Lepaute-Tischuhr

Vorstellung von Uhren und Uhrensystemen
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Typ1-2-3
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Lepaute-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Ich möchte hier einmal eine schöne, ziemlich frühe Lepaute-Tischuhr – Art Deco – vorstellen. Sie ist äußerst hochwertig verarbeitet, schon von außen. Alles sehr massiv aufgebaut, das Gehäuse ist wurzelholzfurniert mit 2 dekorativen schwarzen Streifen. Der Glasrand ist massiv Messing, das Glas facettiert.

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Das Zifferblatt ist handgemalt, nicht bedruckt, mit einer Signatur des Handwerkers auf der Rückseite. Alles original, Glasrand, Zifferblatt und Zifferblatthalter sind identisch nummeriert, diese Nummerierung findet sich auch auf dem Werk wieder.

Von hinten erkennt man das – elektrisch angetriebene - Uhrwerk.

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Der Aufzug funktioniert ähnlich wie bei einem Stromzähler: Die Wechselspannung erzeugt über einen recht großen Weicheisenklotz (Stator) in der Aluminiumscheibe einen Wirbelstrom. Dieser wiederum erzeugt ein Magnetfeld, so dass die Aluscheibe angetrieben werden kann. Dazu ist der Stator asymmetrisch aufgebaut, damit das Magnetfeld in der Spule zu der im Stator etwas verschoben ist. Nur dadurch kann sich die Aluminiumscheibe, die das ganze Werk dominiert, mit sehr geringem Drehmoment in Pfeilrichtung . Der Stromverbrauch der Uhr ist äußerst minimal, die Spule erwärmt sich kaum.

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Wenn man die Aluscheibe abbaut, kann man deutlich den asymmetrisch aufgebauten Stator erkennen (verschobene Kupferscheibe, die das Magnetfeld durch ihren eigenen Wirbelstrom beeinflusst).

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Das Räderwerk besteht einmal aus einer riesigen Übersetzung, um das geringe Drehmoment der Aluscheibe zum Aufziehen der Feder nutzen zu können. Außerdem natürlich aus den Rädern des Uhrwerkes, hier eher oben angeordnet. Alles sehr massiv aufgebaut, so dass keine Lager ersetzt werden mussten. Die Platinen waren – warum auch immer – mit Goldbronze lackiert, auch das original. So habe ich die Platinen nur mit Benzin abgewaschen.

Wenn die Uhr voll aufgezogen ist, was immerhin 2 bis 3 Stunden dauert, soll die Feder nicht überzogen werden. Dazu ist auf dem Federkern eine Wandermutter angebracht. Wen es wundert: Dies ist ein fast identisches Werk mit gleichem Aufbau, aber vernickelt. Wenn die Uhr aufgezogen ist, drückt die Wandermutter mit dem Filzring auf die Aluscheibe und bremst sie rein mechanisch. Einen Schalter hat die Uhr nicht.

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Zufälligerweise hatte ich gleichzeitig genau 2 dieser Uhren auf meinem Werktisch. Das letzte Bild zeigt den Vergleich mit der frühen Uhr aus diesem Artikel mit einem späteren – aber immer noch frühem – Werk des gleichen Herstellers. Bis auf kleine Änderungen bleibt das Prinzip bei beiden Uhren gleich. Es scheint sich also bewährt zu haben, trotz des bestimmt nicht geringen Preises dieser Uhren.

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Frank
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wahli76
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Re: Lepaute-Tischuhr

Beitrag von wahli76 »

Hallo Frank,

vielen Dank für den Bericht und die tollen Fotos. Bei Magnetismus und Unruhregler denke ich natürlich gleich an magnetische Beeinflussung der Ganggenauigkeit. Hast du da mal ein paar Versuche gemacht? die Uhr müßte ja auch ohne Elektromotor eine ganze Weile laufen.

Viele Grüße

Kurt
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Typ1-2-3
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Re: Lepaute-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Ich vermute, dass die Beeinflussung gar nicht so groß ist, wie man so meinen könnte. Denn der Großteil des Magnetismus läuft in Weicheisen, und der Kreis ist fast geschlossen, bis auf den schmalen Spalt, durch den die Alu-Scheibe läuft. Außerdem geht es nicht um Gleichstrom, also auch nicht um konstanten Magnetismus, sondern um 50 Hz-Wechselstrom. Übrigens ist das System nicht neu, auch Zenith, Siemens und Bäuerle (Ferramo) haben danach Uhren gebaut. Zenith und Ferramo sind bei mir auch zu finden, auch super-genau und mit gutem Echappement.

Frank
petsch
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Re: Lepaute-Tischuhr

Beitrag von petsch »

Hallo Frank,
vielen Dank für den informativen Bericht.
Die Uhr ist ja neu bestimmt nicht billig gewesen, so wie Du die Ausführung beschreibst. Gibt es irgendwo Informationen über die damaligen Neupreise, vielleicht sogar im Vergleich zu anderen rein mechanischen Wohnraumuhren ?

Gruß
Peter
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Typ1-2-3
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Re: Lepaute-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Leider habe ich keinen Katalog über diese speziellen Uhren dieser Firma. Wenn ich aber die Preise der elektrischen Uhren mit denen der mechanischen vergleiche - bei anderen Herstellern - dann waren die elektrischen Uhren 1/3 bis 2/3 teurer als eine qualitativ vergleichbare mechanische Uhr. Außerdem liefen bei gleicher Qualität die elektrischen etwas genauer als die mechanischen Uhren, denn die waren immer voll aufgezogen und hatten daher gleichbleibendes Antriebsdrehmoment.

Frank
KleineSekunde
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Re: Lepaute-Tischuhr

Beitrag von KleineSekunde »

Hallo Frank,

eine optisch und technisch sehr interessante Uhr! Insbesondere das handgemalte Zifferblatt finde ich bemerkenswert.
Typ1-2-3 hat geschrieben:Wenn die Uhr aufgezogen ist, drückt die Wandermutter mit dem Filzring auf die Aluscheibe und bremst sie rein mechanisch.
Hier hätte ich ja zunächst einen stärkeren Verschleiß des Filzringes erwartet, aber die Aluscheibe lässt sich wirklich durch ein ganz sanftes Berühren mit einem Finger bremsen und zum Stillstand bringen.

Nun, eine Frage zu der Uhr hätte ich da noch: Auf den Aluminiumscheiben erkennt man kleine Löcher: Wozu dienen die? Zum Auswuchten der Scheibe? Oder haben die eine ganz andere Funktion?

Vielen Dank!

Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde
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Typ1-2-3
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Re: Lepaute-Tischuhr

Beitrag von Typ1-2-3 »

Ehrlich gesagt: Keine Ahnung. Aber Auswuchten könnte sein, die Idee ist gut. Denn das Drehmoment ist ja wirklich winzig, und da würde eine Unwucht schon stören, besonders beim Anlauf.

Zenith hat keine Löcher, Ferramo auch nicht. Und beide dasselbe System.

Frank
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