Restaurierung / Wiederherstellung Comtoise

[walter der jüngere]

Hallo,

Leinölfirnis ist eine prima Sache - für Holz und Ölgemälde etwa.
Wenn er dann mal getrocknet ist, ist zähes Bröckeln etc. angesagt.
Auf Holz und erst recht auf nicht saugfähigem Untergrund.
Schau einfach mal Gemälderestauratoren über die Schulter.
Auf Metall / Messing kann man den Ansatz von Patina, Rost oder Grünspan begünstigen.
Auch kann man Messing beizen. Und auch mit entsprechendem Lack überziehen, wenn es denn unbedingt sein muß.
Das mag gut aussehen, muß es aber nicht. Gewußt wie ist hier der springende Punkt.
Allgemeingültige Anwendungen "mit einem Pinselstrich ist alles perfekt" gibt es nicht.
Allgemeinrezept á Dr. Oetker gibt es da ebenfalls nicht. Außer: Messing lässt sich optisch gesehen, prima auf "alt" trimmen.
Aber mit Lack hat das zunächst nichts zu tun. Messing wurde von jeher immer mal wieder gewischt, poliert, gerieben etc. Eine bestimmte Patina mit Lack konservieren zu wollen, hieße, eine bestimmte Art, Färgung und Stärke von Rostbefall jetzt dekorativ auf immer und ewig festhalten zu wollen.
Geht so nicht. Auch nicht bei einem Baumarkt, der sich genau das Gegenteil derzeit auf die Fahnen schreibt. Lack altert. Und muß demzufolge irgendwann entweder abgenommen und erneuert werden (mit allem Untergrundaufbau), oder das Ganze wird zunehmend unansehlich.

Als Anfänger / Laie ohne Erfahrung, was auch immer, ist dies schwer einzusehen.
Und es gab, gibt und wird immer wieder "Geheimrezepte" geben, von denen schon mal jemand was gehört oder gesagt hat, und wo man jetzt und hier die 100% sichere Antwort haben will.
Wenn die schon nicht bei Google stehen, und in Fachliteratur* nicht zu finden sind - dann wird es wohl so sein, daß man die fragen sollte, die sich entweder mit soetwas auskennen, oder die derartige Geheimrezepte so wohlfeil anpreisen. Oder: Selber experimentieren.
Das "Manko" dabei ist: Ob und wie lange das Ergebnis gut aussieht, merkt man erst hinterher - eigene Erfahrungen sammeln läuft nun mal so ab.

Als Fachliteratur wären aus dem Stehgreif zu nennen:
Loeske: Hilfsbuch für Uhrmacher
Eyermann: Chemisch-techgnisches REzeptbuch
Diebener: Werkstattrezepte für Uhrmacher
Diebener: Werkstattrezepte für Gold- und Silberschmiede
C. Schwahn: Rezept- und Werkstattbuch für den Gold- und Silberschmied

Walter d. J. (Moderator)

[Felix18]

Laß es so wie es ist und warte erstmal ab, wie es mit der Zeit reagiert. Da Messing sowieso von allein nachdunkelt,
würde ich nicht noch mit irgendwas drauf gehen.
Vorschläge und Tips findet man im Internet genügend, jedoch die Ergebnisse, die man dort sieht, überzeugen mich nicht,
ebenso das Erhitzen von Messing.

[karlo]

Die Patina ist erstmal versaut. Bis die nachwaechst dauert es Jahre.
Und bei solchen Hauruckaktionen erstmal ueberlegen, was der Uhr im normalen Gebrauch geschehen ist hilft.
Man hat Staub gewischt.
Keine chemische Keule.
Dadurch sind die erhabenen Stellen einfach glaenzender.

Karlo

[Felix18]

Man darf auch nicht vergessen, das manche Uhren jahrelang unbeachtet in einer Ecke, Karton oder Dachboden/Keller ihr Dasein
gefristet haben, bis sie dann verkauft wurden. Von natürlicher Patina kann dann keine Rede mehr sein, da ist dann meistens noch richtiger Siff drauf. Für den einen ist Patina einfach nur Dreck, für den anderen macht es eben gerade dann eine alte Uhr aus. Da scheiden sich die Geister.

