
Schon die Beschriftung auf dem Zifferblatt zeigt deutlich die elektrische Uhr: „Electrique Dixi“. Ein kleiner Blick ins Gehäuse macht die Sache erst einmal interessant:

Sollte das eine Uhr nach Hipp sein? Seltsamerweise gibt es an der Pendelstange keinerlei Kontakteinrichtung. Der Blick wanderte nach oben ins Uhrwerk. Dort gab es einige Kabel und 2 Anschlüsse an das Uhrwerk. Und genau dort waren die Kontakte, ähnlich wie bei einer Uhr nach ATO, also am Klinkenrad angeordnet:

Das Ganze erschien doch interessant, obwohl ich vom Hersteller Dixi noch nie etwas gehört hatte. Zu dieser Konstruktion fielen mit spontan 2 Dinge ein:
1. Ein Vorgänger von ATO?
2. Ein Nachfolger, der das ATO-Patent umgehen wollte?
Dem Gehäuse nach müsste die Uhr später hergestellt worden sein, der Stil zeigt ein Design aus den 30gern. Die ATO-Uhren von Leon Hatot waren schon ab 1924 bekannt.
Zu Hause also erst man an den PC und nach Dixi gegoogelt. Man kann sich denken, was dabei herausgekommen ist. Und auch die Suche nach „Electrique Dixi“ und auch „Horloge Electrique Dixi“ brachte nichts ein, außer den mobilen Toiletten. Einzig ein Treffer kam mir zu: Vor einiger Zeit musste wohl bei Ebay eine Gründungsurkunde verkauft worden sein: „Dixi Fabrication d’horloges electriques, Verviers 1929“. Leider war sie schon weg. Jedenfalls passt das genannte Datum der Uhr mit dem Gehäusestil zusammen. Bei der Suche nach Dixi Verviers kam übrigens wieder ein Hinweis auf die besagten Mini-Mobilien.
Mit diesen spärlichen Erkenntnissen ging es dann an die Reparatur. Das Gehäuse war nur verschmutzt und brauchte eine gründliche Reinigung. Auch die facettierten Gläser waren noch in Ordnung. Das Gehäuse ist aus massiver Eiche gebaut, erschien also – bis auf die Sperrholzrückwand – ziemlich wertig. Die alte Verkabelung war auch noch in Ordnung, und bis auf einen mönströsen Funkenlöschkondensator war alles Original. Der wanderte sofort in die Tonne. Funkenlöschung erfolgt jetzt ganz unauffällig durch einen Widerstand, der an der Spule reversibel festgeschraubt ist. (Siehe Antriebsspulen im 2. Bild).
Zur Bestimmung des Funkenlöschwiderstandes (10-facher bis 15-facher Wert der Spulen) kam das nächste „OHO“. Der Widerstand der Spulen ergab zusammen nur 26 Ohm! Wenn man das mit Widerstandswerten der ATO-Uhren vergleicht – meist über 1000 Ohm – erscheint das doch sehr gering. Waren vielleicht die Spulen defekt? Also habe ich die Spulen einzeln gemessen, die beide den gleichen Wert von 13 Ohm aufwiesen. Scheinbar war alles noch in Ordnung. Wahrscheinlich wurde da auch nichts geändert, denn die Spulen wurden nach dem Wickeln mit dem Grundträger aus Stahlblech vernietet. Da kann man nichts vernünftig nachwickeln, außer man bohrt den Niet aus.
Also habe ich alles gereinigt. Das Uhrwerk erschien – wie das Gehäuse – oberflächlich gesehen doch sehr hochwertig. Und hat eine kleine Werknummer, nämlich die 108. Sehr erfolgreich scheint der Hersteller dieser Uhren nicht gewesen zu sein, eine Eintagsfliege also. Mindestens eine Reparatur hat es auch schon gegeben, denn die Zifferblatt-Halterung wurde nachgenietet, außerdem wurde ja auch der Kondensator nachträglich eingesetzt.

Wenn man sich das Uhrwerk genau betrachtet, kommen einem an der Herstellungsqualität leichte Zweifel: Die Kontakte wurden mit Zinn an die Halterungen geschwemmt, ein Bauteil am Pendel wurde an der Pendelhalterung mit Zinn angelötet, ebenso wurde der Zifferblattring mit ordentlich Zinn am Blatt befestigt. Alles erscheint original, weil es z. B. beim Zifferblattring keinerlei andere Befestigung wie Nieten oder Schrauben gibt. Außerdem war die Lötstelle am Pendelzwischenstück sehr gut ausgeführt, aber aus Zinn. Keine Grobschlosser-Uhrmacher-Reparatur.

Die Zweifel sollten wachsen, als das Pendel eingehängt wurde: Nach gründlicher Nachstellung des Weicheisenbügels unten am Pendel und der Kontakte (Der Weicheisenbügel sollte so knapp über den Spulen schwingen wie möglich, ohne sie zu berühren. Die Kontaktöffnung sollte genau dann erfolgen, wenn sich der Weicheisenbügel kurz vor den Spulenkernen befindet) wurde alles mit 1,5V versorgt und das Pendel angeworfen. Während bei Uhren nach Hipp das Pendel so gegen 20 Schwingungen ohne Antrieb macht, wurde hier bei jeder Schwingung der Kontakt geschlossen. Ich war also gespannt!
Es kam, wie es kommen musste: Nach 3 Minuten war die Pendelamplitude so gewachsen, dass das Pendel rechts und links am Gehäuse anstieß. Der Versuch musste also abgebrochen werden. Jetzt gab es 2 Möglichkeiten:
Ø Wie ursprünglich die Einstellung von Bügel und Kontakt so schlecht zu machen, dass der Pendelausschlag klein blieb, oder
Ø Den Pendelausschlag dadurch zu verringern, dass man durch einen Vorwiderstand den Strom und damit die Pendelamplitude zu verringern.
Ich habe mich für die 2. Möglichkeit entschieden, denn durch einen verringerten Strom kann man die Laufzeit der Uhr mit einer Batterie massiv verlängern. Durch Versuche konnte der Stromfluss während des Kontaktschlusses von 0,06 A auf 0,024 A verringert werden. An sich immer noch ein hoher Wert, aber viel besser als vorher. Durch den Vorwiderstand wird die Spule nur noch mit 0,7V versorgt, statt mit der vollen Spannung von 1,5V. Wenn man dünneren Spulendraht und dadurch eine Spule mit mehr Windungen und höherem Widerstand verwendet hätte, wäre die Konstruktion besser gewesen, hätte aber bei der Produktion genauer eingestellt werden müssen.
Zusammenfassung: Der Hersteller der Dixi-Uhren versuchte, das ATO-Patent und damit die Patentgebühren zu umgehen, baute dadurch aber recht unprofessionelle elektrische Uhren, welche nicht bis zum Ende durchkonstruiert waren und dadurch einen sehr hohen Stromverbrauch hatten. Trotz der massiven mechanischen Teile und des hochwertigen Gehäuses konnte sich der Hersteller nicht lange am Markt halten. Daher bleib er unbekannt, bis heute.
Gut repariert, wird die Uhr aber noch lange laufen.
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