Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958

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Der_Stromer
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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958

Beitrag von Der_Stromer »

@Walter:

Sehr gut geschrieben und treffend. Zur Justage - genau diese "Besonderheiten" meinte ich mit "stehen in keinem Lehrbuch".

Zur Ausrichtung der Jahresuhr ist noch zu schreiben: Das Ausrichten mit der Wasserwaage kann man (der Aufsteller) sich in vielen Fällen sparen. Es muss nur sicher sein, das die Pendelfeder nirgends in einem evtl. vorhandenen Schutzrohr anstößt. Ebenso muss das Drehpendel sich frei über der Transportsicherung bewegen können. Jede kleinste Berührung führt unweigerlich zum Auspendeln. Und da reicht es meist schon, die Uhr nach "Augenmaß" aus zu richten.

Viel wichtiger ist der erschütterungsfrei Standplatz. Erschütterungen, schon der kleinsten Art, lösen die Hemmung aus und führen dadurch zu Vorgehen. Das ist immer das Erste, worauf bei neuen Aufstellungsplatz einer solchen Uhr zu schauen ist.

Zur oberen Montage der Pendelfeder bleibt nur noch hinzuzufügen, dass sich der obere Block der Pendelfeder zwar leicht vor- und zurück bewegen sollte (auf keinen Fall klemmen), aber niemals nach links oder recht Spiel haben darf.

Hier gibt es übrigens die Ideenreichsten Mechaniken, wie unsere Altvorderen das realisiert haben. Immer wieder schön, wenn man mal so etwas auf dem Tisch hat.

Zur Pendelfeder: Tja, das ist leider das "Leidige" Thema bei Jahresuhren. Bei meinen Anfängen bin ich bei sehr vielen Lieferanten auf Unwissenheit gestoßen, was die Kriterien bei diesen Federn sind. Daher bin ich so zu sagen bei HOROLOVAR hängen geblieben, da sich der Herr Terwilliger in den 50er die Mühe gemacht hat, viele Jahresuhren zu untersuchen und die entsprechenden Federn dafür zu benennen.
Aber ich kann ohne Weiteres auch andere Federn verwenden und diese Anpassen. Nur Bronzefedern sind - Entschuldigung - absoluter Quatsch bei Jahresuhren. Für die Drehpendeluhren, bei denen das Drehpendel KEINEN Einfluss auf den Gang hat, sind die in Ordnung.

Zur Montage der Pendelfeder ist, wie Walter schon schrieb, darauf zu achten, dass die Feder besonders im oberen Bereich keine Verbiegungen oder gar Knicke hat. Das führt nach meinen Erfahrungen zu absolut unberechenbaren Gangverhalten. Einige schlaue Menschen drehen dann die Feder einfach um. Na ja. Das würde dann aber auch bei mir unter "Murks" abgehakt.

Meine älteste Jahresuhr, die ich wieder in Gang gebracht habe, stammt aus 1902 und ist von der "Jahresuhrenfabrik" hergestellt worden. Ich stelle diese Uhr mal in einem neuen Beitrag vor.

Zum Ende: Ich bin wirklich positiv von den Beiträgen hier überrascht. Gerne werde ich weitere Jahresuhren hier vorstellen und auch mal eine Glasenuhr. Denn auch die haben so ihre Eigenarten :mrgreen: Nicht nur ich :ugeek:
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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Der_Stromer
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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958

Beitrag von Der_Stromer »

droba hat geschrieben:Keine Frage, der alte Schmodder sollte aus der Feder einer Drehpendeluhr raus.

Insgesamt finde ich aber die Idee, diese Feder mit MOS2 zu schmieren sehr interessant: Denn bei der Schmierung kommt es darauf an, welcher Schmierfilm früher reißt: Ein Ölfilm, oder ein MOS2-Film.
Und da würde ich vermuten, dass MOS2 hier Vorteile bietet.

Ich verfüge hier zwar nicht "über langjährige Erfahrungen", aber ich würde es bedenkenlos probieren. Die Drehpendeluhr wird es schon nach kurzer Zeit zeigen..


droba
Genau das war auch mein Ansatz. Und bis jetzt gab es noch keine praktischen "negativ Erfahrungen" und nur "Macht man nicht" ist als Argument nicht ausreichend, oder? :?
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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walter der jüngere

Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958

Beitrag von walter der jüngere »

droba hat geschrieben:Keine Frage, der alte Schmodder sollte aus der Feder einer Drehpendeluhr raus.

