Junghans Silent

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Wynen
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Junghans Silent

Beitrag von Wynen » Mi 29. Aug 2012, 16:20

Seit einem Artikel von Peter Rastätter über die Junghans Silent Wecker aus dem Jahr 2007[1] bin ich hinter diesem Wecker her. Und nachdem Leisegang im alten DGC Forum ein solches Werk gezeigt hat[2], war ich mir auch sicher, dass ich keinem Phantom hinterher jage. Zwischenzeitlich habe ich diesen Wecker natürlich auch im Stadtmuseum Schramberg anlässlich der Ausstellung ihrer elektrischen Uhren (hups, hat aber gar nichts mit Strom zu tun) gesehen.[3] Jetzt ist es mir endlich gelungen, ein Exemplar zu ergattern, und dann meiner Meinung nach auch ein besonders Schönes: Cremefarbenes Gehäuse mit einem Max Bill Zifferblatt (man beachte die Typographie der Zahlen).
silent-1-600px.jpg
silent-2-600px.jpg
Mich interessierte natürlich die Technik. Meines Wissens nach ist dies die einzige kommerziell in großen Stückzahlen gebaute Uhr, bei der eine magnetische Hemmung nach Clifford eingebaut wurde. Auch Clifford selbst erwähnt in seinem Beitrag der Electrical Horology Group der Antiquarian Horological Society[4] nur diese Uhr. Im Netz findet man nur noch eine Hamilton Taschenuhr[5], von von der es zwei Prototypen gegeben haben soll.
silent-3-600px.jpg
Mein Werk unterscheidet sich deutlich von dem Werk, welches Leisegang seinerzeit vorgestellt hat. Seines ist anscheinend ein früher Prototyp (Glückwunsch), während meines ein Serienmodell ist, bei dem zahlreiche Verbesserungen von Junghans eingebaut wurden[6].

Eigentlich sammle ich elektrische Uhren. Dieses Modell passt aber trotzdem gut in die Sammlung, weil die Umkehrung des Prinzips der magnetischen Hemmung, also die magnetische Fortschaltung, in zahlreichen Uhren der 60er und 70er Jahre verwendet wurde. Beispielsweise verwendeten Jeco (Wecker und Armbanduhr), Citizen (Elitron), Schatz und Diehl (Resonic) für mittelfrequente Biegeschwinger und Stimmgabeln eine magnetische Fortschaltung. Bulova hat sie aber im Gegensatz zu der Behauptung von Peter Rastätter nie eingesetzt.


[1] Peter Rastätter: Junghans Silent - Ein Wecker mit magnetischer Hemmung
in: \KlassikUhren 6/2007
[2] http://www.dg-chrono.info/dg-chrono.de/ ... 2&start=30
[3] Gisela Lixfeld (Hrsg.): Die elektrischen Uhren im Stadtmuseum Schramberg
Katalog zur Ausstellung im Stadtmuseum Schramberg, 24. Juni bis 9. September 2007
[4] Cecil F. Clifford: The Magnetic Escapement
AHS EHG Lecture No. 9 (1972)
[5] z.B. Antiquorum, Important Collectors’ Wristwatches, Pocket Watches & Clocks, 02-04-2006, Lot 401
[6] siehe das deutsche Gebrauchsmuster 1.825.494U vom 18.1.1958
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Typ1-2-3
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Re: Junghans Silent

Beitrag von Typ1-2-3 » Mi 29. Aug 2012, 17:12

Es gibt von dieser Uhr übrigens mehrere Ausführungen. Eine hat wie Deine für das "Hemmungsrad" ein Körnerlager, netterweise mit der Körnerschraube KS6000. Diese Körnerschraube ist bei Junghans gängig, also auch für andere Wecker eingesetzt. Die Uhr läuft unter dem Kaliber 283/500, sie hat eine offene Feder.

Offensichtlich hat Junghans dieses Werk noch verbessert. Unter der Kaliber-Bezeichnung 283/506 sind einige Veränderungen in die Konstruktion des Gehäuses und des Uhrwerkes eingeflossen. So ist das "Hemmungsrad" auf einer Seite mit einem Zapfenlager und einem Deckplättchen, auf der anderen Seite genauso, aber als Schraube einstellbar gelagert. Außerdem gibt es ein richtiges Federhaus, auch wenn es nur ein Tiefziehteil aus Blech auf dem Federrad ist. Aber so besteht keine Gefahr mehr, dass die Uhr beim Aufziehen stehen bleibt und dann nicht richtig anläuft. Weil diese Wecker keinen Sekundenzeiger hatten (warum eigentlich nicht?), hat das Nachfolgemodell ein kleines Fensterchen in der Blech-Rückwand bekommen, durch dass man erkennen konnte, ob die Uhr wirklich lief. Wie viele dieser Wecker noch in Umlauf gebracht wurden, weiß ich nicht. Ich habe ein lauffähiges Wrack 500 und einen kompletten Wecker 506. Letzterer in der Original-Verpackung mit Anleitung.