[Uhrmacher 19]

@w.d.j.
Vielen Dank Walter
Ich denke ich lasse das Messingschild zunächst einmal von alleine nachdunkeln.
Wenn ich die Uhr komplett zusammenbaue werde ich darauf achten, dass insbesondere an dem Messingblech keine Fingerabdrücke zurückbleiben.
Werde also dann mit Handschuhen arbeiten.
Ansonsten findet an den mit den blanken Fingern berührten Stellen eine nicht zu definierende chemische Reaktion statt und das Messing bekommt Flecken.
Ich werde auch keine Experimente mit irgendwelchen Lacken durchführen.
Vermutlich war das Messingschild genau deswegen so schwierig zu reinigen; weil an einigen Stellen irgendein Lack schwierig zu beseitigen war.

Sollte das Messing im Laufe der Zeit nicht mehr so schön aussehen, dann wird es eben wieder etwas aufgefrischt.

Gruß,
Jörg

[Uhrmacher 19]

Und hier noch eine kleine "Sonntagsarbeit":

Bei dem Ziffernblatt waren die Löcher für die Aufzugsvierkante nicht gleichmässig angebracht .... oder das Ziffernblatt war an einer Uhr, deren Platinen nicht symetrisch zur Zeigerwelle waren.

Egal ....

Die Differenzen waren noch relativ gering, so dass ich etwas nachgearbeitet habe.
Hier noch ohne Zierringe:

DSC04932.JPG

Dann an die Arbeit ... Zierringe von Hand anfertigen:

DSC04935.JPG

DSC04936.JPG

DSC04937.JPG

DSC04938.JPG

DSC04940.JPG

DSC04941.JPG

DSC04942.JPG

DSC04944.JPG

War mal wieder eine schöne Übungsarbeit

Viele Grüße,
Jörg
PS: Die Zierringe haben kein Standardmaß ... daher Handarbeit

[Uhrmacher 19]

Als nächsten Schritt werde ich mich mal mit den Zeigern beschäftigen.
Habe mir dazu Rohlinge von Deckert gekauft.
Interessant war zu sehen, dass es sich um sogenannte Ätzteile handelt.
Aber egal ... die müssen sowieso überarbeitet werden.

Hier ein Foto:

DSC04947.JPG

Außerdem habe ich mir mal direkt eine Schablone von den Zeigern gemacht.
Man weiß ja nie .... vielleicht brauche ich sie mal

DSC04946.JPG

Die Zeiger haben übrigens 12€ gekostet.
Ich denke der Preis ist ok.

Gruß,
Jörg

[karlo]

Dass zwischen billig und preiswert Welten liegen hast Du damit bewiesen.
Da stimmt nichts an den Zeigern. Alle Proportionen sind Muell.
Aber Du wolltest ja billig.
Hast Du jemals Originalzeiger gesehen?
Wie machst Du die Oberflaeche?

Karlo

[Uhrmacher 19]

Ja Karlo .... da hast Du ohne Zweifel recht.
Aber ich hatte für den Preis wirklich nicht mehr erwartet.
Diese Zeiger als Originalteile zu bekommen dürfte nahezu unmöglich sein.

Aber lass mich mal machen .... und lass Dich mal überraschen.
Ich werde die Zeiger so gut es geht nacharbeiten.
Ein paar Schlüsselfeilen, ein wenig Schleipapier, eine ruhige Hand .... und jede Menge Geduld .... dann wird das schon

Hier mal ein paar Musterbilder, die veranschaulichen wie die Zeiger im fertigen Zustand aussehen sollen:

Scan_Pic0008.jpg

Scan_Pic0010.jpg

Scan_Pic0009.jpg

Zu Deiner Frage bzgl. der Oberfläche:
Ich denke ich werde die Oberfläche polieren.
Allerdings nicht auf hochglanz, sondern leicht mattiert.

Hast Du vielleicht noch Fotos von Originalzeigern ???
Vielleicht kannst Du ja ein paar einstellen .... als Anschauungsmaterial.

Gruß,
Jörg

[walter der jüngere]

Hallo,

Bilder von Comtoise-Uhren findet man sowohl in einschlägiger Fachliteratur mehr als genug.
Und falls dies nicht reicht:
Bei ebay einfach mal unter dem einzugebenden Suchbegriff "Comtoise" schauen. So viele Uhren, wie bei einer solchen Suche auftauchen - da wird man mit Betrachten schon einige Zeit verbringen können.

Walter d. J. (Moderator)