Es geht weiter:
Unruh Teil 1
Bei der Unruh gibt es 2 prinzipielle Möglichkeiten, eine hohe Güte des Schwingsystems zu erreichen:
Einmal vergrößert man die Masse der Unruh:
Beim Seechronometer ist die Unruh sehr groß und schwer, um eine hohe Güte zu erreichen. Je höher der Durchmesser und je schwerer die Unruh, um so stabiler ist das Schwingsystem. Die Unruh schwingt aber relativ langsam. Sie macht 2 Schwingungen pro Sekunde. Wenn man die Unruh eines Seechronometers betrachtet, merkt man schon intuitiv, dass das Schwingsystem äußerst stabil ist. Das nächste Bild zeigt in etwa die Dynamik, die in so einer großen Unruh steckt.
Aber das wirkt eher, wenn man die Unruh wirklich in Aktion sieht.
Die Unruh ist auch recht schwer, so schwer, dass man mit den Chronometergehäuse nur anecken muss, um die Zapfen der Unruh zu beschädigen. Früher wurden aus diesem Grunde bei Wempe in Hamburg die Seechronometer, die zu den Schiffen gebracht werden mussten, von einem Boten abgeholt, damit den Uhren ja nichts passierte.
Bei Taschenuhren ist man auch diesen Weg gegangen. Gute Taschenuhren hatten eine große Unruh, so groß wie möglich. Beobachtungsuhren hatten relativ schwere Unruhen, die so groß waren, dass sie vom Werkrand bis zum Minutentrieb gingen.
Die 2. Möglichkeit ist es, die Frequenz der Unruh zu erhöhen:
Wer Armbanduhren aus der Frühzeit bis in die 50ger, besonders Damenuhren, reparierte, wird schon oft geflucht haben, denn die Dinger wollten einfach nicht gescheit laufen. Besonders verrufen waren die Damen-Armband-Zylinderuhren. Denn dort war die kleine und leichte Unruh sehr unfrei. Dass diese Uhren nicht vernünftig laufen konnten, war eigentlich kein Wunder.
Aber auch bei den Ankeruhren dieser Zeit war das nicht viel besser. Das lag daran, dass die Unruhen relativ klein waren, die Masse der Unruh war auch nicht außen am Rand konzentriert (denn da waren ja die Schrauben). Und vor allen Dingen: Die Unruhen hatten eine Frequenz von 2,5 Hz, also 5 Halbschwingungen pro Sekunde oder 18.000 Schläge in der Stunde.
Im Laufe der Armbanduhrentwicklung ist man dazu übergegangen, die Frequenz immer mehr zu erhöhen. Dadurch erhöht sich die Güte des Schwingsystems, und die Uhren laufen einfach genauer. Die nächste Entwicklung auf diesem Gebiet war die Schlagzahl 21.600 für Damenuhren. Die Verhältnisse waren daher besser, weil die Unruhen zwar leichter waren, aber die Masse sich außen am Unruhreif konzentrierte, so dass die dynamische Wirkung größer und so die Unruh freier war und eine höhere Güte besaßen. Dabei blieb es eine ganze Weile.
Bei diesem Werk kann man sehr deutlich sehen, dass die Unruh so groß wie möglich ist, also vom Minutentrieb bis zum Werkrand. Und die Masse der Unruh liegt möglichst weit außen, um das Schwingsystem stabil zu halten, also die Güte des Systems zu vergrößern. Dass durch die Ringunruh der Kraftverlust durch Luftwiderstand verringert wurde, trug wiederum zur besseren Güte des Systems bei.
Die Frequenz der Unruhen wurden – besonders im Herrenuhrbereich – immer mehr erhöht, 28.800 war lange Zeit das Maß der Dinge bei den besseren Uhren. Einige Uhren hatten sogar eine Schlagzahl von 36.000. Leider habe ich dazu kein Bild.