Frühe Jahresuhr zum Leben erweckt

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clavicembalist
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Frühe Jahresuhr zum Leben erweckt

Beitrag von clavicembalist » Fr 6. Jan 2017, 00:22

Eine weitere Jahresuhr in meiner Sammlung.

Als sie ankam triefte sie nur so vor Öl. Selbst der Sockel und der Glasdom waren mit einem Ölfilm überzogen. Der Sockel schien angerostet, das Uhrwerk sowie Räderwerk angelaufen und Schmutz saß zwischen vielen Zähnen. Die Lager sahen jedoch auf den ersten Blick Recht sauber aus. Nach einem kurzen Testlauf kamen auch schon die ersten Probleme. Auffällig waren die geringen Amplitude von maximalen 180°, das ist definitiv zu wenig. Desweiteren lief sie auch noch zu schnell. Alles im machbaren Bereich. Nach der Zerlegung und Reinigung sah das ganze schon ganz anders aus. Alle Räder, Lager und Zapfen sahen sehr gut aus. Alle Lager sind wieder geglättet worden um unnötige Reibung zu vermeiden.
Die Feder war zwar recht sauber jedoch nicht geschmiert, sie ruckelte beim auswinden im Federwinder. Nach der Reinigung wurde sie wieder gut geschmiert um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Die Paletten der Grahamhemmung waren einwandfrei erhalten. Hier hat der Vorbesitzer die Schrauben gelöst und nicht wieder festgezogen, somit saßen beide Paletten recht locker im eigentlichen Anker. Normalerweise braucht man an den Paletten nie etwas zu verstellen, da die Kraft welche am Hemmrad ankommt sehr gering ist, verschleißen diese sehr selten. Somit passte der Eingriff nicht mehr. Auch wurde mehrfach am Exenterlager des Ankers gedreht, auch hier stimmte der Ein- und Ausfall nicht mehr. Nach Korrektur der Paletten und dem Eingriff sollte das Werk wieder einwandfrei laufen können. Da die Uhr zu schnell lief, wurde mit roher Gewalt jede einzelne Kugel des Pendels nach außen gebogen, da sich die Reguliereinheit bereits in der tiefsten Minusstellung befand. Auch dieses musste wieder gerichtet werden, zumal schiefe Kugeln auch optisch seltsam aussehen. Die Pendelfeder war nicht richtig zusammengesetzt, da das Pendel eierte. Ich hatte leider keine andere passende Pendelfeder zur Hand und habe kurzerhand die vorhandene mit feinem Schleifpapier etwas abgezogen, um sie auszudünnen. Das kann man mal machen, sofern nichts anderes vorhanden ist. Ich werde sie demnächst aber noch gegen eine Horolovar ersetzen. Erste Gangkontrolle zeigt nur Gutes. Die Amplitude stiegen auf gute 290° an, die Grahamhemmung arbeitete vorzüglich wie erwartet. Momentan wird sie weiter einreguliert. Nun kam das größere Problem: Der Sockel. Mit einfacher Politur war hier nichts mehr zu machen. Also mit viel Geduld den kompletten Sockel abgeschliffen und poliert. Während dieser Zeit lagen die anderen Teile vom Tragstuhl im US-Bad zur Reinigung. Nach ca. 3 Stunden war ich dann endlich fertig, der Sockel war wieder blank und schön anzusehen. Nach gründlicher Reinigung habe ich diesen als auch alle anderen Messingteile mit Renaissance Wachs versiegelt(inkl. Pendel), so bleiben alle Teile sehr lang schön und sind geschützt.das Zifferblatt aus Emaille habe ich nach einer vorsichtigen Reinigung ebenfalls mit dem Wachs behandelt. Es ist wieder erstaunlich hell und strahlend geworden. Da nun alles fertig bearbeitet war erfolgte nun der Zusammenbau. Nun steht sie auf unserem Highboard und zählt wieder die Zeit.
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besra
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Re: Frühe Jahresuhr zum Leben erweckt

Beitrag von besra » Fr 6. Jan 2017, 11:35

Hallo,

ein wie ich finde sehr schöne und vergleichsweise eher schlichte Uhr. Gefällt mir sehr.
Vielen Dank für's Zeigen!

Grüße
Bernd

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Der_Stromer
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Re: Frühe Jahresuhr zum Leben erweckt

Beitrag von Der_Stromer » Fr 6. Jan 2017, 19:21

:) Hallo, Christian.

Prima, wieder eine Uhr vom Schrott gerettet!

Kieninger und Obergfell, ab 1935.

:mrgreen: Gut gelernt und aufgepasst!
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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clavicembalist
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Re: Frühe Jahresuhr zum Leben erweckt

Beitrag von clavicembalist » Fr 6. Jan 2017, 20:40

Danke :)

Dein Tipp mit dem Wachs war Gold wert. Ich benutze den nur noch, man sieht ihn nicht und er lässt sich auf alles auftragen. Meine Standuhr habe ich auch damit eingerieben und poliert, sieht aus wie neu.

Glaubst du, dass das Pendel original zugehörig ist? Ich bezweifele das, zumal diese frühen Uhren Scheibenpendel und erst später das Kugelpendel bekamen. Desweiteren ist es einer Kundo gar nicht ähnlich, aber es sieht sehr nach einem Pendel von Kern aus. Nichtsdestotrotz gefällt sie mir auch so sehr gut ;)

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Re: Frühe Jahresuhr zum Leben erweckt

Beitrag von Der_Stromer » Fr 6. Jan 2017, 21:17

Nö. Die Badische Uhrenfabrik (BADUF) hat bereits 1889 ein Kugelpendel verwendet, allerdings war das noch nicht regulierbar. Die Jahresuhrenfabrik hat dann ab ca. 1906 seine Kugelpendel patentieren lassen. Spätestens ab da wurden die Scheibenpendel bei Reparaturen Stück für Stück ersetzt - leider! Deine Uhr stammt aus 1935 und hat ganz sicher schon in der "Erstausstattung" dieses Kugelpendel gehabt.

Übrigens: Wahrscheinlich ab 1908 herum wurden - Ausnahmen bestätigen die Regel - die Kugelpendel schon von Zulieferern hergestellt und nach vorgegebenen Spezifikationen an die Uhrenfabriken geliefert. Einige Pendel sind sogar baugleich, man kann Teile untereinander Tauschen!
Hallo aus der Oberpfalz
Rolf-Dieter, der Stromer

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Re: Frühe Jahresuhr zum Leben erweckt

Beitrag von clavicembalist » Fr 6. Jan 2017, 22:33

Ok, dass diese schon so früh verwendet wurden wusste ich noch nicht, aber gut zu wissen. Kannte bisher nur die Scheibenpendel. Da stimme ich Dir zu, dass es sehr Schade ist, dass diese nach Reparaturen ausgetauscht wurden.
Sie haben ihren ganz eigenen Reiz.

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