Ach ja: Und es gibt 2 Arten Zifferblätter: Eines mit Zahlen wie Deines und eines mit Keilen. Die Gehäusekonstruktion, die Zeiger und der Abstellknopf sind aber immer gleich. Farben gab es auch verschiedene. Meine sind beide rot

:arrow: Wenn es der Wecker ist, den ich meine, hast Du den nur deshalb so günstig bekommen, weil Walter der Jüngere und ich uns einig waren, den nicht auch noch abzugreifen. Ein ganz kleines wenig haben wir uns anschließend "geärgert", weil er so billig war. So wissen wir aber, dass er ein gutes Zuhause gefunden hat :lol:

Frank

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Re: Junghans Silent

Beitrag von KleineSekunde » Mi 29. Aug 2012, 18:45

Hallo,

dieser technisch sehr interessante Wecker scheint ja hervorragend erhalten zu sein. Glückwunsch und viel Spaß damit!

Hier noch ein Zitat von dem Teilnehmer Leisegang aus dem alten Forum zur Funktionsweise dieser Hemmung:
Der Antrieb der Hemmung erfolgt über ein hoch übersetztes Räderwerk. Die Übersetzung vom Sekundenrad zum Hemmrad ist 1:300, das Hemmrad als letztes Rad macht 5 Umdrehungen in der Sekunde. Es besteht aus magnetisch weichen Material und hat eine wellenförmige Führungsbahn. Dieses Hemmrad wird von einer gabelförmigen flachen Feder am aüßeren Ende umfasst.
Die Gabelenden tragen links und rechts kleine Magnete (Nord und Südpol), die so angeordnet sind, dass sie auf der wellenförmigen Bahn des Hemmrades dieses Rad nicht berühren und nur durch ihr magnetischen Feld beeinflussen.
Beim Durchlaufen der zahnartigen Enden des Hemmrades durch das magnetischen Kraftfeld, werden die kleinen Magnete mit der Feder ein wenig nach unten gezogen und bremsen dadurch die Umdrehung des Hemmrades, das Magnetifeld kann durch das Weiterdrehen und der Bauart des Hemmrades, die Feder nicht mehr unten halten und die Feder schwingt wieder nach oben zurück, die Magnete kommen wieder in ihre vorbestimmte Lage zum Hemmrad und bremsen so wieder das Hemmrad durch das Magnetfeld, und immer so weiter 5 mal in der Sekunde. Für den Betrachter des Laufes der Hemmung, ist nur das Drehen des Hemmrads und das schnelle Schwingen der flachen Feder mit den Magneten sichtbar.


Schöne Grüße

Guido / KleineSekunde

karlo

Re: Junghans Silent

Beitrag von karlo » Mi 29. Aug 2012, 19:58

Ein sammlungswuerdiges Stueck Uhrengeschichte.

Karlo

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Re: Junghans Silent

Beitrag von soaringjoy » Mi 29. Aug 2012, 21:41

Ein schöner und zeitloser Wecker!

Junghans hat übrigens auch bei den Großuhrwerken mit Magneten
gearbeitet, so beim "Exacta" Werk mit der "magnetisch entlasteten
Unruh".

Letztenendes wares nicht der mangelnde Erfindergeist, der zum Untergang
führte, sondern vielmehr, dass Junghans sich oftmals zu viel Zeit nahm, um
Neuentwicklungen auf den Markt zu bringen.
JHAd1956.jpg
JHExactaFB.jpg
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"tempus nostrum"

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Re: Junghans Silent

Beitrag von Gnomus » Mi 29. Aug 2012, 22:10

Hallo Jürgen,
danke für die Zeichnungen. Die sind für mich sozusagen der "missing link" zwischen dem Schwebe-Ankergang und der "vereinfachten magnetisch entlasteten Unruh", die bei einigen mechanischen DDR-Wanduhren anzutreffen war. Das obere Lager war magnetisch und sollte so die Reibung zwischen Unruhwelle und untenliegender Körnerschraube verringern. Gemeinsam ist allen 3 Bauarten der Anker mit der abgewinkelten Gabel. Auf Grund seiner Bauart darf er sich horizontal nicht verschieben, wegen des Eingriffs in die Unruh. Deshalb wird er auf der einen Seite mit einem Deckblech und auf der anderen Seite mit einer schwachen Feder gehalten. Ich könnte mir vorstellen, daß dieser "Zangengriff" die Reibung zusätzlich erhöht.
Gruß
Micha

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Re: Junghans Silent

Beitrag von Wynen » Do 30. Aug 2012, 19:06

Ich bin ja ein Patent-Fetischist, daher hier noch die zugehörigen Patentlisten.

