dann die große Bescherung entdeckt, oft genug auch erst Jahre später, nachdem der Befall so richtig stark ist, und dann wird versucht, dem Wurm den Garaus zu bereiten. Gelingt mal mehr, mal weniger gut - aber das Ergebnis bleibt doch immer dasselbe:
Die Gefahr, daß erneuter Befall auftritt, ist groß - wird größer, je älter das Holz ist.
Die lässt sich für bei gleichzeitigem Erhalt des Stückes auch nur bedingt verringern, und wenn dann nur mit immensem Aufwand (Aufbewahrung unter Luftabschluß, Feinstfilterung etc.) - oder mit Gift, welches dann aber auch auf die Menschen in der Umgebung wirkt.
Ein Holzwurmbekämpfungsverfahren mit Präventionseffekt unter dem Motto: "Einmal für immer" gibt es so nicht. Es sei denn: Weg für immer - also Verbrennen des Altholzes.
Selbst Lacke, Beizen, Düfte o.ä. halten Holzwürmer i.d.R. nicht lange davon ab, ihr Tun und Suchen fortzusetzen.
Natürlich wird sich jeder Sammler/jede Sammlerin überlegen, ob Sammelgut mit Wurmbefall angenommen wird, oder nicht. Und wenn ja, wie damit umgegangen werden soll.
Altes Holz und Holzwürmer sind m.E. jedenfalls meist nicht weit voneinander entfernt - und auch nicht gut voneinander fern zu halten.
Wenn jedoch Wurmbefall an einem Stück in der Sammlung festgestellt wird, stehen auch alle anderen Stück in großer Gefahr, befallen zu werden. Einfach deshalb, weil die Flugstrecke zum nächsten Ablage- bzw. Futterplatz nicht weit ist...

Walter d. J. (Moderator)
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Für diesen "Holzwurm" aber nicht mehr :lol: :lol:

Um so wichtiger ist es, wenn in meiner Uhrensammlung meine Uhr nicht mehr vom "Wurm" befallen ist.

Ich habe übrigens einem andern Wurm einen netten Tod bereitet: Etwas konzentrieren Alkohol (nur 98%) auf eine Injetionsspritze gezogen und jedes Wurmloch damit behandelt. Der Wurm war zunächst arg beschwipst, danach hin. Ist nie wieder aufgetaucht. Der Vorteil dieses Verfahrens: Wirkt sofort (kennt man ja von sich selbst), ist ungiftig (für mich, nicht für den Wurm). Nachteil für dieses Holzgehäuse: Schellack und Alk vertragen sich nicht. Daher die CO2-Kur für den "Wurm". Da dieses Möbelstück im Wohnzimmer neben etlichen anderen antiken Möbeln steht, war die rechtzeitige Behandlung auch dort wichtig. Und wenn irgendwo Holzmehl rumliegt, werde ich immer sehr schnell tätig...

Frank
KleineSekunde
Moderator
Beiträge: 1281
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 22:02

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

keine schlechte Idee, mit dem CO2. Nimmst du CO2 aus Gasflaschen für den Zapfbedarf?

Jedes andere Gas, welches "erstickend" wirkt, müsste dann doch auch gehen. Ich denke da zum Beispiel an Stickstoff oder an Edelgase aus dem Schweißbereich, zu denen ich persönlich eher Zugang hätte.

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
Benutzeravatar
soaringjoy
Moderator
Beiträge: 1446
Registriert: Do 12. Aug 2010, 09:17
Wohnort: NRW

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von soaringjoy »

Anobium punctatum (nomen est omen), auf deutsch
der gemeine Nagekäfer, ca. 4 mm lang.

Da ist er, der Racker:
Anobium_punctatum01.jpg
J.
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"tempus nostrum"
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Wie Du weißt, Jürgen, habe ich alte Autos, und daher auch ein Schweißgerät. Das läuft (dummerweise, denn da habe ich beim Kauf der Flasche einen Fehler gemacht) mit CO2 als Schutzgas. Für oder gegen den "Wurm" war das gut geeignet. Der Vorteil: Das Zeug habe ich zu Hause. Kosten: Null (na fast).

Frank
winne
Beiträge: 365
Registriert: Mo 30. Aug 2010, 10:19

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von winne »

Hallo Frank

Toll wie Du die Sache mal wieder gelöst hast ,ja die kleinen Tierchen können ganz gut zuschlagen.

Gruß Winne
Benutzeravatar
Die Mysteriösen
Beiträge: 513
Registriert: Do 19. Aug 2010, 08:33
Wohnort: Wien

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Die Mysteriösen »

Frage zur Vergasung: Wie lange muss das Holz unter Sauerstoffentzug gelagert werden?
Ich stell mir das mal so vor, dass ich den Kasten ich einen Müllsack stecke und mit Gas aufblase - hält natürlich nur bedingt dicht.
Insekten sind ja sehr widerstandsfähig...
LG
Silvia und Christian
---------------------------
Die Amerikaner glauben immer, sie seien uns Jahre, wenn nicht Jahrzehnte voraus. Dabei hinken sie uns 8 Stunden hinterher.
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Das Gehäuse ist dort bestimmt 2 Wochen drinnen geblieben. Ich kann zwar 2 Minuten die Luft anhalten, aber 2 Wochen schafft keiner. In der Zeit konnte man in Ruhe das Uhrwerk reparieren, war ja genug Arbeit dran.

