Massives Schwarzwälder Werk???

Welche Uhr, welches Werk ist das ?
Antworten
Benutzeravatar
soaringjoy
Moderator
Beiträge: 1446
Registriert: Do 12. Aug 2010, 09:17
Wohnort: NRW

Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von soaringjoy »

Kennt jemand vielleicht den Hersteller dieses Uhrwerkes?

J.
Steven01.JPG
Steven02.JPG
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
"tempus nostrum"
walter der jüngere

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von walter der jüngere »

Hallo,

das Ganze scheint tatsächlich ein "massives" Schwarzwälder Werk zu sein. Massiv Messing...
Wobei ich den Eindruck habe, daß ein Holzplatinenwerk als Vorlage gedient haben dürfte.
Zahnradübersetzungen und offenbar sogar Räder / Teile des Zeigerwerks / Hebel usw. davon / aus einem solchen Werk stammen könnten. Andere Teile davon scheinen allgemeine Universalersatzteile (Furniturenbestände) zu sein.
Auch sieht mir die Platinengestaltung / die Kloben sehr nach individueller Anfertigung aus.

Walter d. J.
Benutzeravatar
Phalos
Beiträge: 906
Registriert: Fr 20. Aug 2010, 21:08
Wohnort: Nähe München
Kontaktdaten:

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von Phalos »

Ich hatte mal ein selbes Werk. Vom Aufbau genau gleich, aber mit Unruhe.
"'S muss a Blede geb'n, aber 's werden hoit ollawei mehrad!" - Meister Eder
karlo

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von karlo »

Da sieht wirklich einiges handgedengelt aus.
Aber der Strichschliff der Platinen passt nicht dazu.
Ich bin mir nicht sicher ob alle Teile original sind.

Mach doch mal Fotos von innen.

Karlo
Heinrich
Beiträge: 246
Registriert: So 13. Feb 2011, 20:18
Wohnort: Lauffen/N

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von Heinrich »

meiner Meinung nach ist dieses Werk so geboren, wie es auf den Bildern zu sehen ist. Ich habe schon zwei oder drei Schwarzwaldwerke repariert, die dem Vorliegenden ähnlich waren. Die Platinen waren gegossen und dann überschliffen. Man konnte das an dem teilweise mangelhaften Schliff auf den Innenseiten der Platinen erkennen, auf denen die ursprüngliche Gußoberfläche noch teilweise zu sehen war. Ich könnte mir vorstellen, daß sich die Uhrenfabriken im Zuge eines höheren Qualitätsanspruchs ihrer Kunden vorhandener Radsätze aus früheren Produkionen bedienten und diese einfach zwischen "hochwertige" Vollmessingplatinen gesetzt haben. Ein weiteres Indiz, das für die Originalität dieses Werkes spricht, ist doch die Tatsache, daß Teile verschiedener Werktypen mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht untereinander austauschbar sind. Wer hätte sich damals die Mühe gemacht, für so eine "einfache" Uhr Teile zu suchen und mühsam anzupassen, wo es doch ähnliche Werke allenthalben für wenig Geld zu kaufen gab.

Heinrich
Der liebe Gott gab uns die Zeit (von der Eile hat er nichts gesagt!).
petsch
Administrator
Beiträge: 1862
Registriert: So 15. Aug 2010, 18:10

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von petsch »

Ich habe auch keinen Zweifel an der Originalität und habe ein ganz ähnliches Werk auch schon mehrmals in frühen Regulatoren gehabt.
Auffällig war bei diesen Regulatoren, dass die Aufzüge (also die Federhäuser) nicht symmetrisch verteilt waren. Das fällt sofort auf, wenn die Aufzugslöcher nicht gleichmässig im Emailleblatt verteilt sind.

Und ich glaube bei solchen Bilderrahmenuhren hab ich den Werkstyp auch schon gehabt. Oder habs sogar noch irgendwo.
Weil die Werke doch etwas seltsam sind, habe ich auch nach Herstellerangaben gesucht und leider auch nie etwas gefunden.

Gruß
Peter
Falls Du Dich spezieller mit Taschenuhren beschäftigen möchtest, besuch doch auch das pocketwatchforum :
http://forum.pocketwatch.ch/
Benutzeravatar
s.hartig
Beiträge: 174
Registriert: So 2. Jan 2011, 19:45
Wohnort: Mittelbaden

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von s.hartig »

Ich kann meinen beiden Vorrednern nur beipflichten und auf die einschlägige Literatur verweisen (z.B. Bender, Die Uhrmacher des hohen Schwarzwaldes... Bd.1, S. 319 ff oder Kahlert, 300 Jahre Schwarzwälder Uhrenindustrie S. 152 ff).

