Marken-Trittbrettfahrer

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
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droba
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Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von droba »

Hallo Uhrenfreunde,

Marken-Trittbrettfahrer gibt es heute in Hülle und Fülle: Alte Marken werden aufgekauft und von Investorengruppen oder von neueren Firmen mit einem neuen (Pseudo-) Leben und oft auch einer zumindest teilweise erdichteten Firmengeschichte versehen und dann auf die Käuferschaft losgelassen, in der Hoffnung mit der alten Marke Erfahrung und Qualität vorzuspiegeln und Umsatz zu machen. Beispiele dafür kennt wohl jeder von uns zur Genüge.

Genaugenommen ist das aber keine ganz neue Erscheinung, sondern Marken-Trittbrettfahrer gab es auch schon früher, wenn auch nicht im heutigen Umfang. Hier ein interessantes Beispiel aus der Vergangenheit, das ich aber als Rätsel einstelle:

Ich zeige Euch ein Firmenzeichen auf einem deutschen Uhrwerk anfangs der 1950er Jahre:

Bild

Welches Firmenzeichen einer renommierten (aber anfangs der 50er Jahre nicht mehr existierenden Uhrenfabrik) wird hier in stilisierter Form wiederholt, von welchem Betrieb und warum hat der rechtmäßige Eigentümer dieses Markenzeichens (den es zu diesem Zeitpunkt noch gab!) wohl keinen Einspruch erhoben?

droba
holger
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von holger »

Hallo,
mit Hilfe des Lexikon der deutschen Uhrenindustrie würde ich folgende These aufstellen:
Silesia war ein Markenname von G. Becker, der an Junghans über ging.
? Junghans benutzte den Namen nach 45 nicht mehr ?
In der DDR gab es bei Halle (Saale) einen kleinen Uhrenhesteller dieses Namens, der die Werke auch so signierte.
Da es seit 49 ja 2 deutsche Staaten gab wäre es gut möglich, daß die bundesdeutsche Firma nichts dagegen tun konnte (wollte).
Gruß Holger
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Andy62
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von Andy62 »

Hallo droba,
auch ich erkenne eine einfache Krone und einen Anker und natürlich Silesia. Soll für mich also auch eine Vereinfachung des Markenzeichens von Gustav Becker darstellen.
Der spätere Eigentümer müsste somit Junghans gewesen sein. Allerdings ist mir diese von dir gezeigte Bildmarke unbekannt. Aber da der Eigentümer der Bildmarke nichts gegen dieses Plagiat unternommen hat muß er irgendwie mit Junghans verbunden gewesen sein. Oder er konnte nichts unternehmen. Lt. Mikrolisk gab es in Halle einen Uhrenherstleller
namens Silesia allerdings ohne Bildmarke.
Andy
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droba
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von droba »

Hallo Uhrenfreunde,

Holger hat mit seinem fundierten Wissen die Angelegenheit erklärt. Es gibt zwar über diese Angelegenheit keinerlei Unterlagen mehr, aber die Rückschlüsse sind so eindeutig, dass wir sie als gesichert ansehen können.

Jezt fehlt nur noch der Name des Betriebes, der dieses alte G.Becker Zeichen unerlaubt "ge-Guttenbergt" hat. Es war die "Erste Uhrenproduktionsgenossenschaft der DDR" in Halle (abgekürzt "UPG-Halle") Diese wurde anfangs der 50er Jahre gegründet und war halbstaatlich. Ich gehe davon aus, dass dieses Zeichen das erste Zeichen der UPG war- etwas später wurde dasselbe Zeichen mit den Buchstaben UPG und unter dem Anker anstelle von "Silesia" mit dem Wort "Halle-S." verwendet.

Junghans war der rechtmäßige Eigentümer des Firmenzeichens und war mit Sicherheit nicht mit der erneuten Verwendung einverstanden, aber konnte wohl nichts dagegen unternehmen. Eine Klage hätte sozusagen gegen die DDR-selbst eingereicht werden müssen. Das war wohl nicht möglich.

Im alten Forum ist mal das Gerücht aufgetaucht, die Firma Gustav-Becker sei nach dem 2. Weltkrieg nochmals neu gegründet worden. Das ist definitiv nicht der Fall gewesen, aber möglicherweise entstand dieses Gerücht aufgrund dieses Markenzeichen-Klaus, um den es in diesem Thread geht.


droba
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Fritz
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von Fritz »

droba hat geschrieben:Ich zeige Euch ein Firmenzeichen auf einem deutschen Uhrwerk anfangs der 1950er Jahre:
Bild
droba
Ja so ein Werk wie oben habe ich auch noch im Bestand und auch noch dieses, den Nachfolger:
UPG1.JPG
UPG2.JPG
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uhriella
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von uhriella »

interessanter Fred, danke an droba und auch an Fritz für die Einstellungen!
Wie ist die Geschichte mit der UPG weiter gegangen? Hat sie diese G.Becker-Zeichen noch lange verwendet?

Gruß Uhriella
holger
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von holger »

Hallo,
die erste PGH der DDR wurde 1952 in Berlin gegründet.
Silesia ist die Marke einer Privatfirma in Halle.
Aus der Ähnlichkeit der beiden Marken kann man schließen, daß die Erste Uhren-Produtions-Genossenschaft Halle um 1955 aus der Silesia entstanden ist.
Der erste Vorsitzende der UPG war sicherlich der ehemalige Eigentümer der Silesia/Halle.
Gruß Holger
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droba
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von droba »

uhriella hat geschrieben:interessanter Fred, danke an droba und auch an Fritz für die Einstellungen!
Wie ist die Geschichte mit der UPG weiter gegangen? Hat sie diese G.Becker-Zeichen noch lange verwendet?

Gruß Uhriella
Hallo Uhriella,

- das Firmenzeichen wurde später noch stärker stilisiert und wurde wohl bis zum Ende der UPG noch verwendet, kam aber auf Uhren nicht mehr vor. Es war so stark stilisiert, dass ich die Herkunft/Übereinstimung mit dem G.Becker-Zeichen lange nicht bemerkte.

- Die UPG stellte dann vermutlich Mitte der 60er Jahre die Herstellung eigener Werke ein und verwendete mechanische Werke aus Weimar, später auch Batterie-Werke.

- Aufgelöst wurde die UPG wohl nach der deutschen Wiedervereinigung, aber ob noch eine Privatisierung stattgefunden hat, glaube ich nicht- es war offiziell ja eine Genossenschaft. Genaue Informationen fehlen aber.


droba
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soaringjoy
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Re: Marken-Trittbrettfahrer

Beitrag von soaringjoy »

Droba,

danke für den Thread!

Zumindest ohne das Wort "Silesia" muss man auch wirklich
zweimal scharf hingucken, um die Verbindung zum G.B. Zeichen
"Anker und Krone" herauszuschälen.

So wie ich es sehe, tat Junghans gut daran, nicht dagegen vorzugehen;
es wäre eine endlose Geschichte geworden und wie uns die Geschichtsschreibung
wieder einmal gelehrt hat, erledigt sich vieles von selbst. ;)

J.
"tempus nostrum"
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