Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

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Felix18
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Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von Felix18 »

Ist es möglich, die Zelluloidschicht bei einem Papierzifferblatt ohne Beschädigungen abzuziehen und danach wieder aufzubringen?
Das Problem ist, auf dem Papierzifferblatt befinden sich durch Pilzbefall in Verbindung mit Feuchtigkeit und dem Papierleim, diese orange roten Flecken.
Um diese zu behandeln, müßte ich die Zelluloidschicht entfernen. Evtl. könnte ich es noch versuchen von der Rückseite her zu agieren,
mache mir da aber weniger Hoffnung so ein gut erzielbares Ergebnis zu erreichen.
Was meinen die Profis unter Euch dazu?

Um das Zifferblatt handelt es sich:
PICT0986.jpg

Hier habe ich schon mal ein Zifferblatt behandelt, allerdings sah das um einiges schlimmer aus
und hatte keine Zelluloidschicht drauf:
PICT0894.jpg
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C.


*Sapere aude*
Heinrich
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Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von Heinrich »

hallo Felix18,
ich fürchte, da hat der Kaiser sein Recht verloren. Bei Fettflecken kann man das Blatt, in der Hoffnung, daß das Zelluloid draufbleibt, in sauberes Waschbenzin einlegen. Bei Schimmel wird das wohl nichts nützen. Alles, was Schimmel entfernt ist so agressiv (Chlor), daß sich dein Zifferblatt möglicherweise in Wohlgefallen auflöst.
Heinrich
Der liebe Gott gab uns die Zeit (von der Eile hat er nichts gesagt!).
walter der jüngere

Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

Zelluloid lässt sich von Papier nicht spurlos entfernen. Auch nicht mit Lösungsmitteln.
Auch von der Rückseite etwas probieren zu wollen, hieße, die gesamte Papierstärke durchtränken bzw. durchstoßen zu wollen. Das hinterlässt Spuren.
Selbst das reine Lösen (Herausspülen wollen) von Fett durch Spiritus, Benzin etc. - hinterlässt zumindest Spuren, im ungünstigsten Fall wird das Blatt an diesen behandelten Stellen milchig-transparent - bzw. zerfällt oder verfärbt sich irreversibel.
Abgesehen davon, daß meist kaum ein nennenswerter Transport des Fettes nach außen erfolgt.
Dazu müsste der Abtransport von Außen maßgeblich unterstützt werden, das reine Durchfeuchten mit Alkohol etc. bewirkt so gut wie kaum eine Fettreduktion, insbesondere bei lackiertem Papier.

Viel eher halte ich es für wahrscheinlich, daß es zu einer feuchtigkeitsbedingten Säurefreisetzung des Holzanteils im Papier kam, welche dann mit dem Kasein, mit dem Leim, mit dem Lack/Zelluloid, dem Untergrund (Trägermaterial des Zifferblattes), den Umgebungsgasen (auch z.B. aus dem Uhrengehäuse) usw. reagiert hat.

Abgesehen davon, wäre ich mir - nach den Bildern zu urteilen - gar nicht so sicher, daß an dem gezeigten Blatt wirklich ein (aktiver) Pilzbefall vorliegt. Schimmel etc. liebt hohe Feuchtigkeit. In derartigen Fällen wird bei Archivgut Schock-Gefriertrocknung empfohlen, die Stücke über einen gewissen Zeitraum bei ca -48°C zu belassen, und dann sorgsam aufzutauen und entsprechend zu trocknen.
Dadurch geht man davon aus, einen potentiellen Befall weitgehend deaktiviert zu haben.
Probleme treten insbesondere bei mehrschichtigen Materialien auf - so auch bei lackiertem, bzw. bei beschichtetem Ppier -, also auch bei Zelluloidblättern.
Andere, minimalinvasive Befallsbekämpfungen laufen über Begasung bzw. Bestrahlung.
Alles nichts für den Laien, nichts für den Privathaushalt einfach mal so anwendbar.

An Deiner Stelle würde ich mich fragen:
a) Was könnte die Schäden verursacht haben - welche Gegebenheiten würden eine weitere Verschlimmerung der Schäden bewirken?
b) Was passiert, wenn am Blatt selbst nichts getan würde, das Blatt aber in optimaler Umgebung einen Platz erhielte?

Zu a): Feuchtigkeit (dazu zählt auch eine hohe relative Luftfeuchtigkeit!), UV-Bestrahlung, besonders hohe und besonders niedrige Temperaturen lassen Zelluloid altern. Papier wird davon ebenfalls sehr angegriffen. Gleiches gilt für aggressive Umgebungsgase (Zigarettenqualm, Gase aus Holz, Lackemissionen etc).