Die sogenannten "massiven" Schwarzwälder Werke gehen auf Musteruhren zurück, die nach 1850 an der Großherzoglichen Badischen Uhrmacherschule in Furtwangen entwickelt worden waren, um den Uhrmachern bzw. der sich entwickelnden Manufakturen Vorlagen für hochwertigere Uhren zur Verfügung zu stellen. Damit sollte das notleidende Schwarzwälder Uhrengewerbe gefördert werden, dem amerikanische und französiche Massenhersteller mit eben "massiven" Uhren (im Gegensatz zu den billigen Schwarzwälder Holzplatinen-Uhren) immer mehr Marktanteile wegnahmen.

Die Musteruhren bezogen sich auf Zugfederwerke für Wand- und Stockuhren mit Messingplatinen, die Ausführungen wurden unterschieden nach "englischer Bauart" mit Kette / Schnecke, Volltrieben u. massivem Anker sowie Rechenschlag, nach "französischer Bauart", "Wiener Bauart" und eben nach "Schwarzwälder Bauart" wie das Werk von soaringjoy mit feststehenden Federhäusern, Hohltrieben, Schlossscheibenschlagwerk und (meist) massivem Anker.
Die Platinen bestanden dabei nicht aus gewalztem Messingblech (derartige Maschinen waren wohl im armen Schwarzwald nicht verfügbar) sondern wurden -ebenso wie die Räder-Rohlinge- gegossen und dannach überschliffen. Später waren die Platinen dann nicht mehr durchgängig sondern imittierten mit Aussparungen (Stichwort "Lyra-Werke") die fortschrittlich auf großen Stanzen materialsparend produzierten sog. "Amerikanerwerke".

Hersteller dieser Werke gab es wohl zahllose, habe selbst eine Handvoll Wand- und Stutzuhren mit diesen Federzugwerken, von denen aber keines genau dem andern gleicht.

Untenstehend noch ein Foto mit drei "Ersatzwerken" aus meiner Vorratskiste, das mittlere ist signiert "Reiss & Cie".

Soweit in aller Kürze

Stefan
Du hast keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Benutzeravatar
soaringjoy
Moderator
Beiträge: 1446
Registriert: Do 12. Aug 2010, 09:17
Wohnort: NRW

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von soaringjoy »

Jow, bingo!
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Meine güte, wie kann ein
Mensch alleine nur so blöd sein, dass er den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht!
Ich meine mich selbst, wohlgemerkt. :D
Klar, Musterwerk Furtwangen. Danke!

Stefan, darf ich Dein Bild weiter verwenden?

Jürgen
"tempus nostrum"
Benutzeravatar
droba
Beiträge: 839
Registriert: So 22. Aug 2010, 21:39

Re: Massives Schwarzwälder Werk???

Beitrag von droba »

s.hartig hat geschrieben: Diese sogenannten "massiven" Schwarzwälder Werke gehen auf Musteruhren zurück, die nach 1850 an der Großherzoglichen Badischen Uhrmacherschule in Furtwangen entwickelt worden waren, um den Uhrmachern bzw. der sich entwickelnden Manufakturen Vorlagen für hochwertigere Uhren zur Verfügung zu stellen.

Hersteller dieser Werke gab es wohl zahllose, habe selbst eine Handvoll Wand- und Stutzuhren mit diesen Federzugwerken, von denen aber keines genau dem andern gleicht.

Stefan
Prima Beitrag, Stefan!
Der bekannteste Betrieb der diese massiven Schwarzwälder Uhrwerke verwendete, war Winterhalter, der sich ja auch an der Uhrmacherschule in Furtwangen engagierte.

Auch wenn wir mehrere massive Uhrwerke mit Namenskennzeichnung wie Winterhalter, Gordian Hettich Sohn ua.a. kennen, müssen wir aber nach meiner Einschätzung davon ausgehen, dass diese Betriebe ihre Werkteile nicht selbst gegossen haben (das auch gar nicht konnten...), sondern im Auftrag gießen ließen. Winterhalter und Hettich waren beide in Furtwangen, also dürfte S. Siedle diese Werke gegossen haben.

Vermutlich hat aber die Rivalität der Betriebe dafür gesorgt, dass die Werke sich im Aussehen unterscheiden mussten und nicht gleich aussehen durften.

droba
Antworten