HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
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soaringjoy
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HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von soaringjoy »

Hallo,

im Detail möchte ich ein Kriegs-Uhrwerk aus der Zeit des Ersten
Weltkrieges vorstellen.
Es muss gegen Ende des Krieges entstanden sein, die Materialknappheit
ist nicht zu übersehen.

Es handelt sich um ein Standardwerk mit Schloßscheibe der

Hamburg - Amerikanische Uhrenfabrik,

ein Werk Nr. 36, welches meines Wissens etwa ab 1907 und
mit wenigen Veränderungen bis zum Ende der HAU Verwendung fand.

08/15 also, kennt eigentlich jeder.

Abgesehen vom Gangrad, Schloßscheibe und Viertelrohr findet sich
kein Messing am Werk; alle Teile sind aus Stahl gefertigt, manches Kleinteil
sogar aus einer Zinklegierung. Sogar das T-Stück zur Aufnahme des Pendels
wurde daraus gemacht.

Die Platinen, Räder und andere Teile wurden Messingfarben gestaltet,
aber an diesem Uhrwerk ist davon kaum etwas übrig.
Überall schimmert der blanke Stahl durch.

Besonders interessant fand ich die Konstruktion der Federhäuser.
Auf das Zahnrad wurde eine dünnwandige Blechtasse aufgenietet,
die durch einen ebenso dünnwandigen Blechdeckel verschlossen wird.
Im Federhaus sitzt lose eine weitere Stahlblechdose, die sich mit zwei
herausgebogenen Zungen in die Löcher des Federhauses legt, womit
der Kraftschluss gegeben ist.
Die Feder wird an einer Stahlzunge arretiert, die von einer kleinen, geprägten
Blechnase blockiert und gehalten wird.
Eigentlich eine geniale Konstruktion, wäre sie nicht so absolut billig und
"unästhetisch" im Vergleich mit anderen, "ordentlichen" Federhäusern.

Das Uhrwerk war schon einmal in der Reparatur, die meisten Lager wurden
erneuert. Dies wurde zwar zweckmäßig, aber sehr unschön gemacht; es
sind viele Werkzeugspuren zu finden.
Mit der Funktion des Schlagwerkes hatte der Reparateur wohl so seine
Verständnisprobleme, denn alles war krumm und schief verbogen.

J.
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"tempus nostrum"
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droba
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Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von droba »

Hallo Jürgen,

danke für den interessanten Beitrag. Von der HAU habe ich bisher noch kein Kriegswerk gesehen.

Die Entstehung dieses Werkes vermute ich eher vor 1916, denn danach war eine Fertigung von Uhren nach meiner Kenntnis nicht mehr möglich (beziehungsweise nur mit Sondergenehmigung, was aber nur wenigen Firmen gelang), sondern nur noch Rüstungsproduktion.
Betriebe ohne Sondergenehmigung und ohne Rüstungsproduktion erhielten kein Material mehr zugeteilt und wurden dicht gemacht.

droba
karlo

Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von karlo »

Dieser Schlepphaken im Federhaus ist eigentlich in hochwertigen Weckerwerken zu finden. Ua. JLC.

Karlo
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Typ1-2-3
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Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von Typ1-2-3 »

Interessante Sache, Jürgen! Die Konstruktion mit den Blechfederhäusern finde ich richtig clever. Und die kleine Blechfeder als Ersatz des Blechhakens war auch nicht dumm, die Sache ist fester am äußeren Rand als bei der Befestigung an einem äußeren Niet. Man sehe sich an: Uhrmacherschule, Einführung in die Uhrenlehre, S. 45.

Mich würde interessieren, aus welchem Material die ursprünglichen Lager in den Platinen gemacht wurden. Waren sie - ähnlich der Comtoise - mit Messing ausgegossen oder gebuchst, oder waren sie einfach auch aus Stahl?

Und aus welchem Material haben die damals die Laternen für die Triebstöcke gemacht? Von der Bearbeitbarkeit wäre Messing viel besser als Stahl gewesen!

Was mich noch interessieren "täte" ist: Wie aufwändig war das Gehäuse gemacht? Auch billige Pappe oder normal furniertes Weichholz?

Frank
holger
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Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von holger »

Hallo,
bezüglich des Herstellungszeitraumes stimme ich droba zu.
Alle Werke, die neben Kriegswerk mit einer Jahreszahl versehen waren habe ich bisher nur von 1915 gesehen.
Ich bezweifle, daß die Messinglager in Rahmen einer Reparatur eingesetzt wurden. Aus Gründen der Reibung/Verschleiß wurde bei den Lagern der Räder die Materialpaarung Messing - Stahl beibehalten.
Eingegossene Lagerbuchsen halte ich für zu aufwändig. Das Vernieten der Buchsen erhöht ja gleichzeitig auch die Festigkeit des Messings.
Gruß Holger
karlo

Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von karlo »

Eingegossen schliesse ich auch aus.
Waren die bei Comtoisen auch nicht.
Wozu auch. Messingbrocken rein, ein Schlag und fest.
Bei Einguss fuehrt die Schrumpfung zum klappern.

Karlo
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Taloon
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Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von Taloon »

Die Messingräder muß der Reparateur vor dir da eingesetzt haben. Normal ist an der Uhr alles Eisen. Die Sperrklinkenfeder muß dringend erneuert werden, so ohne Abstützung kann das ins Auge bzw. auf die Finger gehen ;)
Philclock

Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von Philclock »

Ich habe gerade so ein Küchenuhrwerk mit solchen Eisenrädern und so einem Federhaus
von Pfeilkreuz auf dem Tisch.

Rette sich wer kann.
Da ist bei mir nirgens wo Mesing zu sehen und alles ist so ausgelaufen wie nur irgend was!

Bilder folgen nächste Woche. :D
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soaringjoy
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Re: HAU (Pfeilkreuz) Kriegsmodell

Beitrag von soaringjoy »

Danke für Eure Kommentare!

Klar, die Feder wird noch ausgetauscht, wenn ich Zeit finde, die
Grabbelkiste zu durchwühlen.
Die Federn sind entspannt, keine Sorge. ;)

Die Datierung bis 1916 leuchtet ein, mein Denkfehler.

Zu den Fragen:

Die Laternennaben sind aus Messing, wie auch z.B. die Reibungskupplung
der Pendelführung an der Ankerwelle.
Die originalen (?) Lager waren aus Messing; aber die Federhäuser laufen
in Stahl, wenn ich es richtig sehe.

Das Gehäuse ist ganz normal gefertigt, da ist nichts besonderes zu erkennen.

Von diesem Modell 36 Uhrwerk hatte ich schon ein paar Kriegsmodelle,
alle in Nuancen unterschiedlich bezüglich des Messinganteils, z.B. beim
Stundenrad, Hebedaumen am Viertelrohr, etc.
Was original ist oder war, na ja...

Hier wird noch eine Anzahl Kriegsmodelle von verschiedenen Firmen
vorgestellt:

http://mb.nawcc.org/showthread.php?t=67 ... iegsmodell

J.
"tempus nostrum"
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