Für die kleine Feiertagslektüre stelle ich heute noch schnell eine Kutscheruhr (also eine Taschenuhr für den Kutscher) vor.
Mit der Vernetzung der öffentlichen Verkehrsmittel wurde die Uhrzeit ein wichtiger Bestandteil des Reisens - nicht nur für Reisende mit Post- und Reisekutschen, sondern auch für Selbstfahrer.
Um 1900 war die Verwendung von Uhren an offenen Kutschen, die in speziellen Schutzgehäusen bzw. Ledertaschen auf dem Fußbrett oder dem Spritzschutz angebracht waren, eine wichtige Neuerung, damit die Kutscher und die Selbstfahrer (im Englischen ‚whip‘=Peitsche - die Bezeichnung für den Fahrer einer Kutsche, der seine eigene Kutsche fährt) die Zeit leicht ablesen konnten.
Eine solche Kombination hatte ich mal in England gekauft.
Das Werk ist anonym (aber von Doxa), Durchmesser 68 mm, ca. 1905. Zifferblatt und die vorhandenen Zeiger sind in sehr gutem Zustand.
Die Uhr hat wohl mit den Kutschen ihren Geist aufgegeben, einige Teile fehlen.
Es wäre keine große Kunst, sie zu polieren und ein funktionierendes Austauschwerk einzubauen. Aber den Originalzustand gibt es nur einmal - er ist mit der gleichen Patina aller Teile deutlich wertvoller, als restauriert. Deshalb werde ich alles so wohl lassen, eventuell noch etwas reinigen.
Das Glas der Halterung funktioniert wie eine Lupe, damit die Uhr aus der Position des Kutschers besser lesbar ist.
Die Halterung aus Leder selbst ist in einem erstaunlich guten Zustand, etwas Rost am Scharnier ist alles. Man kann sie öffnen und die von einer Feder gehaltene Taschenuhr entnehmen.
Die Kutschen der Royal Mail in England waren die ersten im 18. Jahrhundert, die auf die Minute genau abfuhren und dem vorgegebenen Fahrplan folgten. Sie kamen so genau an, dass die Kirchenuhren der jeweiligen Orte nach ihnen gestellt wurden und nicht umgekehrt.
Der Schaffner war mit einer robusten Taschenuhr ausgestattet, die er gut geschützt in seiner ledernen Umhängetasche für Schlüssel der Tür, Fahr- und Geldscheine oder Kurszettel trug.
Der Kutscher musste sich während der schnellen Fahrt in der Kutsche immer wieder bei dem Schaffner nach der Uhrzeit erkundigen. Zeitgenössische Gemälde zeigen Szenen, in denen sich der Kutscher zum Schaffner umdreht.
Auch die Tradition der Fußbrett-Uhren wurde in England geboren, in der Glanzzeit der Mail- und Stage-Coaches. Um pünktlich zu sein und um die Strecke genau einteilen zu können, brauchte der Kutscher eine für ihn sichtbare Uhr. Man baute die Uhr am Fußbrett neben seinen Füssen an, so war der Name Fussbrett-Uhr geboren.
Um die volle Genauigkeit zu gewährleisten, waren öffentliche Road-Coaches also in der Regel mit zwei Uhren ausgestattet.
Allen frohe Weihnachten und ein gesundes, hoffentlich friedliches neues Jahr
wünscht
Joachim
Kutscheruhr von Doxa
Kutscheruhr von Doxa
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Re: Kutscheruhr von Doxa
Hallo Joachim,
danke für diesen Beitrag: sowas gefällt mir sehr, eine eher unbekannte Gattung Uhr in deren Umfeld und Anwendungsbereich vorzustellen!
Wunderbar, sowas wünsche ich mir öfter!
danke für diesen Beitrag: sowas gefällt mir sehr, eine eher unbekannte Gattung Uhr in deren Umfeld und Anwendungsbereich vorzustellen!
Wunderbar, sowas wünsche ich mir öfter!
Re: Kutscheruhr von Doxa
Nachtrag:
Im pocketwatch-Forum gab es Nachfragen, ob das Ledergehäuse eigentlich für größere Uhren vorgesehen sei.
Ich vermute, dass der Raum um die Uhr herum deshalb größer ist, um Erschütterungen zu minimieren.
Die Uhr ist nicht starr mit dem Ledergehäuse verbunden, sondern der Pendant klemmt in einer Feder, die leichte Bewegung nach allen Seiten gestattet. Auch der umlaufende Streifen aus dickem, weichem Leder hat sicher eine solche Funktion. Ein straff sitzendes Ledergehäuse würde die Erschütterungen direkt an die Uhr weitergeben.
Die Sichtscheibe des Ledergehäuses entspricht in der Größe der Taschenuhr.
Solche Gehäuse wurden in dicken Katalogen für zusätzliche Innen- und Aussenteile angeboten - Kutschentuning sozusagen. Mehrere dieser Einbauteile enthalten auch Taschenuhren:
Fündig wird man in der englischen, italienischen und deutschen Kutschensammler-Szene.
Joachim
Im pocketwatch-Forum gab es Nachfragen, ob das Ledergehäuse eigentlich für größere Uhren vorgesehen sei.
Ich vermute, dass der Raum um die Uhr herum deshalb größer ist, um Erschütterungen zu minimieren.
Die Uhr ist nicht starr mit dem Ledergehäuse verbunden, sondern der Pendant klemmt in einer Feder, die leichte Bewegung nach allen Seiten gestattet. Auch der umlaufende Streifen aus dickem, weichem Leder hat sicher eine solche Funktion. Ein straff sitzendes Ledergehäuse würde die Erschütterungen direkt an die Uhr weitergeben.
Die Sichtscheibe des Ledergehäuses entspricht in der Größe der Taschenuhr.
Solche Gehäuse wurden in dicken Katalogen für zusätzliche Innen- und Aussenteile angeboten - Kutschentuning sozusagen. Mehrere dieser Einbauteile enthalten auch Taschenuhren:
Fündig wird man in der englischen, italienischen und deutschen Kutschensammler-Szene.
Joachim
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