Bei dieser Uhr – die Frage des Besitzers war mal wieder „Können Sie…“ – stellte ich mir wirklich selbst die Frage, ob ich das machen sollte. Warum? Nun, vielleicht kennen ja einige hier diese Uhr: Aug. Schatz & Söhne Tischuhr mit 4/4-Schlag und 4-Melodien-Werk.
Aber auch ein „Dünnplatinenwerk“, bei dem gerne Lager auslaufen. Und wenn dann noch ein Laie an den Schlagwerken sein „Glück“ versucht hat…. Na ja. Ich wollte mal und mein Sprachfehler tat dann sein Übriges dazu.
Nach ein paar Tagen kommt dann ein Paket an, Gewicht 5,35 kg! Ja, soviel wiegt diese Uhr wirklich!
Als Erstes geschaut, was mit dem Echappement ist. Die Schutzkappe fehlt schon mal, nicht gut. Aber dann fällt mir doch ein Stein vom herzen: Unruhe, Hemmrad und Spirale sind in Ordnung, obwohl der Gang-Rücker bis zum Anschlag nach + gestellt ist und auch der Spiralrücker gleich mitverstellt wurde. Nun, das ist kein Problem. Hauptsache die Zapfen und Lager sind in Ordnung und das waren sie. Als nächstes dann die Lager, soweit man sie ohne Demontage sehen und begutachten kann, in Augenschein genommen. Und meine Befürchtungen wurden wahr! Schwarzer Schmodder und teilweise schon ovale Lager grinsen mich an „du wolltest es ja so…“. Die hintere Platine war sehr verkratzt. Da machte ich mir Sorgen um den „Schliff“, den man so schön sehen konnte.
Auch das Ziffernblatt wurde mal mit „scharfen“ Mitteln bearbeitet und zeigt leider entsprechende Spuren, ebenso das Gehäuse und die Scheiben aus Plexiglas. Trotzdem: Frisch ans Werk und alles zerlegt. Vorher einige Bilder gemacht, denn 2 Schlagwerke und ein Uhrwerk, da muss ich schon aufpassen, das da am Ende kein Rad oder so übrig bleibt

Jetzt nach der Demontage und groben reinigen der Platinen etc. zeigte sich auch, warum die Uhr nicht mehr so richtig wollte. 8 (acht!!) Lager waren mehr oder weniger eingelaufen. Der absolute Knaller war aber das hier: Schön oval gelaufen. Hier musste erstmal wieder der Mittelpunkt gefunden werden. Einfach aufreiben ging nicht. Das neue Lager hätte dann garantiert 1mm neben der Mitte gelegen. Also zur Feile gegriffen und nach der Ölsenkung das Loch rund gefeilt, in der Hoffnung, dass der Eingriff nicht zusehr daneben liegen würde. Es hat geklappt! So ähnlich deformiert war noch ein zweites Lager, same procedure as first! Der Rest war dann auch in einigen Stunden erledigt: Aufreiben, Lager einpressen, Lager Aufreiben, Rad mit Welle einsetzen, Lauf kontrollieren. Und das wie geschrieben 8 Mal.
Die Räder und Platinen im US-Bad gereinigt und verblüfft aus der Wäsche geguckt, als sich der vermeintliche „Schliff“ der hinteren Platine als Druck erwies, der sich teilweise von der Platine ablöste. Alle Messingteile sowie Räder und so weiter gründlich mit Bürste vom letzten Rest des schwarzen Drecks befreit (den hat nicht einmal das US-Bad komplett geschafft!) und die Zapfen überprüft. Hier konnte ich keine Fehler feststellen. Messing ist also doch weicher als Stahl. Trotzdem wurden die Zapfen alle poliert.
Das Werk dann wieder zusammensetzen war ein Geduldsspiel. Aber mit RODICO und guten Pinzetten habe ich auch das geschafft. Meine Bilder waren hilfreich, aber eigentlich (im Nachhinein ist man(n) immer schlauer) hätte ich das auch so wieder zusammen bekommen. Einzige Stellung, die sich später ohne den Eingriff auf zu heben, nicht mehr korrigieren ließ, war das Schöpferrad zum Warnungsstopp. Aber das ist relativ unkritisch, man muss nur drauf achten, dass der Windfang bei der Warnung ca. 4 – 6 Umdrehungen Freilauf hat. Beim 4/4-Schlagwerk, ein Schlossscheibenwerk, hatte ich die größeren Bedenken, die sich aber in Nichts auflösten. Hier waren alle justierbaren Hebel und Räder so konstruiert, dass eine Einstellung jederzeit auch Nachträglich gemacht werden konnte. Sehr praktisch!