Ebenso wird Papier durch den Kontakt mit oxydationsfreudigem Metall (eher wenig durch Messing, aber insbesondere bei Eisen!) zu Verfärbungen und bei Rost zu Zersetzung gebracht.
Rost lässt sich allein durch den Kontakt von Papier mit Eisen erzeugen. Selbst bei 100% holz- und säurefreiem Papier! Die allgemein übliche Luftfeuchtigkeit sorgt dafür.

Mechanische Beschädigungen der Zelluloidschicht und zu hohe bzw. zu geringe Luftfeuchtigkeit lassen Spannungen zwischen dem Papier und dem Zelluloid entstehen.
Dies kann zu Verformungen oder zu Rissen führen. Im schlimmsten Fall zu Absplitterungen bzw. Trennung beider Materialien.

Pilzsporen in der Umgebungsluft können sowohl das Papier angreifen, es verfärben, oder es zum Zerfall bringen.
Da ist natürlich der Bereich zwischen dem Papier und der Zelluloidschicht durchaus auch sehr exponiert, ebenso die Blattrückseite....

Zu b)
Wenn derlei (oben dargestellte) schädliche Einflüsse also möglichst gering gehalten werden, vor allem die relative Luftfeuchtigkeit in einem für Papier günstigem Rahmen (30 - 50%) gehalten wird, und das Blatt nicht ständiger Sonnenbestrahlung ausgesetzt ist, dann dürfte sich der Zustand des Zifferblattes so schnell nicht wesentlich verschlimmern, im günstigen Fall bleibt der Zustand so, wie er sich jetzt darstellt.
Anders ausgedrückt:
Da die meisten der damaligen Papier jedoch holz- bzw. säurehaltig sind, wird sich eine gewisse Veränderung der Farbe und des Zelluloids nicht ganz vermeiden lassen, wohl aber sehr weit herauszögern.
Eine kurzzeitige, wiederkehrende Sonnenlichteinwirkung ist für die meisten Pilze eher von Nachteil, allerdings hält sich die positive Wirkung auch sehr in Grenzen, da sie - s.o. - zugleich auch mit Nachteilen verbunden ist.

Wenn also schon die konkreten Umstände, die zu dem jetzigen Zustand geführt haben relativ unbekannt sind, und das Blatt weiterhin unter ungünstigen Bedingungen positioniert ist, dann ist vom Stillstand der Schädigung bis hin zum völligen Zerfall alles möglich.
Letzteres ebenso, ja sogar wesentlich wahrscheinlicher durch unqualifizierte "Rettungsversuche".
Dazu zählen alle Kontaktierungen mit Lösungsmitteln, Feuchtigkeiten (Wasser...) und Lacke und leider auch die meisten Klebstoffe!

Was kann getan werden, um solche Zifferblätter "aufzubessern"?
Es ist absolut nicht ratsam, die Zelluloidoberfläche mit Lack "konservieren" bzw. "stabilisieren" zu wollen. Das gilt auch für lösemittelfreie Lacke.
Das Wiederbefestigen / Stabilisieren von sich lösenden Zelluloidstücken gelingt am ehesten mit schwach feuchtem Zellulosekleber - oder mit Prittstift.
Lösemittelhaltiger Kleber (Alleskleber etc.) hingegen darf nicht verwendet werden.
Selbst der Auftrag von Plastikspray ist als kritisch zu bewerten, da die genaue Zusammensetzung der meisten Zelluloidschichten nicht sicher analysierbar ist, und somit das Risiko einer - durchaus stark zeitverzögerten - Reaktion in keiner Weise ausgeschlossen werden kann.

Walter d. J. (Moderator)
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Felix18
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Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von Felix18 »

Danke für die ausführlichen Antworten.
Tja Walter d.J., nach Deinen Darstellungen käme bei diesem Zifferblatt als den bereits von Dir genannten Schutzvarianten
(optimale Umgebung und Standort der Uhr) maximal noch eine Trennschicht zwischen dem Zifferblatt und dem Träger des Zifferblattes zu bringen.
Dieser Träger besteht aus Eisen. Was man dazu allerdings nehmen könnte, wenn überhaupt, da bin ich jetzt ratlos, denn selbst wenn man z.B.
ein Messingblatt oder Goldpapier hinter das Zifferblatt setzen würde, käme wieder die Sache mit einer nicht reagierenden Verbindungsart der Teile.
C.


*Sapere aude*
karlo

Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von karlo »

Ich wuerde da gar nichts dran machen. An Pilz glaube ich nach den Fotos nicht. Eher Oel oder Rost.

Karlo
walter der jüngere

Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

nun, zunächst würde ich den Metallhintergrund auf Rostfreiheit prüfen und diese sicherstellen.

Ggfs. also entrosten und entsprechend grundieren, lackieren bzw. galvanisch versiegeln, was auch immer. Keinesfalls darf hier aber mit Öl oder Wachs, Firnis, Schellack oder dgl. gearbeitet werden. Ein absolutes No Go in der dauerhaften Nähe von Papier...