Zunächst die von Cecil Clifford bzw. Horstmann Clifford Magnetics Ltd.
Jgh-Silent-Pat1.jpg
und natürlich auch die von Junghans
Jgh-Silent-Pat2.jpg
Es ist interessant zu sehen, welche Patente oder welche Teile davon in der Konstruktion verwendet wurden und welche nicht. In diesem Fall kann man auch untersuchen, von wem bestimmte Konstruktionsmerkmale stammen, Junghans oder Clifford. Beispielsweise scheint die Schwungscheibe auf dem Wellenrad von Clifford zu stammen (GB 798.261), wie auch schon die Bemerkung von Cecil Clifford in seinem Vortrag auf dem 6. Chronometriekongress 1959 in München nahelegt.

@Frank:
Aus diesem Grund wäre ich daran interessiert, eine Detailaufnahme von Deinem 283/506 zu sehen. Ist dort der gleiche aus zwei lamellen aufgebaute magnet verwendet worden? Ist die Regulier-Vorrichtung verändert? Wurde eine "Kraft-Ausgleichsvorrichtung", also eine Art Zwischenaufzug eingebaut? Mein Flume Werksucher legt nahe, dass sich die beiden Modelle nur um Federrad(283/500) und Federhaus(283/506) unterscheiden. Die Körnerschreuben sind bei mir für beide Modelle gleich, aber KS6100.

@Frank,Walter D.J.,
wenn es der Wecker ist, auf den ihr nicht geboten habt (und so viele gibt es davon ja wirklich nicht zu ersteigern), so bedanke ich mich dafür bei euch ganz herzlich. Ihr habt mir damit eine sehr große Freude gemacht.

Gruß
Hartmut
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Re: Junghans Silent

Beitrag von Typ1-2-3 » So 2. Sep 2012, 19:54

Hallo Hartmut

Du wolltest ja Bilder eines Vergleichsweckers, um die Entwicklung bei Junghans zu verfolgen. Hier die Bilder. Z. T. liegt mein anderes Weckerwrack daneben, welches die Entwicklung zeigt, die Du auch in der Hand hast.

Bild

Zunächst also mal der Karton. Den sieht man bestimmt auch nicht mehr häufig.

Bild

Zifferblatt wie Dein Wecker, Gehäuse in Rot, Anleitung dabei.

Bild

Die Rückseite zeigt eine Weiterentwicklung: Unten in der Mitte ist ein kleines Fensterchen zu sehen, von innen mit einem durchsichtigen Plastikstück abgedeckt, damit kein Staub eindringt. Durch dieses Fenster kann man ein Rad sehen, welches sich beim Gehen des Weckers bewegt. So kann man auch ohne Sekundenzeiger das Gehen des Weckers kontrollieren. Gehwerk wird durch das Federhaus anders herum aufgezogen. Der Pfeil zeigt das, der Schlüssel ist auch ein linker.

Bild

Links die alte Version, rechts die neuere. Man sieht links das Körnerlager für das "Hemmrad", rechts eine Schraube zur Einstellung der Höhenluft des Zapfenlagers des "Hemmrades". Rechts dazu noch ein Bügel, der die Höhenluft in der Hemmung konstant hält. Alles wahrscheinlich, um Reklamationen zu verhindern und den Wecker gebrauchstüchtiger zu machen. Außerdem ist noch das Gesperr rechts zu sehen, links das Federrad.

Bild

Die Hemmung unterscheidet sich nur wenig von der alten Version, vielleicht abgesehen von den Zapfen des Hemmungsrades und dem Bügel, der hier deutlich zu sehen ist und eine Entsprechung an der unteren Platine hat. Beide zusammen haben die Funktion eines zusätzlichen Pfeilers.

Bild

Hier noch mal das Federhaus. Einfache Konstruktion, ein Blechtopf. Das war es.

Außerdem hat der Wecker noch eine andere Einstellung der Weckzeit: Wenn man am Weckereinstellknopf dreht, hört man ein Gesperr, welches verhindern soll, dass man den Weckerzeiger rückwärts dreht. Beim andern Wecker ist dies lautlos. Daran kann man u. a. diese Wecker schon von außen unterscheiden.

Grüße

Frank

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Leisegang
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Re: Junghans Silent

Beitrag von Leisegang » Mo 17. Sep 2012, 21:30

Hallo Uhrenfreunde,

weil es zum Thema passt,
es gibt im Stadtmuseum Schramberg eine Schrift mit dem Titel "Uhrzeiten-Innovationen in Technik und Design"
Da ist ein Bericht über den Silent mit einer mehrseitigen Beschreibung der Hemmung drin, auch sonst einiges über Junghanswecker und -Uhren
wie zB. auch Werkelisten.

Viele Grüße

Leisegang

walter der jüngere

Re: Junghans Silent

Beitrag von walter der jüngere » Mo 17. Sep 2012, 21:33

Hallo,

falls jemand mehr über das Buch, von dem Leisegang geschrieben hat, wissen möchte, hier die Vorstellung dazu:

http://www.dg-chrono.info/dg-chrono.de/ ... =83&t=1139

Walter d. J.

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