Jetzt geht es weiter:
Bei der Inspektion des Gehäuses musste ich feststellen (bzw. ich habe mich von meinem ehemaligen Schulkameraden Fa. Kleelux beraten lassen), dass irgend ein Blödmann das Gehäuse schon mal in der Mache hatte. Er hat es - leider - zunächst grob abgeschliffen, so dass jede Menge Riefen drinnen waren, und dann mit einer dunklen Lasur auf Ölfarbenbasis übergepinselt. Durch das Abschleifen war das Holz äußerst scheckig, und durch die Ölfarbe konnte man das nicht farblich durch Beize anpassen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als alles abzuschleifen. Dazu habe ich das Gehäuse zerlegt. Jetzt sieht es so aus:

Bild

Wie man sieht, kommt jetzt auch die Intarsie in der Türe viel besser raus. Weil der Korpus des Gehäuses mit dünnem Furnier belegt ist, musste ich sehr vorsichtig schleifen, weil sonst das Unterholz durchgekommen wäre. Bin mal gespannt, wie die Wirkung des Gehäuses ist, wenn alles fertig ist. Ich hoffe, das wird was.

Frank
Benutzeravatar
Felix18
Beiträge: 460
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 21:11

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Felix18 »

So wie ich das jetzt sehe, kommt auf alle Fälle die Intarsie bombastisch rüber wenn es fertig ist.
Das schöne Teil kann der Uhr einen besonderen Blickfang geben.
C.


*Sapere aude*
Benutzeravatar
Typ1-2-3
Beiträge: 1285
Registriert: So 22. Aug 2010, 19:10

Re: Frühe Bulle-Clock in desaströsem Zustand

Beitrag von Typ1-2-3 »

Jetzt geht es noch mal ans Werk, bevor das Gehäuse ganz fertig ist und damit auch die Uhr:

Heute geht es ums Regulieren. Das ist bei diesen Uhren nicht unbedingt banal. Dazu habe ich folgenden Versuchsaufbau erstellt (aus billigen Restbrettern und einigen bei mir übriggebliebenen Beschlägen):

Bild

Man sieht übrigens rechts oben eine originale Bulle-Batterie, in der sich - ausgeschlachtet und neu befüllt - eine Babyzelle befindet, mit der die Uhr meiner Erfahrung nach mindestens 5 Jahre lang läuft.

Und nun zum Regulieren:
Man hat häufig Schwierigkeiten, diese Uhren genau hinzubekommen. So habe ich auch aus dem Forum einige PN's bekommen wegen der Regulierung dieser Uhren. Meistens laufen die Uhren nach dem Neuaufbau zu schnell oder zu langsam und lassen sich auch mit der relativ leichten Reguliermutter nicht regulieren, auch nicht, wenn man sie nach ganz oben oder ganz unten dreht.
Die Schwierigkeiten erkennt man auch daran, dass diese Uhren häufig beschwerte oder durch Bohrungen erleichterte Reguliermuttern haben, was weder original noch zweckdienlich ist.
Die Probleme liegen an der Einstellung der Isochronismusfeder, die oben in einer Zeichnung schon beschrieben wurde.

Bild

Damit kann man nämlich die Uhr grob vorregulieren. Ohne diese Feder laufen alle diese Uhren massiv nach, mehrere Minuten am Tag. Hängt man dann die Federn ein, laufen die Uhren dann häufig vor, und zwar je mehr, je strammer diese Federn gespannt werden. Und das kann man: In dem man den unteren Aufhängepunkt Z bei Ps der Feder nach oben (lockerer) oder unten (strammer) verschiebt. Ich gehe dann so vor, dass ich zuerst die Feder irgendwie einhänge, dann den Gang der Uhr ablese. Läuft die Uhr massiv vor, wird anschließend die Reguliermutter ganz nach unten gedreht. Läuft dann die Uhr nach, kann man die Reguliermutter an die richtige Stelle irgendwo in der Mitte durch Versuch bringen, dass die Uhr genau läuft. Läuft die Uhr dann immer noch massiv vor, lohnt es nicht, das Pendel zu zerlegen und alles neu aufzubauen, denn das ist der falsche Weg. Man löst einfach die untere Aufhängung der Isochronismusfeder Z bei Ps und schiebt sie etwas nach oben. Dann das Ganze noch mal versuchen. Irgendwann - bei der richtigen Spannung der Isochronismusfeder - kommt man in den Regulierungsbereich der Reguliermutter, und der Rest ist kein Problem. Läuft die Uhr immer massiv nach, muss man natürlich die Spannung der Feder vergrößern, klar!

So kann man diese Uhren relativ unproblematisch und einfach regulieren, ohne die Reguliermutter zu beschädigen.

Frank
Antworten