Als "Zwischenlage" würde ich an holz- und säurefreies Papier denken. An Kunststoff nicht!*
Dabei kann man nämlich etwas geschickt überspielen: Durch den hellerwerdenden Untergrund, der ja immer noch ein bißchen durch das ZB durchschimmert, kann man manch grobe Stelle etwas überdecken.
Notfalls kann man mit Einfärben des Untergrunds dem auch noch nachhelfen. Dann würde ich allerdings noch eine Lage Seidenpapier zwischen diese Untergrundschicht und das ZB legen, um evtl. Reaktionen / Langzeitübergänge nicht zu riskieren. Die würden zunächst die Zwischenlage betreffen - und bis die durchdrungen ist, steht längst die nächste Zerlegung an...

*Warum kein Kunststoff, warum reicht es nicht, daß das Blech lackiert wird?
Lack und Kunststoffe enthalten Lösungsmittel, die erst nach und nach diffundieren.
Und damit Wirkungen auf das ZB ausüben.
Manche Kunststoffe enthalten zudem Weichmacher, und das kann ganz eklig ausgehen, wenn die ausdiffundieren, bzw. wenn der Rest dann zu reagieren beginnt...

Walter d. J. (Moderator)
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soaringjoy
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Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von soaringjoy »

Manchmal muss man akzeptieren, dass viele Gegenstände
einfach nicht für die Ewigkeit hergestellt wurden.
Gerade bei den Ziffernblätter einfacherer Uhren haben die
Hersteller selbst viel herumexperimentiert mit mehr oder weniger
akzeptablen Kompromissen, bezogen auf eine Nutzungs- und
Lebensdauer von ja, 15 Jahren in etwa.

Die reine Papiersäuberung und -restauration ist schon ein immenses
Betätigungsfeld für sich, von Laminaten verschiedner Arten gar nicht
zu sprechen.

Ganz sicher gäbe es, rein theoretisch, Methoden, das Laminat zu
zerlegen, z.B. mit Mittelchen wie Trichlortriflourethan (Freon 113)
und mit dem nötigen Anwendungs Know-How.
Aber, dazu müsste erstens experimentiert werden (schlecht bei einem
Unikat) und zweitens gibt es so ein Zeugs nur noch streng limitiert für
rein wissenschaftliche Bereiche.

Die Königsfrage bliebe trotzdem unbeantwortet, nämlich, wie bekommt
man es wieder zusammen?

Es gibt zwar Ziffernblattexperten, die wahre Wunder vollbringen können,
doch nach meinem Wissensstand würden die vermutlich auch das Handtuch
werfen.

J.
"tempus nostrum"
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Gnomus
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Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von Gnomus »

Hier würde es sich doch fast anbieten, ein ZB am Computer zu machen. Hinterher laminieren, das müßte doch gehen, oder? Allerdings dürfte man sich nicht hinreißen lassen, das ZB zu genau zu entwerfen, die Bögen zwischen den Zahlen sind nicht ganz gleichmäßig. Die Blümchen dürften sich aber vervielfältigen lassen, die sehen IMHO so aus, wie nicht jedesmal neu gemalt.
Gruß
Micha
walter der jüngere

Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

@Gnomus:
Solange es sich um flache - also ungewölbte - Zifferblätter handelt, dürfe Dein Vorschlag gut praktikabel sein. Vor allem, wenn derartige Blätter mit Laserdruckern ausgedruckt werden.
Diese Drucke sind dann farbstabiler, als tintenhaltige.

Bei gewölbten bzw. bei Zifferblättern mit Vertiefungen kommt man damit nicht weiter.

Um aber nachfolgenden Generationen die Originalsubstanz nicht zu nehmen, würde ich dann das neue ZB mit einer Seidenpapierschicht dazwischen - vor das alte ZB klemmen (keinesfalls kleben!).

Walter d. J. (Moderator)
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Re: Frage an die Restauratoren - Papierzifferblatt

Beitrag von Gnomus »

walter der jüngere hat geschrieben:Bei gewölbten bzw. bei Zifferblättern mit Vertiefungen kommt man damit nicht weiter.
Im alten Forum hatte mal jemand einen Ziffernring eines 2geteilten Regulator-ZBs vorgestellt, den er gedruckt hatte. Der Ring war allerdings nicht laminiert, sondern glaub ich lackiert, jedenfalls war er tatsächlich richtig rum gewölbt.
walter der jüngere hat geschrieben: Um aber nachfolgenden Generationen die Originalsubstanz nicht zu nehmen, würde ich dann das neue ZB mit einer Seidenpapierschicht dazwischen - vor das alte ZB klemmen (keinesfalls kleben!).
Walter d. J.
Ich finde auch, so ein Original-ZB sollte in jedem Fall erhalten und möglichst in der Uhr (nicht als Beilage, die irgendwann verschwindet) zu finden sein.
Gruß
Micha
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