Insgesamt finde ich aber die Idee, diese Feder mit MOS2 zu schmieren sehr interessant: Denn bei der Schmierung kommt es darauf an, welcher Schmierfilm früher reißt: Ein Ölfilm, oder ein MOS2-Film.
Und da würde ich vermuten, dass MOS2 hier Vorteile bietet.

Ich verfüge hier zwar nicht "über langjährige Erfahrungen", aber ich würde es bedenkenlos probieren. Die Drehpendeluhr wird es schon nach kurzer Zeit zeigen..


droba
Hallo,

ja, im Kurzzeitgedächtnis wird sicherlich haften bleiben: Die Uhr geht damit doch auch.
Und das tut sie - aber nur, solange die Schmierung ausreicht.

Kriechöle (und das sind die meisten Sprühöle, mit oder ohne MoS2 - Zusatz) sind als Unterwanderungsöle konzipiert - mit Notlauf, Notschmiereigenschaften. Eine wirkliche Ölgebung können und sollten sie eigentlich nicht ersetzen. Sie dienen - und sind auch so konzipiert - als Behelf.
Zurück zu mit derartigem Öl "geschmierten" Federn:
Das vergleichsweise dünne Öl unterwandert den Fettfilm. Der haftet nicht / nicht mehr gut auf der Feder- und Federhausoberfläche.
Das dünne Öl fließt von der Oberfläche ebenfalls ab - und sammelt sich wo und wie verteilt auch immer. Meist jedenfalls "irgendwie unten". Auf jeden Fall nimmt es Fett mit, und es zersetzt das Fett. Es verliert seine ursprünglichen Eigenschaften, jedenfalls teilweise.
Es wirkt nicht mehr so, wie eigentlich vorgesehen.
Und es passiert noch etwas: Die Kriechwirkung dieser Ölbeimengung geht weiter - nämlich im Federhaus, und damit auch bis in die Lagerung des Federhauses. Dort wird das Fett auch durch Öl verdünnt bzw. sogar völlig verdrängt.

Da das Öl dünn ist, viel zu dünn ist, und der entstehende Schmierfilm ebenso viel zu dünn ist, dort aber große Kräfte wirken, entsteht Verschleiß. Nicht nur an den Innenseiten des Federhauses und an der Feder.
Und: Das Öl wandert weiter - auf die Außenfläche des Federhauses und auf die Federhauswelle.
Je nach Zeit, Temperatur, Menge des Öles bis in das übrige Räderwerk.

Abgesehen davon: Das zersetzte Fett hat auch chemisch betrachtet nun andere Eigenschaften, vor allem aber nicht mehr die, die es einst hatte - und haben sollte.
Das ganze chemische Gebilde kann durch verschiedene Faktoren sogar soweit verändert werden, daß es korrosiv bzw. aggressiv wirkt.
Doch dies sind alles Dinge, die zunächst nicht sichtbar sind.
Dem Kurzzeitgedächtnis und dem Schnellreparateur bleibt nur im Gedächtnis: Hat doch alles prima funktioniert.
Die wenigsten dieser so reparierten Uhren kommen mit den entsprechenden Folgeerscheinungen wieder zu dem gleichen Reparateur zurück, und wenn was wird der wohl dazu sagen bzw. daraus schlussfolgern?
Mit wieviel Tiefgang und wieviel Sachkenntnis werden solche Ergebnissse - wenn überhaupt - analysiert?

Wahrscheinlich ist es der Nachteil, wenn man ein bestimmtes Maß an Erfahrungen hat, daß Leute mit "zu wenig" Wisssen dies als Arroganz deuten, wenn man bestimmte Dinge oder Vorgehensweisen ohne ellenlange Referate zu halten ablehnt, und wenn doch solche ellenlangen Texte erscheinen, dann werden sie mit "endlosen Worthülsen, vorurteilsbehafteter Sichtweise, Niedermachen von Anfängern und deren Erfolgen" als unbrauchbar und schädllich empfunden und damit strikt abgelehnt.
Schreibt man kurz, ich würde das so nicht machen - dann heißt es:
Da wird nur abgebügelt, da will jemand andere Tatsachen und Erfolge nicht anerkennen, da wird Wissen vorenthalten.
Wissen, Erfahrung hängt mit Umfang und Zeit zusammen, die etwas entgegengebracht wird.
Das kann man oft nicht in 3 Sätzen und 5 Minuten komplett wiedergeben.