Auch die „Selbstsynchronisierung“ ist prima gelöst. Ein Nocken auf der Schlossscheibe löst das Stundenschlagwerk aus, aber nur, wenn der Auslösedaumen auch den Auslösehebel anhebt. Sonst bleibt der Stundenschlag aus, bis beide Hebel übereinstimmen. Und damit stimmt der Schlag wieder. Eigentlich gaaanz einfach, gelle?
Das nächste Problemchen (ich war richtig übermütig ob meiner nicht erwarteten Erfolge) war dann das Musikwerk. Gleich am Anfang konnte ich feststellen, dass eigentlich dieses Musikteil aus- und eingebaut werden konnte, ohne das Werk von der Bodenplatte abnehmen zu müssen. Es handelt sich hier um ein Walzenwerk mit 4 Melodien zur Auswahl. Das sind 3 Baugruppen: Die Stachelwalze, die Hämmer mit Hammerbank und die Klangstäbe. Auch diese Teile wurden im US-Bad gereinigt, da es mal schön gefettet wurde und so der Abrieb sich recht unschön überall abgelagert hat. Aber anders als bei den Platinen ging dieser Schmutz leicht in US-Bad ab.
Nach der Reinigung dann der Zusammenbau. Wo sollte ich anfangen? Na, einfach umgekehrt. Klangstäbe auf die Bodenplatte, Hammerwerk eingesetzt (Vorsichtig, damit die Hammerarme nicht verbogen werden) und dann die Stachelwalze. Denkste!
Zuletzt die Hammerbank!
Jetzt die Auswahl-Mechanik eingestellt (die war hier arg verbogen und ließ nur 2 Melodien zu) und gerichtet. Bei der Arbeit braucht man wirklich 4 Hände! Man muss von Unten auf die Auslösehebel der Stachelwalze schaun, ob die Stacheln auch die Mitte der Hebel treffen. Wenn das in Position 1 geschafft ist, alle anderen 3 Positionen auch prüfen und ggf. den Walzenverschubhebel nach justieren, bis alle 4 Positionen stimmig sind.
Jetzt noch die Walze einrichten!
Und nun ein kleiner Tipp zur Position der Walze:
Man(ich) stellt die Melodie „Westminster“ ein. Beim Vollschlag muss dann folgende Tonfolge gespielt werden: (Aus Wikipedia – ich kann keine Noten lesen oder schreiben)
Der Westminsterschlag besteht aus den Tönen h0, e1, fis1 und gis1.
Die Permutationen sind:
1. gis1, fis1, e1, h0
2. e1, gis1, fis1, h0
3. e1, fis1, gis1, e1
4. gis1, e1, fis1, h0
5. h0, fis1, gis1, e1
Gespielt als drei Viertelnoten und eine punktierte halbe Note. Zu jeder vollen Viertelstunde wird eine andere Abfolge dieser Permutationen gespielt.
Um Voll wird immer 4.) gespielt. Wenn das an der Walze eingestellt ist (einfach auf der Rückseite das mittlere Rad aus dem eingriff nehmen), dann stimmen auch alle anderen Melodien.
Die letzten Arbeiten waren dann noch die Feinjustage der Hämmer, damit auch kein störendes Vibrieren mehr auftreten kann.
Die Uhr mit meinem alten Greiner Junior noch Reguliert (Abfall und Gang) und mich am Klang der Tonstäbe erfreut. Eigentlich waren mir diese zu leise. Erst dachte ich noch, ich müsste nochmal alles demontieren und die Lederköpfe der Hämmer (8 Stück an der Zahl) ersetzen. Aber als ich das Gehäuse mal probehalber drauf hatte, war der Klang auf einmal besser und auch lauter! Und so sieht diese Uhr jetzt aus. Hergestellt übrigens im März 1973.