Und weil oft genug mit Unverständnis und Ablehnung auf dieses Wissen reagiert wird, wird wenig /immer weniger davon in allgemein zugänglichen Foren weitergegeben.
Auch, weil die, die es zu schätzen wissen, nichts dazu sagen - warum auch, es stimmt ja mit deren Erfahrungen überein. Und die, die es nicht als hilfreich und wertvoll empfinden, es oft, zu oft, mit Häme oder Spott beantworten.

Und wenn das nicht reicht, um derartige "Besserwisser" zum Schweigen zu bringen, dann kommen nette Mails, nette PNs, notfalls sogar Anrufe, weil man hilfsbereiterweise mal seine Telefonnummer weitergegeben hat. Und man bekommt zu hören, diese Besserwisserei sei forenschädlich und schrecke Anfänger ab.

Noch etwas dazu:
Nur wenige UserInnen, die entsprechendes Fachwissen haben, werden - noch dazu untentgeltlich - zur Verfügung zu stellen, es hier oder in anderen Foren zu posten.
Schlichtweg, weil es derartige Leute weder nötig haben, noch weil es Spaß macht (s.o.), noch weil sie die Zeit dafür haben. Meist werden solche Leute anderswo dringender gebraucht.
Auch das macht die Forenlandschaft diesbezüglich deutlich schwächer, als man sich dies einst erhofft hat.
Insider unterhalten sich mittlerweile selten per allgemeinzugängliche Foren über ernsthafte Fachfragen. Einfach, um bestimmtes "Rauschen" zu umgehen. Auch das ist eine Erkenntnis nach rund 20 Jahren Internet...

Walter d. J.
petsch
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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958

Beitrag von petsch »

@ Walter: Einen gesunden Mittelweg zu finden zwischen barschen Erwiderungen und langen Aufsätzen, die manche vielleicht als belehrend empfinden, ist nicht so leicht, da gebe ich Dir Recht. Da habe ich auch manchmal so meine Probleme. Aber wir wollen es hier demnächst versuchen.

Und zum letzten : Ich kenne noch genügend Leute, die bereit sind ihr Fachwissen zu veröffentlichen , obwohl sie in der Zeit auch andere Dinge erledigen könnten.

Und zum Schluss an alle : Persönlicher Streit , zwischem wem auch immer, gehört hier nichts ins Forum, deshalb ist hier jetzt erstmal Schluss, bevor es noch mehr eskaliert.

Gruß
Peter
petsch
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Re: Jahresuhr KERN & Söhne Piccolo (P I) aus 1958

Beitrag von petsch »

Als kleinen Abschluss, weil im Moment keiner mehr einen Kommentar schreiben kann, möchte ich aber noch etwas theoretisches über MOS2 schreiben.

Ich hab mich wegen dieser Beiträge etwas umgesehen und es gibt zahlreiche Informationen , Datenblätter und technische Beschreibungen. Mein Fazit und meine Erkenntnisse diesbezüglich sind : Die Eigenschaften von MOS2 wären wahrscheinlich optimal zum Federschmieren. Allerdings nicht in Kriechölen. Es ist ganz interessant die Informationen mal zu lesen.

Aber, es gibt den MOS2 Zusatz nicht nur in Kriechölen , sondern auch als Zusatz in allen anderen möglichen Ölen und Fetten. Er wird zum Beispiel in Motorölen und Getriebeölen verwendet. Oder auch im Schwermaschinenbau. Sogar zur Kaltumformung.

Vielleicht könnte das der Kompromiss sein zwischen den Fronten, wenn man den vorher schon gefundenen Konsens in Betracht zieht, dass das Federhaus und die Feder erst sauber sein muss.

Als Schmiermittel bei neuen Uhren z.B. ist es bestimmt mit seinen guten Eigenschaften eine Alternative.

Jede weitere Diskussion ist wahrscheinlich eine Glaubenssache und überfordert unser Forum, oder es wird wegen verhärteter Fronten aneinander vorbeigeredet.

Gruß
Peter
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